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Geophysik: Wie die Kräfte des Erdinneren an Grönland zerren

Schwindendes Eis, sich bewegende Erdplatten: Grönland wird von zwei Seiten unter Spannung gesetzt. Die Insel verformt sich daher nach geologischen Maßstäben recht schnell.
Eine Abbruchkante aus Eis am Rande der Tundra markiert den Rand des grönländischen Inlandeises.
Grönland verändert sich dramatisch – nicht nur an seiner Oberfläche.

Seit Beginn der 1990er Jahre hat Grönland im Schnitt jährlich 175 Milliarden Tonnen Eis verloren, wobei sich die Verluste seit der Jahrtausendwende deutlich beschleunigt haben. Das hat auch Folgen für die Gesteinskruste der Insel, die auf diesen Gewichtsverlust reagiert. Und gleichzeitig sorgt die Plattentektonik dafür, dass sich die Region nach Nordwesten bewegt. Beides zusammen zieht und zerrt an Grönland in einem Ausmaß, das ein Team um Danjal Longfors Berg von der Technischen Universität Dänemark mithilfe von GPS-Daten genauer kalkuliert hat: Insgesamt bewegte sich die Insel während der 20-jährigen Messphase um durchschnittlich mehr als zwei Zentimeter pro Jahr nach Nordwesten, während sie sich gleichzeitig weiter aus dem Erdmantel hob.

Die Daten zeigen, dass dies nicht überall im gleichen Maße geschieht, weshalb Grönland an manchen Stellen in die Breite gezogen und an anderer Stelle gestaucht wird. Insgesamt wird die Insel dadurch leicht schmaler, doch dieser Effekt könnte nur vorübergehend sein. Nach geologischen Maßstäben verändert sich das zu autonome, außenpolitisch zu Dänemark zählende Gebiet jedenfalls relativ schnell. Das schließen die Wissenschaftler aus ihren Messungen, den plattentektonischen Bewegungen Grönlands während der letzten 26 000 Jahre und abschließenden Computersimulationen.

Der Gewichtsverlust durch die Gletscherschmelze der letzten Jahrzehnte sorgt dafür, dass sich die kontinentale Kruste des entlastenden Gebiets langsam hebt – ein Prozess, der als isostatischer Ausgleich bekannt ist. Besonders stark fällt er im Südosten der Insel aus, was hier jedoch auch mit der geotektonischen Vergangenheit Grönlands zusammenhängt. Dadurch wächst die Fläche der Insel, weil sie aus dem Meer aufsteigt. An anderer Stelle schrumpft sie jedoch auch, wo die Kruste durch die geotektonische Bewegung gestaucht und zusammengeschoben wird. Netto wird Grönland dadurch etwas kleiner, kalkulieren die Forscher.

Angesichts der fortschreitenden Erderwärmung halten sie diese Verkleinerung jedoch für ein vorübergehendes Phänomen: Mittelfristig werde der isostatische Aufstieg und die damit einhergehende Flächenvergrößerung überwiegen, schreiben sie. Außerdem verlängern sich durch die Eisschmelze die festen Küstenlinien Grönlands, weil sich die Gletscher landeinwärts zurückziehen. Gleichzeitig tauchen bislang unter Eis verborgene Inseln auf. Für Kartografen wird sich hier viel in kurzer Zeit verändern.

Anm. d. Red.: Grönland zählt außenpolitisch natürlich zu Dänemark, nicht zu Grönland selbst. Wir haben den Fehler korrigiert.

  • Quellen
Longfors Berg, D. et al., Journal of Geophysical Research 10.1029/2024JB030847, 2025

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