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News: Gerangel im Ethan

Ethan ist ein Paradebeispiel für die Einfachbindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen. Um diese Bindungen lassen sich die Atomgruppen an den Enden des Moleküls beliebig drehen, wenngleich es nur drei durch Energiebarrieren getrennte Positionen gibt, die bevorzugt eingenommen werden. Nun scheint es, als müsse die Lehrbuchmeinung revidiert werden, die bisher das Auftreten der Barrieren erklärt.
In organischen Verbindungen halten sich zwei Atome gleichsam über ein, zwei oder drei gemeinsame Elektronenpaare aneinander fest. Demzufolge spricht man auch von einer Ein-, Zwei- und Dreifachbindung. Während die letzten beiden starr sind und die Atomgruppen an beiden Enden der Bindung fixieren, erlaubt die Einfachbindung, die Gruppen frei gegeneinander zu verdrehen.

Allerdings sind nicht alle Stellungen – Konformationen – gleich günstig, so gibt es beim Ethan beispielsweise nur drei äquivalente, energetisch bevorzugte Stellungen der beiden Methylgruppen zueinander. Chemiker sprechen auch von der gestaffelten Konformation, denn könnte man das Molekül entlang der Bindungsachse betrachten, so wären die abstehenden Wasserstoffatome am vorderen Kohlenstoffatom gerade um 60 Grad zum hinteren verdreht.

Liegen die Wasserstoffatome der beiden benachbarten Kohlenstoffatome hingegen genau hintereinander, so bezeichnet man dies als ekliptische oder verdeckte Konformation. Diese Stellung ist energetisch gesehen nicht von Vorteil, die Differenz zwischen den beiden ausgezeichneten Konformationen beträgt 11,7 Kilojoule pro Mol. Es existiert also eine Energiebarriere, die es bei einer Drehung zu überwinden gilt. All das weiß man schon seit den dreißiger Jahren, die große Frage lautete seit dem aber: Was verursacht die Energiebarrieren?

Die gängigste Erklärung steht in fast jedem Lehrbuch der Organischen Chemie: Räumliche Gründe führen zu einer abstoßenden Wechselwirkung der Wasserstoffatome benachbarter Methylgruppen und sind so für die bevorzugte gestaffelte Konformation verantwortlich. Das Ethan dreht sich also so zurecht, dass seine Methylgruppen am meisten Platz haben. Bislang hielt diese Erklärung auch einer etwas besseren quantenmechanischen Betrachtung stand.

Nun warfen aber Vojislava Pophristic und Lionel Goodman vom Department of Chemistry der Rutgers University mit ihren Computersimulationen einen genaueren Blick auf die Wechselwirkung der Orbitale im Ethan. Dabei fanden sie heraus, dass die räumliche Abstoßung nur zweitrangig ist. Aber was bestimmt dann die Stellung der Methylgruppen?

Ein quantenmechanischer Effekt ist offenbar für die Struktur verantwortlich. Das Zauberwort heißt Hyperkonjugation und meint, dass die Elektronen eines bindenden Orbitals mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch in einem benachbarten, so genannten antibindenden Orbital anzutreffen sind. Ein Phänomen, das man beim Ethan eigentlich nicht erwarten würde, erweist sich, laut der Rechungen von Pophristic und Goodman, als energetisch günstig.

Die Hyperkonjugation ist nun genau dann am stärksten, wenn sich die Methylenden gestaffelt gegenüberstehen, denn in diesem Fall stehen sich auch jeweils die bindenden und antibindenden Orbitale gegenüber. Damit, so scheint es, hat die bisherige Interpretation der Energiebarriere beim Ethan ein Ende. Und so manches Lehrbuch bedarf einer Korrektur. Aber die Entdeckung der Chemiker ist auch anderweitig relevant – nämlich, wenn es darum geht, biologische Moleküle zu erforschen. So könnten die neuen Erkenntnisse ein ganz neues Licht auf komplizierte Prozesse, wie die Faltung von Proteinen werfen.

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  • Quellen
Nature Physics Portal
Nature 411: 539–541 (2001)
Nature 411: 565–568 (2001)

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