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Geschlechterverteilung: In Großfamilien ist das Geschlecht der Kinder womöglich kein Zufall

Das Geschlechterverhältnis bei Geschwistern ist nicht zufällig: Wer bislang ausschließlich Mädchen oder Jungen geboren hat, dürfte auch im nächsten Versuch nichts anderes bekommen.
Ein Junge in einem blauen Pullover sitzt an einem Tisch und isst ein Marmeladenbrot. Neben ihm sitzt ein weiterer Junge, der ihm das Brot wegnehmen möchte. Links von ihm isst ein weiterer Junge ebenfalls ein Marmeladenbrot. Auf dem Tisch stehen eine Schüssel, Tassen und Besteck. Im Hintergrund öffnet ein Junge einen Schrank, während ein anderer Milch in ein Glas gießt.
Ein Frühstück mit hungrigen Kindern kann zur Herausforderung werden – unabhängig vom Geschlecht.

Kinderreiche Großfamilien sind in Deutschland mittlerweile eine Seltenheit, deshalb fällt es im Alltag wohl nicht auf. Eine Studie zeigt jedoch, dass bei mehr als drei Kindern diese überzufällig häufig ausschließlich Jungen oder Mädchen sind. Wer also bereits drei Mädchen hat, bekommt beim vierten Kind häufiger erneut ein Mädchen – und bei jungenreichen Familien gilt das umgekehrt sogar noch mehr. Das zeigt die Datenanalyse einer Arbeitsgruppe um Siwen Wang von der Harvard University, die auch nach möglichen Gründen für dieses Geschlechterverhältnis gesucht hat.

Für seine Arbeit hatte das Team die Datensätze zweier großer US-Langzeitstudien ausgewertet: Sie umfassten Informationen von mehr als 58 000 Frauen und gut 146 000 Schwangerschaften zwischen 1956 und 2015. Bei der Auswertung wurden Einflussfaktoren wie Alter, Größe, Blutgruppe, BMI mit 18 Jahren sowie genetische Eigenschaften der Frauen berücksichtigt. Je mehr Kinder des gleichen Geschlechts bereits geboren wurden, desto wahrscheinlicher ist es laut der Studie, erneut ein Kind dieses Geschlechts zu bekommen. Für einen vierten Jungen liegt die Wahrscheinlichkeit bei 61 Prozent, für ein viertes Mädchen bei 58 Prozent.

Die Auswertung zeigte, dass diese Wahrscheinlichkeit mit dem Alter der Mütter steigt. Zudem spielen womöglich genetische Faktoren - so genannte Einzelnukleotid-Polymorphismen - eine Rolle, wie die genomweite Assoziationsstudie nahelegt. Die Forscher schränken aber ein, dass beispielsweise der väterliche Einfluss unberücksichtigt blieb und die Kohorte sehr homogen war.

Für Jan Korbel vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg sind die Ergebnisse eine erste Bestätigung früherer Diskussionen, dass das Geschlecht von Nachkommen nicht rein zufällig verteilt ist, wie er dem Kölner Science Media Center (SMC) mitteilte. Vor allem die Identifikation spezifischer genetischer Eigenschaften sei in diesem Zusammenhang interessant. Allerdings müssten weitere Studien die biologischen Mechanismen dahinter aufklären.

Kritischer sieht Christian Schaaf, Ärztlicher Direktor des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Heidelberg, die Resultate: »Die Ergebnisse wären viel überzeugender, wenn sie in einer zweiten, unabhängigen Kohorte – zum Beispiel einer gemischten Gruppe aus einem anderen Land – bestätigt worden wären.« Außerdem bestehe lediglich ein statistischer Zusammenhang zwischen den entsprechenden genetischen Varianten und dem gehäuften Auftreten des einen oder anderen Geschlechts, so der Mediziner.

  • Quellen
Wang S. et al., Science Advances 10.1126/sciadv.adu7402, 2025

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