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News: Geschwätzige Zebrafinken

Ein bestimmtes Gen im menschlichen Erbgut spielt bei der Entwicklung des Sprachfähigkeit eine entscheidende Rolle. Einen entsprechenden Erbfaktor konnten Max-Planck-Forscher jetzt auch bei Singvögeln ausfindig machen.
Zebrafink
Schon seit längerem kennen Wissenschaftler das Gen FOXP2, das beim Menschen eine zentrale Funktion bei der Entwicklung der Sprachfähigkeit besitzt. Mutationen in diesem Gen führen zu einem spezifischen Sprachproblem, insbesondere bei der Artikulation und dem Sprachverständnis.

Bereits 2002 hatte eine Arbeitsgruppe um Svante Päaboo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig die DNA-Sequenz des intakten FOXP2-Gens beim Menschen mit der Sequenz von Menschenaffen sowie Mäusen verglichen. Dabei hatten die Wissenschaftler herausgefunden, dass das menschliche FOXP2-Gen eine ganz spezifische Sequenzvariation aufweist, die sie bei den anderen Spezies nicht nachweisen konnten. Diese geringfügige Änderung könnte im Zuge der Evolution eine ganze Kette von weiteren Änderungen nach sich gezogen haben; denn das FOXP2-Gen stellt die Bauanleitung für einen Transkriptionsfaktor bereit – ein Protein, dass die Aktivität zahlreicher anderer Gene steuert. Die Leipziger fanden Hinweise dafür, dass die menschliche Form von FOXP2 für seinen Träger vorteilhaft gewesen sein muss und daher vermutlich maßgeblich mit der Entwicklung der menschlichen Sprache verknüpft ist.

Im Gegensatz zu Mäusen und Menschenaffen lernen zahlreiche Vogelarten ihre Gesangsmuster ähnlich wie Menschen das Sprechen. Constance Scharff vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik wollte daher herausfinden, ob die beim Menschen gefundene Sequenzvariation in FOXP2 auch bei Gesang lernenden Vögeln existiert. Zusammen mit Sebastian Haesler sowie Kollegen von der amerikanischen Duke University verglichen sie die Aktivität des entsprechenden Gens FoxP2 im Gehirn Gesang lernender Vögel, wie Zebrafinken, Kanarienvögeln, Sittichen, Spatzen, Meisen und Kolibris sowie nicht Gesang lernender Vögel, wie zum Beispiel Ringeltauben. Darüber hinaus studierten die Forscher das Gen bei den nächsten Verwandten der Vögel, den Krokodilen.

Zunächst einmal interessierten sie sich dafür, wann und wo das Gen im Vogelhirn exprimiert wurde: Waren es Regionen, die für die Gesangsproduktion verantwortlich sind oder für das Gesangslernen, und wurde das Gen in erster Linie während der Lern- oder Produktionsphase exprimiert? Darüber hinaus analysierten die Forscher die Struktur des Singvogel-Gens und verglichen sie mit der menschlichen Form von FOXP2. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass das FoxP2-Gen beim Zebrafinken dem des Menschen sehr ähnelt, allerdings nicht die beim Menschen gefundenen charakteristischen Sequenzvariationen aufweist.

"Offensichtlich ist diese Veränderung nicht zwingend erforderlich für das Gesangslernen, zumindest nicht bei Vögeln", erklärt Constance Scharff, "oder es gibt eine andere Variation im Singvogel-Gen, die dazu geführt hat, dass diese Fähigkeit entwickelt wurde." In Zusammenarbeit mit den Leipziger Max-Planck-Wissenschaftlern will Scharff daher herausfinden, ob ein Sequenzvergleich zwischen dem FoxP2-Gen von Gesang lernenden und nicht lernenden Arten Unterschiede zu Tage fördert, analog zu denen zwischen Mensch und Schimpanse.

Ganz sicher sind sich die Forscher bei der Identifizierung der relevanten Hirnregionen – FoxP2 wird tatsächlich bei Vögeln, wie bei Säugetieren, einschließlich dem Menschen, in den Basalganglien exprimiert – und zwar zu einem Zeitpunkt, wenn die Vögel Gesangsmuster erlernen. Im Fall von Zebrafinken geschieht das während der frühen Entwicklung, bei Kanarienvögel dagegen saisonal. "Wir konnten feststellen, das der FoxP2-Level in einem Basalganglien-Kern, der für das Gesangslernen spezialisiert ist, genau zu jenem Zeitpunkt anstieg, wenn die Vögel ihren Gesang änderten", erklärt Scharff. "Vergleichbare Änderungen konnten wir bei den nicht Gesang lernenden Arten nicht nachweisen."

Auf der Basis dieser Befunde erhoffen sich die Forscher nun weitere Erkenntnisse über den Beitrag der Gene zur Architektur und Funktion jener Schaltkreise im Gehirn, die den Vogelgesang steuern. Die Entdeckung von FoxP2 bei Vögeln stellt lediglich einen Anfang dar, noch ist nicht direkt gezeigt, warnt Scharff, dass das Gen notwendig ist für das Gesangslernen. Versuche, FoxP2 gentechnisch zu verändern und die möglichen Auswirkungen auf den Vogelgesang zu studieren, stehen daher ganz oben auf ihrem Arbeitsprogramm.

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