Entwicklungsbiologie: Einzelkinder kommen früher in die Pubertät
Seit Jahren setzt die Pubertät bei Mädchen und Jungen tendenziell immer früher ein. Als möglichen Grund diskutieren Fachleute eine bessere Ernährung und, damit einhergehend, ein höheres Körpergewicht. Offenbar bestimmt aber noch etwas ganz anderes den Zeitpunkt der Geschlechtsreife: das Vorhandensein leiblicher Geschwister. Zu dem Ergebnis kommt ein internationales Team von der Universität Aarhus, dem Norwegian Institute of Public Health in Oslo, der Universität Helsinki und dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock. Demnach prägen sich die Geschlechtsmerkmale bei Einzelkindern deutlich früher aus als bei Kindern mit Geschwistern.
Die Forscherinnen und Forscher haben Daten von mehr als 10 000 dänischen Kindern ausgewertet, deren Entwicklung sie durch die gesamte Pubertät dokumentiert hatten. Ab einem Alter von elf Jahren hatten sie halbjährlich festgehalten, wie sich bei Mädchen die Brust veränderte, wann die erste Regelblutung einsetzte und wie die Schamhaare wuchsen. Bei den Jungen beobachtete das Team neben Bart- und Schamhaarwuchs die Entwicklung der Genitalien sowie Zeitpunkt des Stimmbruchs und der ersten Ejakulation.
Genetische Verwandtschaft für Beginn der Pubertät entscheidend
Bei Mädchen, die keine Geschwister hatten, bildeten sich diese Merkmale im Schnitt fünfeinhalb Monate früher aus als bei solchen mit leiblichen Brüdern oder Schwestern. Bei Jungen betrug der Unterschied viereinhalb Monate. Das Überraschende: Waren Geschwister vorhanden, kam es auf das biologische Verwandtschaftsverhältnis an. So pubertierten Mädchen mit Halb- und/oder Stiefgeschwistern rund zwei Monate früher als solche mit Vollgeschwistern. Bei Jungen war es lediglich ein Monat.
Über die Ursachen kann das Team nur spekulieren. An den Körpermaßen und dem Geburtsgewicht liege es jedenfalls nicht, das sei in der Auswertung berücksichtigt worden. Einer These zufolge könnte der Effekt das Ergebnis früherer Selektionsdrücke sein. »Wenn man Vollgeschwister hat, kann es evolutionär vorteilhaft sein, in ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen zu investieren, damit sie die gemeinsamen Gene weitergeben können«, erklärt die Mitautorin der Studie Cecilia Ramlau-Hansen in einer Pressemitteilung der Universität Aarhus. Bei Halb- oder Stiefgeschwistern sei die genetische Verwandtschaft schwächer, weshalb es hier dringender sei, die eigene Fortpflanzung zu sichern.
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