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Ansteckender Krebs: Rettet ein neuer Impfstoff die Tasmanischen Teufel?

Ein Impfstoff gegen den hochansteckenden Gesichtstumor könnte den Beutelteufeln das Überleben sichern – sofern der von den Coronaimpfstoffen inspirierte Wirkstoff das schwache Immunsystem der Tiere auf Vordermann bringt.
Tasmanischer Teufel, auch Beutelteufel genannt
Der Tasmanische Teufel, auch Beutelteufel genannt, ist heute fast ausschließlich in Tasmanien heimisch. Die Tiere sind berüchtigt für ihre wilden, lautstark ausgetragenen Kämpfe.

Ein Impfstoff gegen den ansteckenden Gesichtskrebs des Tasmanischen Teufels steht kurz vor der Erprobung. Bewährt sich das Vakzin in den Tests, könnte es dem berühmten Tasmanier das Überleben ermöglichen.

Auf der Insel südlich von Australien leiden viele Tasmanische Teufel an einer Krankheit mit Namen Devil facial tumour disease, kurz DFTD. Sie hat seit ihrem erstmaligen Auftreten vor drei Jahrzehnten bis zu 80 Prozent der Tasmanischen Teufel (Sarcophilus harrisii) dahingerafft. Inzwischen gibt es die Befürchtung, dass das auch Beutelteufel genannte Tier sogar ganz aussterben könnte.

Der Tumor ist ansteckend, weil seine Zellen von einem Tier zum anderen springen und dort neue Tumoren auslösen. Das Immunsystem der Teufel hat den Zellen wenig entgegenzusetzen. Sie produzieren nur geringe Mengen der als Haupt-Histokompatibilitätskomplex-Klasse-I-Proteine (MHC-I) bekannten Abwehrmoleküle, mit denen das Immunsystem schädliche Eindringlinge erkennt. Der Impfstoff soll darum das Immunsystem in die Lage versetzen, besser auf eine Infektion mit Tumorzellen zu reagieren. »Das ist ein spannender Schritt nach vorne«, sagt Hannah Siddle, Genetikerin an der University of Queensland in Brisbane, Australien.

Andrew Flies, ein Wildtierimmunologe an der Universität von Tasmanien in Hobart, und sein Team haben das Vakzin entwickelt. Sie ließen sich dabei von den Covid-19-Impfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson inspirieren. Beide setzen eine ähnliche Technologie ein wie Flies und sein Team. Der Erfolg der Coronavirus-Impfstoffe »hat uns das Vertrauen gegeben, weiterzumachen«, sagt der Forscher.

Wie die Covid-19-Impfstoffe wird auch der DFTD-Impfstoff durch ein Adenovirus in die Zellen transportiert. Dabei handelt es sich um ein Virus, das normalerweise milde Erkältungssymptome beim Menschen hervorruft, aber von den Impfstoffentwicklern genetisch so verändert wurde, dass es sich nicht vermehren oder Krankheiten verursachen kann. Weil sich solche Viren im Laufe der Evolution darauf spezialisiert haben, in Zellen einzudringen, sind sie nützliche Transportmittel für Impfstoffe.

Ist der DFTD-Impfstoff in die Zellen der Teufel gelangt, veranlasst er sie dazu, Proteine zu produzieren, die typisch sind für Zellen des Gesichtstumors. Das führt selbst nicht zum Ausbruch der Krankheit, trainiert aber das Immunsystem darauf, bei einer echten Infektion die Tumorzellen als Angriffsziele zu erkennen und zu bekämpfen.

Tasmanischer Teufel mit Devil Facial Tumour Disease (DFTD) | Die großen Geschwulste im Kopfbereich greifen auch die Schädelknochen und die Muskulatur an. Die Lebenserwartung erkrankter Tiere liegt bei rund sechs Monaten.

Der Impfstoff konzentriert sich auf eine Variante von DFTD, die erstmals 1996 festgestellt wurde und sich über die meisten Gebiete Tasmaniens verbreitet hat. Eine weitere Form der Krankheit, DFT2, trat 2014 auf und ist auf einen kleinen Bereich im Südosten der Insel beschränkt. Die Krebserkrankungen springen über, wenn sich Teufel bei ihren Kämpfen um Nahrung oder Partner beißen. Die Geschwulste im Gesicht, am Hals sowie im Mund behindern die Tiere stark und können dadurch zum Tod führen.

»Direkt übertragbare Tumoren sind in der Natur äußerst selten«, sagt Hamish McCallum, Experte für die Ökologie von Infektionskrankheiten an der Griffith University in Gold Coast, Australien. »Gleich zwei bei derselben Art zu haben, ist absolut außergewöhnlich, und ich glaube nicht, dass irgendjemand wirklich versteht, was der Grund dafür ist.«

Dank der am 14. Juni erteilten Genehmigung des australischen Amts für Gentechnologie-Regulierung (OGTR) ist nun der Weg frei, den DFT1-Impfstoff an 22 gesunden, in Gefangenschaft lebenden Tasmanischen Teufeln zu testen. Nur Teufel, die frei von DFTD sind und keine Reste des experimentellen Impfstoffs mehr in ihrem Körper haben, werden nach dem Versuch wieder ausgewildert.

»Wie man so einen Impfstoff entwickelt, hat sich sukzessive in den letzten Jahren gezeigt«, sagt Flies. »Aber ob er funktioniert, wissen wir erst, wenn wir ihn ausprobieren.«

Die erste Phase des Versuchs soll zeigen, ob der Impfstoff sicher ist und eine Immunantwort auslöst. Wenn das nach Plan läuft, werden die Forschenden geimpfte und ungeimpfte Teufel der Krankheit aussetzen, um zu untersuchen, ob der Impfstoff sie schützt.

Ein KI-gestützter Automat soll essbare Köder mit Impfstoff ausschließlich unter den Teufeln verteilen

Es ist nicht der erste Anlauf für einen DFTD-Impfstoff. Ein Impfstoff, der 2017 getestet wurde und auf abgewandelten Tumorzellen beruhte, erzeugte lediglich bei einem von fünf geimpften Tieren eine Immunantwort, die stark genug war, um der Ausbreitung der Tumorzellen Einhalt zu gebieten. Immerhin gab die Studie Hoffnung, dass das Immunsystem der Tiere überhaupt seine Antwort auf eingedrungene Zellen verbessern kann. »Es hat zwar nicht funktioniert, war aber trotzdem sehr nützlich«, sagt Flies, der an der Studie von 2017 nicht beteiligt war.

Der neue Impfstoff wird zunächst sowohl injiziert als auch in flüssiger Form oral verabreicht. Doch das ist in großem Maßstab nicht machbar, weshalb Flies und sein Team, eine Methode entwickelt haben, die sich an einem anderen Impfstoff orientiert: Um Wildtierpopulationen in den USA und Europa gegen Tollwut zu schützen, wird der entsprechende Impfstoff in essbaren Ködern ausgelegt; ein ähnlicher Ansatz wäre auch in Tasmanien praktischer in der Umsetzung, falls der Impfstoff zugelassen wird. »Wir werden jedenfalls nicht all diese Teufel einfangen und ihnen eine Spritze geben«, sagt Flies. Das Team entwickele auch einen von künstlicher Intelligenz gesteuerten Köderverteiler, der den Impfstoff nur an Teufel und nicht an andere Wildtiere abgebe, erklärt der Forscher.

Sollte sich der Impfstoff als sicher und wirksam erweisen, werden Flies und sein Team daran arbeiten, ihn so anzupassen, dass er sowohl gegen DFT1 als auch gegen DFT2 gleichzeitig hilft.

Laut Carolyn Hogg, einer Artenschutzbiologin von der University of Sydney in Australien, würde es schon reichen, wenn der Impfstoff die Teufel nur teilweise vor DFTD schütze. Dann könne er ihnen genügend Zeit verschaffen, um sich fortzupflanzen und die schwindenden Populationen zu stabilisieren: »Er muss ihnen nur helfen, länger zu leben, als sie es derzeit tun«, sagt Hogg. »Wenn sie länger leben, schaffen sie mehr Paarungszeiten.«

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