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Abyssalökologie: Gespinste versorgen Tiefsee mit Kohlenstoff

Auf dem Weg in die Tiefe
Absinkende "Schleimnetze" einer Klasse von Manteltieren – der Appendicularia – könnten der Schlüssel zum Verständnis der Nahrungskette in der Tiefsee sein, da sie dort große Mengen an organischem Kohlenstoff eintragen. Damit schließen sie womöglich die Lücke zwischen dem Angebot und dem tatsächlichen Bedarf der Tiefseefauna.

Manteltier | Manteltiere wie dieses Bathochordaeus umgeben sich zur Nahrungsaufnahme mit einem weitläufigen Gespinst aus Mucopolysacchariden, die abgestoßen werden, wenn sie verbraucht sind.
Zu diesem Schluss kommen amerikanische Biologen um Bruce Robison vom Forschungsinstitut des Monterey-Bay-Aquariums, nachdem sie im Monterey-Canyon vor der kalifornischen Küste per Video-Aufnahmen und gesammelter Proben die Menge und Geschwindigkeit solcher absinkenden Netze sowie deren chemische Zusammensetzung gemessen hatten. Demnach trugen diese aus Mucopolysacchariden aufgebauten Gespinste während der zehnjährigen Messperiode von 1994 bis 2003 pro Jahr durchschnittlich 7,6 Gramm Kohlenstoff pro Quadratmeter Tiefseeboden ein. Dies entspricht 50 bis mehr als 100 Prozent der im gleichen Zeitraum an verschiedenen Stellen pro Quadratmeter durch absinkendes Plankton oder anderen Detritus eingebrachten Menge an organischem Material.

Die Manteltiere bauen die im Durchmesser bis zu dreißig Zentimeter großen Gespinste auf, um damit Nahrung aus dem Ozeanwasser zu filtern. Sind sie mit nicht verwertbaren Partikeln verstopft und damit nicht mehr länger nutzbar, so werden sie von den Organismen abgeworfen und anschließend neue gebildet. Bestimmte Arten wechseln täglich ihren "Mantel", sodass bei Schwärmen von bis zu 100 000 Tieren eine relativ große Menge an organischem Detritus zusammenkommt.

Kompaktiertes Manteltiergespinst | Auf dem Weg in die Tiefe wird das abgestoßene, fragile Gespinst durch den steigenden Wasserdruck zunehmend zusammengedrückt und kompaktiert. Dadurch erreicht es relativ hohe Sinkgeschwindigkeiten und wird kaum chemisch umgesetzt. Folglich kommt es auf diese Weise zu einem hohen Eintrag an organischen Kohlenstoffverbindungen in den Tiefseeboden.
Sobald kein Wasser mehr durch das Gespinst gepumpt wird, verklumpt es und sinkt mit Geschwindigkeiten von bis zu 800 Metern pro Tag in die Tiefe. Bei dieser Geschwindigkeit ist kaum ein mikrobieller Abbau möglich, der Kohlenstoff erreicht nahezu vollständig den Grund. Das ist bei herab schwebendem Plankton nicht der Fall: Es benötigt teilweise Monate bis zum Boden und wird dabei chemisch in weiten Teilen umgesetzt.

Bisherige Kalkulationen – basierend auf Messungen von Tiefsee-Sedimentfallen und vorhandener Biomasse lebender Organismen – kamen zu dem Schluss, dass zu den meisten Zeiten des Jahres ein Mangel an organischem Kohlenstoff für die Energiegewinnung der Tiefsee-Lebewesen herrscht. Die Sedimentfallen können allerdings auf Grund ihrer Bauweise die fragilen Gespinste nur sehr ungenügend erfassen.

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