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News: Gestern Hirn, morgen Herz

Alt und trotzdem flexibel - Stammzellen verblüffen Forscher immer wieder damit, wie vielseitig sie sind. Selbst Exemplare aus ausgereiften Geweben sind in der Lage, sich neu zu orientieren, wenn sie in andere Gewebe eingepflanzt werden. Dabei können sie sich in Embryonen fast im ganzen Körper ansiedeln und neue Aufgaben genauso erfolgreich übernehmen wie ihre Nachbarn, die sich aus Embryonalzellen entwickelt haben.
Stammzellen sind unter Forschern sehr beliebt, da sie sich in alle Gewebetypen des Körpers ausdifferenzieren können. Lange Zeit nahmen Wissenschaftler an, dass nur embryonale Stammzellen derart flexibel sind. Doch auch adulte Stammzellen haben inzwischen in verschiedenen Experimenten gezeigt, dass sie ihre Vergangenheit vollständig "vergessen" und zu anderen Gewebetypen werden können. Angesichts der öffentlichen Diskussion, inwieweit Zellen aus Embryonen in der Forschung eingesetzt werden dürfen, sehen viele in den Zellen aus ausgereiften Geweben eine Alternative.

Seitdem überprüfen Forscher, wie vielseitig adulte Stammzellen wirklich sind, und es gab auch schon einige überraschende Erfolgsmeldungen. Jonas Frisén und seine Mitarbeiter vom Karolinska Institute in Stockholm untersuchten nun, welchen Einfluss die Umgebung auf diese Zellen ausübt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass diese Zellen tatsächlich noch flexibler sind als bisher vermutet (Science vom 2. Juni 2000).

Die Wissenschaftler liessen Neuralstammzellen aus genetisch markierten Mäusen in Embryonalzellkulturen wachsen und pflanzten sie in frühe Stadien von Hühnern- und Mausembryonen ein. Aus den Nachkommen der Stammzellen in den Laborkulturen entwickelten sich Muskelzellen. Für die Stammzellenabkömmlinge in den Embryonen war es offenbar entscheidend, in welche frühe Zellschicht sie eindringen konnten. Die Wissenschaftler entdeckten sie nachher in fast allen Geweben des Körpers: vom Herz über Lunge, Darm, Niere und Leber bis hin zum Nervensystem. Im Blut allerdings fehlten sie.

In allen Fällen sahen die Zellen aus wie das umgebende Gewebe und verhielten sich auch wie ihre Nachbarn. Der sicher überzeugendste Hinweis darauf, dass die Nachkommen der entnommenen Neuralstammzellen sich uneingeschränkt ihren neuen Aufgaben widmeten, sind nach Ansicht der Wissenschaftler die offensichtlich normal funktionierenden Herzen der Mausembryonen, die sehr viele dieser Zellen enthielten.

Eine Antwort auf die Frage, welche Umweltfaktoren denn das Schicksal einer Stammzelle bestimmen, können die Forscher allerdings noch keine Antwort geben. "Da ist wahrscheinlich ein ganzer Cocktail an verschiedenen Faktoren beteiligt", meint Frisén. "Bisher haben wir aber noch keine sicheren Daten darüber, was das für Moleküle sind." In weiteren Experimenten will das Team nun klären, wie lange die verpflanzten Stammzellen in den Geweben überleben, und ob sie ihre neuen Aufgaben auch auf Dauer wahrnehmen.

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