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News: Getreide gewöhnt sich an Durst

Wenn Getreide unter Trockenheit leidet, dann geht der Ernteertrag zurück, und die Bandbreite an Inhaltsstoffen verändert sich. Wissenschaftler der Universität Jena haben gezeigt, wie die Pflanzen ihren Haushalt verändern und wie man sie auf Stress vorbereiten kann, wenn man ihnen vorher bestimmte Naturstoffe verabreicht.
"Trockenstress verändert die chemische Zusammensetzung von Gerstenpflanzen und somit die Qualität von Gerstenprodukten", sagt Silvia Tiroke von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die 30-jährige Wissenschaftlerin hat in ihrer Doktorarbeit am Institut für Ernährungswissenschaften untersucht, wie die Pflanzen auf Wassermangel reagieren. Genau wie ein Pilzbefall verringert er den Ertrag um 60 bis 80 Prozent, gemessen für die beiden Gerstensorten Alexis und Krona. Auf der anderen Seite steigen die Konzentrationen an einfachen organischen Stickstoffverbindungen in der Biomasse an, teilweise recht drastisch, was ihre biochemische Untersuchungen belegten. Zu Lasten der Erträge bildet die Pflanze unter Stress also Substanzen, welche die Zellstruktur schützen.

Wie das Getreide unter Trockenstress seinen Stickstoffmetabolismus umstellt, ist genetisch angelegt, wird aber über Umwelteinflüsse eindeutig modifiziert. Als Silvia Tiroke das Toleranzpotential der Gerstentypen unter die Lupe nahm, stellte sie fest, dass Alexis unmittelbarer anspricht. Krona ist unempfindlicher, weil seine biochemischen Reaktionen auf Stress nicht so deutlich ausgeprägt sind. Damit eignet sich Krona als Modellgenotyp für Trockengebiete, bestätigt auch Hans Bergmann, der Leiter des Instituts.

Für die unmittelbare Anwendung ist allerdings ein anderes Ergebnis Tirokes wichtiger: Freie Aminoalkohole stabilisieren die gestresste Pflanze und vermindern die Stressreaktion. Diese Verbindungen wirken in unbelasteter Gerste zunächst als Alarmsignal, und "es werden trockenstressähnliche Zustände ausgelöst". Aber, so Tiroke weiter, "diese Aktivierungszustände und die nachfolgenden Reaktionen der Pflanze auf Aminoalkohole stabilisieren die Pflanze in späteren Stressphasen und wirken somit dem Belastungseinfluss entgegen". Cholin ist ein Beispiel für so eine Verbindung, naturidentisch und außerdem leicht zu beschaffen. Nach einer einmaligen Cholin-Gabe erhöhte sich der Kornertrag um 10 bis 20 Prozent unter gleichen Trockenheitsbedingungen gegenüber unbehandelten Pflanzenbeständen.

Rund 1,5 kg der Aminoalkohole pro Hektar reichen zur wirksamen Sprossbehandlung, zeigen die Erfahrungen. Und es ist nicht einmal ein zusätzlicher Arbeitsgang nötig, da die Verbindungen bei der Herbizidbehandlung mit aufgebracht werden können. Das Nutzen-Aufwand-Verhältnis "rechnet sich auf jeden Fall", ist sich Tiroke sicher. Zudem ist sie davon überzeugt, dass ihre "Ergebnisse auch auf andere Getreidearten völlig übertragbar sind". Da die Pflanzen auf sehr unterschiedliche Stressfaktoren ähnlich reagieren, erwartet die junge Wissenschaftlerin auch unter anderen belastenden Bedingungen vergleichbare Resultate.

Für Bergmann stellen Tirokes Forschungsergebnisse "den ersten Versuch dar, wie man Pflanzen an eine bessere Stressbewältigung heranführen kann". Die biochemische Aufklärung dieses natürlichen Toleranzprinzips könnte dabei helfen, neue Wirkstoffe zu finden oder das Anschaltprinzip für diese Mechanismen weiter aufzuklären, "um gegebenenfalls Schalter für eine chemische Aktivierung der Toleranz genetisch zu installieren". Damit sei denkbar, Genotypen zu züchten, die unter ungünstigen Umweltbedingungen stabilere Erträge und gute Produktqualitäten sicher stellen.

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