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Sterne: Gewichtsprobleme

Obwohl sie aus denselben Zutaten und auf recht ähnliche Art und Weise entstehen, gibt es sonnenähnliche Sterne wie Sand am Meer, während sich ihre gewichtigeren Kollegen eher rar machen. Ein kritischer Blick auf ihre Geburtsstätte klärt nun das Missverhältnis.
Ein werdender Stern
Die unzähligen Leuchtpunkte am Nachthimmel stammen allesamt von Sternen der Milchstraße – mit bloßen Augen sind je nach Wetterlage etwa 2000 bis 6000 von ihnen zu erspähen. Mit Hilfe von Feldstecher oder Teleskop blinken immer neue Gestirne auf, doch selbst diese liegen in galaktischer Nachbarschaft. Nur wenige haben ihren Ursprung in fernen Galaxien: Junge, helle Sterne, die teilweise über hundert Sonnenmassen in sich vereinen. Warum aber sind diese Giganten so selten?

Sternfabrik | Obwohl der hier abgebildete Coronet-Haufen nicht so bekannt ist wie der Orionnebel, zählen er und seine Umgebung dennoch zu den nächsten und aktivsten Sternentstehungsregionen der Galaxis. Mit einer Entfernung von 420 Lichtjahren ist sogar dreimal näher als der Orionnebel.

Die Aufnahme ist zusammengesetzt aus Bildern des Röntgenteleskops Chandra (violett) und Spitzer (orange, grün und blaugrün). Im Infrarotlicht zeigen sich junge Sterne und diffuse Staubwolken, die sie umgeben.
Um diese Frage zu beantworten, wäre es sicherlich von Vorteil zu wissen, was eigentlich zu ihrer Geburt führt. Doch leider ist genau das bislang noch nicht eindeutig geklärt. Zum Glück bilden sich auch heutzutage noch Sterne, und so können Wissenschaftler fleißig Theorien spinnen, ihre Modelle mit Beobachtungsdaten abgleichen und das Paket an Parametern immer fester schnüren. Gesichert ist jedenfalls, dass das Leben der Gestirne in kalten und dunklen interstellaren Gaswolken seinen Anfang nimmt.

Typische Gasformationen umfassen mehrere tausend bis Millionen Sonnenmassen und haben Ausdehnungen von einigen hundert Lichtjahren. Doch selbst eine noch so riesige Menge Wasserstoff reicht allein nicht aus – damit die Wolke unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert, ist sie auf fremde Hilfe angewiesen: zum Beispiel auf die Druckwelle einer nahen Supernova, welche die interstellare Materie stellenweise verdichtet.

Manchmal reicht dieser Anschub für eine weitere Kontraktion aus. Dabei kollabiert nicht die gesamte Wolke zu einem einzigen Stern, sondern zerteilt sich schließlich in kleinere Klumpen. Erst diese Fragmente verdichten sich zu Sternembryos – je nach Anfangsdichte dauert der Kollaps der Wolkenkerne einige hunderttausend bis einige Millionen Jahre. Entstanden ist dann ein so genannter Protostern, verborgen hinter einer dichten Staubhülle, auf den weiter Materie niederregnet.

Ein junges Sonnensystem | Um einen jungen Stern rotiert eine protoplanetare Scheibe – ein Ring aus warmen Gas, Staub und möglichen Planetenbausteinen.
Mit zunehmender Dichte heizt sich das werdende Gestirn immer weiter auf, bis im Innern schließlich Kernfusionprozesse zünden. Der von der entweichenden Strahlung erzeugte Druck sowie ein nach außen treibender Wind aus Partikeln blasen umliegenden Staub und Gas nun ins Weltall fort und verhindern so ein weiteres Ansaugen von Materie. So weit gleicht sich die Entstehungsgeschichte aller Gewichtsklassen.

Und die wirft eine große Frage für Exemplare mit mehr als zehn Sonnenmassen auf: Wie können sie trotz des einsetzenden Wegpustens von Gas und Staub auf ihr Gewicht kommen? Laut Theorie sollte der Verlust den Gewinn an Materie sogar übersteigen. Andererseits zeigt die Praxis Sterne, die weit über hundert Sonnenmassen in sich vereinen. Einige Forscher glauben, dass mehrere massearme Sterne zu solchen Giganten verschmelzen.

Im Jahr 2006 stießen Wissenschaftler aber auf eine Staub- und Gasscheibe um einen Protostern mit rund zwanzig Sonnenmassen – das spricht für das gewöhnliche Szenario. Danach haben die Schwergewichte also einen Weg gefunden, das scheinbare Dilemma zu umgehen. Mark Krumholz von der Universität Princeton und sein Kollege Christopher McKee vermuten, dass in Regionen, in denen sich eine Menge von Sternen bilden, die von ihnen freigesetzte Energie den Rest des Gases erwärmt, es so von der Zerstückelung in kleinere Wolkenkerne abhält und damit die Bildung von einigen massereichen Sternen ermöglicht.

Sternembryo | Die Computersimulation zeigt, wie eine interstellare Gaswolke kollabiert und ein massereiches Gestirn entsteht. Hier ist ein Zoom auf den Stern (Bildmitte) dargestellt.
Um ihre These zu überprüfen, warfen sie mit Hilfe von Computersimulationen einen Blick auf Gaswolken, in denen sich bislang keine massereichen Sterne gebildet haben, da alle kollabierenden Objekte in kleine Massen zerteilt wurden. Dabei fanden die beiden Astronomen heraus, dass die Gasdichte der Wolke eine bestimmte Schwelle überschreiten muss, um einen massereichen Stern hervorzubringen.

Die Säulendichte, also die Gasdichte in einer gedachten Säule durch die Gaswolke, muss demnach mindestens ein Gramm pro Quadratzentimeter betragen, um Sterne zwischen zehn und zweihundert Sonnenmassen hervorzubringen. Dieser Wert gilt für Bedingungen, die in der Milchstraße zu finden sind. Für Galaxien mit mehr oder weniger schweren Elementen kann diese Schwelle leicht variieren. Doch so oder so sind Regionen mit derartigen Eigenschaften in Gaswolken äußerst selten. Und damit wäre auch verstanden, wieso die Sterngiganten so selten am Nachthimmel erstrahlen.

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