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News: Gewickelte Nanoröhrchen

Mit Nanoröhrchen aus Kohlenstoffatomen versetzten Forscher in den letzten Jahren die Welt schon häufig in Erstaunen. Nun haben Wissenschaftler in Deutschland eine sehr einfache Methode dazu benutzt, um solche winzigen Strukturen auch aus anderen Materialien, wie Halbleitern, Metallen oder Polymeren, herzustellen. Diese Technik erlaubt es außerdem, die Röhrchen schichtgenau aufzubauen und gezielt zu positionieren. Damit rückt die kontrollierte Gestaltung von Nano-Objekten für neue mikro- und nano-elektromechanische Systeme ein ganzes Stück näher.
In den letzten Jahren haben Nanostrukturen auf Kohlenstoffbasis viel Aufmerksamkeit erregt. Dazu gehören unter anderem die Fullerene, deren Prototyp C-60 eine Hohlkugel aus 60 Kohlenstoff-Atomen ist. Eine andere Gruppe sind die Kohlenstoff-Nanoröhrchen (Carbon Nanotubes). Sie können ein- oder mehrwandig sein, haben einen Innendurchmesser von einem bis zu zehn oder zwanzig Nanometern und erreichen Längen von einigen hundert Nanometern bis zu einigen Millimetern. Nanoröhrchen finden sich beispielsweise wie auch Fullerene im Ruß, der bei einer Bogenentladung zwischen zwei Graphitelektroden entsteht.

Nun haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart eine ganz andere Herstellungsmethode vorgestellt: Wenn sich eine unter innerer Spannung stehende Halbleiter-Schicht von der sie tragenden Kristallschicht ablöst, wickelt sich diese Schicht zu einem Röhrchen auf. Das ist – ganz einfach ausgedrückt – das technische Grundprinzip, dass die Forscher für die Herstellung von Nanoröhrchen entwickelt haben. Sie bringen auf ein Halbleiter-Substrat zunächst eine "Opferschicht" und darüber dann zwei dünne Lagen aus Materialien auf, die unterschiedliche Kristalleigenschaften haben. Die obere Schicht hat eine kleinere, die untere Schicht eine größere Gitterkonstante. Dadurch entsteht zwischen beiden Lagen eine Verspannung, wie bei einem Bimetall.

Wird nun die Opferschicht schrittweise vom Substrat weggeätzt, löst sich die darüber liegende Doppelschicht als dünne Folie ab. Wegen der unterschiedlichen inneren Spannung der beiden Schichten rollt sich die Folie wie eine Feder ein und bildet – nach einer vollständigen Rotation – ein einfaches Nanoröhrchen. Ein solches Röhrchen besteht beispielsweise aus einer Silizium-Germanium-Folie, die man zuvor auf einem Silizium-Substrat aufbrachte.

"Wir haben schon Nanotubes hergestellt, die sich bis zu 30mal aufrollten", erklärt Oliver Schmidt vom Max-Planck-Institut. "Eine faszinierende Möglichkeit dieser Technologie besteht darin, dass man die Nanotubes jetzt an fast jeder Stelle auf der Substrat-Oberfläche erzeugen kann. In dem abgebildeten Fall wurde die Position präzise durch die Probenkante und die Dauer des selektiven Wegätzens der Opferschicht bestimmt", sagt Schmidt. "Statt der Probenkante könnte man in die Schichten auch an einer bestimmten Stelle einen 'Nano-Schlitz' einritzen, der dann zum Ausgangspunkt für das Aufrollen des Nanotube würde", erläutert er weiter.

Das Röhrchen ist mit 530 Nanometern und einer Länge von 20 Mikrometern noch immer relativ groß. Doch die neue Nanotechnologie ermöglicht es, die Größe der Nanoröhrchen über ein sehr breites Größenspektrum gezielt zu bestimmen. Die eingebaute Verspannung der in diesem Fall verwendeten Silizium-Germanium-Doppelschicht betrug nur 1,5 Prozent. Baute man eine vierprozentige Verspannung – das entspricht der Spannung zwischen reinem Silizium und reinem Germanium – in eine Doppelschicht von zwei Atomlagen Dicke ein, so würde sich der Radius des Nanoröhrchen auf einige wenige Nanometer reduzieren.

Aufdampftechniken wie die Molekularstrahlepitaxie ermöglichen es, unterschiedlichste Materialien – darunter Halbleiter, Isolatoren, Metalle, Polymere – in fast unbegrenzter Vielfalt miteinander zu kombinieren. Schmidt meint deshalb: "Aus diesem Reichtum an Kombinationen können neue Nano-Objekte in heute nicht vorstellbarer Vielfalt entstehen, die ihre Anwendung in dem weiten und sehr interdisziplinären Feld von mikro- und nano-elektromechanischen Systemen finden werden."

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