Neurowissenschaft: Gibt es Geschlechterunterschiede im Gehirn?
Es war eine aufwändige Untersuchung. Fast 1000 Versuchspersonen schob die Arbeitsgruppe um die Neurowissenschaftlerin Madhura Ingalhalikar von der University of Pennsylvania in Philadelphia in den Hirnscanner, um mit Hilfe der so genannten Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) den Verlauf der Nervenfasern im Gehirn zu erkunden. Wie sich herausstellte, waren bei Frauen die beiden Hirnhälften im Schnitt stärker miteinander verknüpft, während Männer eine engere Vernetzung innerhalb der Hemisphären aufwiesen.
Der betreffende Fachartikel erschien 2014 in den renommierten "Proceedings" der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA. Viele Forscherkollegen äußerten sich anerkennend, nur vereinzelt wurden methodische Mängel beklagt. So fehlten in der Arbeit etwa Angaben zur Effektstärke, ein statistisches Maß für die Größe eines entdeckten Gruppenunterschieds.
Fast alle großen Medien stürzten sich auf diese Studie. Viele Meldungen gingen allerdings noch weit über den eigentlichen Befund hinaus und erfanden Geschlechterunterschiede bei diversen kognitiven Fähigkeiten, die in der Studie gar nicht erfasst worden waren. "Das Frauenhirn tickt wirklich anders", titelte etwa die Onlineausgabe der "Welt" – und wertete die Untersuchung als einen schlagenden Beleg dafür, dass Männer tatsächlich besser einparken können und Frauen einfühlsamer sind.
Wie in diesem Fall dienen die Resultate neurowissenschaftlicher Studien häufig als Projektionsfläche für altbekannte Geschlechterklischees, erklären Cliodhna O’Connor und Helene Joffe vom Londoner University College. Die beiden Wissenschaftlerinnen werteten mehr als 200 Zeitungs- und Onlineberichte aus, die über die Arbeit von Ingalhalikar und seinen Kollegen erschienen waren. Fazit: In den meisten Artikeln wurde vor allem betont, dass sich Männer- und Frauenhirne grundlegend unterscheiden – inwiefern jedoch, blieb in der Regel unklar. Viele Medien beschränkten sich etwa auf starke Metaphern und stellten die "Kluft" zwischen Männern und Frauen als "unüberbrückbar" dar. So hieß es in der britischen Tageszeitung "Daily Mail": "Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren so tief greifend, dass Männer und Frauen schon beinahe unterschiedliche Spezies sein könnten."
Das klingt verdächtig nach jenem alten Bestsellertitel, laut dem Männer vom Mars und Frauen von der Venus stammen. Werden hier die Befunde aus den Labors von Hirnforschern zweckentfremdet, um stereotype Vorstellungen zu zementieren?
Die Geschlechterdifferenzforschung ist ein Dauerbrenner: Mehr als 5600 neurowissenschaftliche Studien zu diesem Thema wurden seit Anfang der 1990er Jahre veröffentlicht, wie eine Arbeitsgruppe der University of Cambridge errechnete. Die Psychologin Gina Rippon von der Aston University in Birmingham glaubt, die gegenwärtige Forschungskultur verführe regelrecht dazu, Geschlechterunterschiede überzubetonen. Dafür macht sie unter anderem eine kognitive Voreinstellung verantwortlich, die Fachleute als Essenzialismus bezeichnen (siehe "Kurz erklärt").
Sein Hirn, ihr Hirn
Dahinter verbirgt sich die Idee, bestimmte Eigenarten seien fest in der Natur des Menschen verankert und nicht (oder kaum) durch äußere Faktoren veränderbar. Für viele biologische Merkmale gilt das tatsächlich: Wer mit einem weiblichen Chromosomensatz, weiblichen Genitalien und weiblichen Keimdrüsen auf die Welt kommt, wird sich in den allermeisten Fällen zu einer Frau entwickeln. Es sei allerdings ein Fehlschluss zu glauben, so Rippon, dass auch soziale Konventionen, Verhaltenstendenzen oder eben neuronale Strukturen eine derart robuste Grundlage haben müssten.
Einige Neuroforscher postulieren, dass sich die Nervensysteme von Männern und Frauen fundamental unterscheiden würden – so etwa der britische Autismusexperte Simon Baron-Cohen. Er differenziert zwischen einem männlich-systematisch arbeitenden S-Gehirn und einem weiblich-empathischen E-Gehirn. Dieser Theorie widerspricht Rippon entschieden: "Kein Individuum besitzt ein eindeutig 'männliches' oder 'weibliches' Gehirn." Obwohl im statistischen Mittel neuronale Unterschiede zwischen den Geschlechtern nachweisbar seien, lasse dieser Befund keine sicheren Rückschlüsse auf den Einzelnen zu.
"Von 20 Tests auf Geschlechterdifferenzen liefert einer sicher ein statistisch signifikantes Ergebnis – auch ohne dass es einen Unterschied zwischen den Gruppen gibt"Cordelia Fine
Die Forscherin erläutert dies an dem folgenden Beispiel: Das Gehirn von Männern weist im Schnitt einen etwas kleineren Hippocampus auf als das von Frauen, die Amygdala hingegen ist bei ihm statistisch etwas größer als bei ihr – stets im Verhältnis zum jeweiligen Gesamtvolumen. Wird nun bei einem zufällig ausgewählten Probanden ein relativ kleiner Hippocampus gemessen, so lasse sich daraus aber keineswegs ableiten, dass die betreffende Person auch eine besonders große Amygdala besitze. Jedes Gehirn habe eine individuelle Mosaikstruktur, wie es Rippon formuliert – ein bestimmtes Gefüge aus Merkmalen, von denen sich einige vermehrt bei Männern und andere eher bei Frauen finden lassen.
Auch die Plastizität des Nervensystems mache es problematisch, von dem Männer- oder dem Frauenhirn zu sprechen. Unterschiedliche Lernerfahrungen schlagen sich naturgemäß in der neuronalen Architektur nieder. Das belegte zum Beispiel eine Studie des Psychologen Richard J. Haier von der University of California in Irvine: Sein Team ließ weibliche Jugendliche drei Monate lang regelmäßig das Computerspiel Tetris spielen, das visuell-räumliche Fertigkeiten trainiert. Obwohl die Probandinnen im Mittel nicht mehr als anderthalb Stunden pro Woche damit zugange waren, wuchs bei ihnen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe das Volumen der vermehrt beanspruchten Hirnareale.
Kurz erklärt
Essenzialismus: So nennen Wissenschaftler die Annahme, soziale Kategorien seien biologisch fundiert und daher weitgehend robust etwa gegenüber situativen Einflüssen. In der Geschlechterdebatte führt dies oft dazu, dass Unterschiede zwischen Männern und Frauen als "naturgegebene" Merkmale angesehen werden.
Metaanalyse: Metaanalysen sind Überblicksstudien, die viele Arbeiten zu einem Thema zusammenfassen und statistisch auswerten. Mit ihrer Hilfe können oft verlässlichere Aussagen zu der jeweiligen Forschungsfrage gemacht werden, als es eine einzelne Untersuchung erlaubt.
Männer und Frauen sind auch heute noch oft unterschiedlichen Lernumwelten ausgesetzt, beispielsweise bedingt durch die jeweilige Studien- und Berufswahl. Bei Erwachsenen lässt sich daher kaum bestimmen, woher ein entdeckter neuronaler Unterschied rührt – von den Genen oder von der Umwelt. Vielmehr prägt uns stets ein enges Wechselspiel aus beidem.
Großer Spielraum für Interpretationen
Die verbreitete Trennung zwischen angeborenen, biologisch festgelegten Kennzeichen auf der einen Seite und der sozialen Prägung auf der anderen lässt sich somit nur sehr schwer auf Ergebnisse aus der Hirnforschung anwenden. Beide Aspekte sind vielfältig miteinander verwoben. Damit stellt sich die spannende Frage: Was sagen Befunde über geschlechtsspezifische Besonderheiten tatsächlich aus?
"Mit bildgebenden Methoden lassen sich in erster Linie Wo-Fragen beantworten", erklärt die Wissenschaftssoziologin Hanna Fitsch von der TU Berlin. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit der Aussagekraft der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). "Es geht bei dieser Forschung vor allem darum, bestimmte geistige Phänomene zu lokalisieren und zu kartografieren. Fragen zu den konkreten Wirkmechanismen können solche Untersuchungen allein hingegen nicht besonders gut beantworten."
Fitsch betont, dass beim Einsatz bildgebender Verfahren eine Vielzahl von Entscheidungen vorab getroffen werden muss – etwa, was die jeweils interessierenden Hirnareale oder die statistische Auswertung der Daten betrifft. Die stark visuell geprägte fMRT-Bildgebung, die vermeintlich objektive Aufnahmen des arbeitenden Gehirns liefere, verführe viele Laien, aber auch Wissenschaftler dazu, die Größe des tatsächlichen Deutungsspielraums zu unterschätzen. Je interpretativer ein methodischer Ansatz sei, desto eher könnten sich implizite Vorannahmen, beispielsweise über die zu erwartenden Aktivitätsunterschiede, in den Forschungsprozess einschleichen.
In manchen Fällen "beweist" sogar ein und derselbe Datensatz je nach der eingesetzten Auswertungsmethode mal Unterschiede und mal Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern. Die Psychologin Anelis Kaiser veröffentlichte gemeinsam mit Kollegen eine Bildgebungsstudie, in der sie bei 44 Probanden das für die Sprachproduktion zuständige Broca-Areal untersuchte. Anders als in vorangegangenen Untersuchungen waren bei den männlichen Teilnehmern die Sprachzentren in beiden Hirnhälften gleichermaßen aktiviert, bei den Frauen hingegen dominierte das Broca-Areal der linken Hemisphäre – so schien es zumindest. Doch als die Forscher einfach nur ihre Auswertungsmethode änderten und strengere statistische Maßstäbe anlegten, verschwand der Unterschied auf einmal! Nun war bei beiden Geschlechtern eine stärkere Aktivierung des linken Broca-Zentrums gegenüber dem in der rechten Hirnhälfte zu verzeichnen.
Was sich nach einer mathematischen Spielerei anhört, kann handfeste Folgen haben. Denn statistisch signifikante Unterschiede zwischen Probandengruppen werden in wissenschaftlichen Fachjournalen mit größerer Wahrscheinlichkeit veröffentlicht als so genannte Nullbefunde – also Studien, in denen sich keine Effekte finden ließen. Dieser so genannte Publikationsbias ist ein seit Langem bekanntes Problem.
In der Geschlechterhirnforschung sei es allerdings besonders gravierend, erklärt die Neurowissenschaftlerin Cordelia Fine, die an der University of Melbourne in Australien arbeitet. Das liege an der großen Selbstverständlichkeit, mit der in Studien gezielt auf Geschlechterunterschiede hin getestet werde, selbst wenn es dafür gar keinen ersichtlichen Grund gebe, erklärt Fine in einem Beitrag für die Zeitschrift "Neuroethics".
Falsch positive Befunde festigen Stereotype
In der Tat wird das Geschlecht in vielen Untersuchungen routinemäßig nebenbei abgefragt, ohne konkrete Hypothese. "Wenn 20 Tests Geschlechterdifferenzen prüfen, wird einer davon sicher ein statistisch signifikantes Ergebnis liefern, auch ohne dass es einen Unterschied zwischen den Gruppen gibt", so Fine. Einmal veröffentlicht, hielten sich solche falsch positiven Befunde oft mit bemerkenswert großer Hartnäckigkeit. Dass sich so manches Resultat in Folgestudien nicht wiederholen ließe, falle dabei kaum ins Gewicht. Dies verstärke letztlich geschlechtsspezifische Rollenbilder.
Auch der Neurowissenschaftler Larry Cahill von der University of California in Irvine betrachtet die gegenwärtige Forschungspraxis kritisch. Seiner Ansicht nach werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern allerdings nicht zu sehr, sondern im Gegenteil zu wenig betont! So würden geschlechtsspezifische Besonderheiten bei neurologischen Erkrankungen oft vernachlässigt. Cahill liefert sich regelrechte Duelle mit Forscherinnen wie Rippon oder Fine. Seine Argumentation: Zu oft müssten männliche Gehirne als Standard für "das Gehirn" schlechthin herhalten, während die Merkmale des weiblichen Gehirns lediglich als Sonderfall betrachtet würden.
"Hirndifferenzen zu verneinen ist, als käme man nach Prüfung von Reifen und Bremsen zu dem Schluss, es gebe keinen bedeutenden Unterschied zwischen einem Volvo und einer Corvette"Larry Cahill
Tatsächlich offenbare sich in der Fachliteratur eine deutliche Asymmetrie: Eine Metaanalyse von Forschern der University of California in Berkeley aus dem Jahr 2011 ergab, dass fast jede zweite neurowissenschaftliche Untersuchung ausschließlich mit männlichen Versuchstieren durchgeführt wurde, nur ein Zehntel mit einer rein weiblichen Stichprobe. Bei Untersuchungen am Menschen, räumt Cahill ein, lasse sich ein ganz so starkes Ungleichgewicht allerdings nicht nachweisen.
Der Wissenschaftler hält das Gehirn von Männern und das von Frauen für grundlegend verschieden. Zwar gebe es häufig starke Überlappungen zwischen vermeintlich männlichen und weiblichen Eigenarten, und die gefundenen Effekte fielen häufig bescheiden aus. Doch das liege vor allem daran, dass die Analysen nur isolierte Funktionen betrachten. "Das ist, als würde man nach detaillierter Prüfung von Glas, Reifen und Bremsen zu dem Schluss kommen, dass es keine bedeutsamen Unterschiede zwischen einem Volvo und einer Corvette gibt", erklärt Cahill.
Außerdem hält er die Betonung der Plastizität des Gehirns für problematisch: Schließlich könnten auch Verhaltensweisen, die sich erst im Lauf der Zeit herausbildeten, biologischen Ursprungs sein – etwa bei der Sprachentwicklung oder der Rechtshändigkeit. Umweltbedingte Veränderungen hätten andererseits biologische Schranken. Das Plastizitätsargument hält Cahill für eine moderne Variante der längst widerlegten Tabula-rasa-Idee, also der Annahme, das menschliche Gehirn sei wie ein unbeschriebenes Blatt und durch Erfahrungen beliebig veränderbar.
Geschlecht und Gender
Für das deutsche Wort "Geschlecht" gibt es im Englischen zwei mögliche Übersetzungen: "Sex" betont den biologischen Aspekt – ablesbar etwa an den Genitalien, Keimdrüsen oder Chromosomensätzen. "gender" hingegen bezeichnet die psychosoziale Perspektive, beispielsweise die gesellschaftlich vermittelte Vorstellung über Männlichkeit und Weiblichkeit. Manche Philosophen wie die Feministin Judith Butler von der University of California in Berkeley lehnen die Unterscheidung von "sex" und "gender" ab, da sie eine willkürliche Grenzziehung bedeute.
Unabhängig davon, wie viel Geschlecht tatsächlich im Gehirn steckt: In der populärwissenschaftlichen Literatur haben kurzweilige "Neurofakten" Konjunktur. Der Buchmarkt quillt über vor Titeln wie "Männer – das schwache Geschlecht und sein Gehirn" oder "Das weibliche Gehirn: Warum Frauen anders sind als Männer". Alte Klischees werden plötzlich wieder attraktiv, wenn sie (und sei es auch nur scheinbar) mit neurowissenschaftlichen Befunden unterfüttert werden. Sobald sich ein Phänomen neuronal aufzeigen lässt, erscheint es glaubwürdiger, fassbarer, wahrer.
Einer Theorie zufolge interpretieren wir neue Reize stets im Licht so genannter sozialer Repräsentationen – also gemeinschaftlich geteilter Ideen und Überzeugungen. Diese sorgen dafür, dass wir abstrakte Wissensinhalte in ein bestehendes Wertesystem integrieren. Wer einer essenzialistischen Weltsicht verhaftet ist, liest also wissenschaftliche Texte durch eine "Essenzialismusbrille".
Sind Spermien dominanter als Eizellen?
In einer Studie des Sozialpsychologen Wolfgang Wagner von der Universität Tübingen wurden Laien gebeten, passende Metaphern für die menschliche Befruchtung zu finden. Die Befragten beschrieben Spermien im Schnitt als deutlich aktiver, stärker und dominanter als Eizellen. Dies war bei jenen Probanden besonders ausgeprägt, die eine konservative Auffassung zu Geschlechterrollen vertraten. Offenbar bestimmte das Wertesystem der Teilnehmer, wie sie einen biologischen Vorgang auffassen.
Viele Medienberichte fördern essenzialistische Denkstile, und das hat Auswirkungen auf unser Handeln, wie eine Studie von Ilan Dar-Nimrod und Steven Heine aus dem Jahr 2006 nahelegt. Die Forscher ließen Studentinnen einen Mathematiktest absolvieren. Zuvor gaben sie ihnen jedoch einen Zeitungsartikel zu lesen, angeblich um ihr Textverständnis zu testen. In Wahrheit ging es den Versuchsleitern um etwas anderes: Ein Teil der Probandinnen las einen Bericht über eine (erfundene) Studie, der zufolge Frauen und Männer in ihrem mathematischen Verständnis gleichauf liegen. Einer zweiten Gruppe dagegen wurde ein Bericht präsentiert, wonach Männer besser rechnen könnten – und zwar auf Grund genetischer Faktoren, die die Hirnfunktion beeinflussten. Probandinnen, die mit dieser biologischen Erklärung konfrontiert worden waren, schnitten im folgenden Mathetest schlechter ab als jene, denen man keinen Geschlechterunterschied vorgegaukelt hatte.
Hier schließt sich der Kreis: Wenn Forschungsergebnisse unser Verständnis von Männlichkeit und Weiblichkeit prägen, beeinflusst dies wiederum die Forschung selbst. Hanna Fitsch sieht einen Grund dafür auch im Wissenschaftsbetrieb: "Ist ein Ergebnis einmal veröffentlicht, beziehen sich auch andere Forschungsprojekte darauf. Somit wiederholt sich dieselbe Erzählung immer wieder."
Hirnforscher sind sich heute zunehmend der Grenzen und Schwächen ihrer Methoden bewusst und machen Verbesserungsvorschläge. Das Geschlecht spielt natürlich auch im Gehirn eine Rolle – darin stimmen selbst Wissenschaftler mit so unterschiedlichen Auffassungen wie Fine und Cahill durchaus überein. Umstritten bleibt allerdings, wie stark der soziale und kulturelle Kontext in der Forschungspraxis berücksichtigt werden sollte.
Saubere Methoden, verlässliche Resultate
Bildgebende Verfahren sind in der Geschlechterforschung beliebt. Viele Studien haben aber methodische Probleme, die die Interpretation der Ergebnisse erschweren. Ein Team um die Neuropsychologin Gina Rippon erarbeitete vier Vorschläge für eine verlässlichere Forschung:
Mehr Versuchspersonen
Viele fMRT-Studien beruhen auf zu kleinen Probandenzahlen. Häufig bringen die Analysen so zufällig signifikante Ergebnisse hervor, die sich in Folgestudien nicht wiederholen lassen. Größere Stichproben führen zu stabileren Resultaten.
Prozesse statt Momentaufnahmen
Die meisten bildgebenden Experimente zu Geschlechterdifferenzen begnügen sich mit "Schnappschüssen" vom Gehirn. Sie verraten wenig darüber, woher eine Besonderheit rührt. Zeitliche Veränderungen und situative Einflüsse sollten stärker berücksichtigt werden.
Effektstärken angeben
Nicht alle statistisch signifikanten Unterschiede sind auch praktisch bedeutsam. Einige sind so klein, dass sich die Werte von Frauen und Männern stark überlappen. Die Angabe der so genannten Effektstärke würde Experten helfen, die Relevanz eines Befunds besser abzuschätzen.
Soziale Einflüsse beachten
Das biologische Geschlecht wird meist als Entweder-oder erfasst. Menschen unterscheiden sich aber in ihrem Anteil an "typisch" männlichen und weiblichen Einstellungen und Verhaltensweisen. Inwiefern sich das auch auf neuronaler Ebene widerspiegelt, ist bislang noch kaum erforscht.
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