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Mikrobiologie: Gift im Licht

Das Wort "Arsen" verheißt Mord und Totschlag. Doch für manche Bakterien stellt das Halbmetall den Quell des Lebens dar: Sie nutzen es bei der Fotosynthese.
Mono Lake
Von "Kabale und Liebe" bis "Arsen und Spitzenhäubchen" – das chemische Element mit der Ordnungszahl 33 genießt auf der Bühne und in der schöngeistigen Literatur einen mörderischen Ruf. Auch in der Realität soll sich Arsen immer wieder bewährt haben, um sich lästiger Zeitgenossen zu entledigen.

Toxisch wirken dabei vor allem die Arsen-Oxide, welche die DNA angreifen und wichtige Enzyme des Stoffwechsels blockieren. Pauschal sollte man das Halbmetall allerdings nicht verdammen. Es gibt sogar Hinweise, dass das Element in minimalen Konzentrationen lebensnotwendig sein könnte.

Manche Bakterien haben Arsen gar zum Fressen gern: Sie oxidieren dreiwertige Arsenite [As(III)] zu fünfwertigen Arsenaten [As(V)] und gewinnen damit ihre Energie. Andere machen es umgekehrt und schließen den Kreislauf, indem sie As(V)-Verbindungen nutzen, um die bei der Verwertung energiereicher Chemikalien frei werdenden Elektronen loszuwerden. Da die erste Gruppe Sauerstoff oder Nitrat als Oxidationsmittel braucht, gingen Mikrobiologen bislang davon aus, dass auch die zweiten Arsenverwerter – die eigentlich keinen Sauerstoff benötigen – erst auf der Bildfläche erschienen, als die Evolution die pflanzliche Fotosynthese erfand.

Bei diesem Prozess spalten die Pflanzen – von der winzigen Grünalge bis hin zum Mammutbaum – mit Hilfe der Sonnenenergie Wasser, um so die für den Aufbau organischer Substanz nötigen Elektronen zu erhalten. Molekularer Sauerstoff wird dabei als lästiger Abfall freigesetzt. Diese oxygene Fotosynthese schuf so vor schätzungsweise 2,7 Milliarden Jahren die Grundlage für unsere sauerstoffhaltige Atmosphäre.

Es geht jedoch auch ohne Sauerstoff: So genannte fototrophe Bakterien zapfen ebenfalls die Sonne an. Sie spalten jedoch nicht Wasser, sondern nutzen chemische Substanzen wie Schwefelwasserstoff oder Eisen-II-Verbindungen, um sich hier die Elektronen zu schnappen. Bei dieser anoxygenen Fotosynthese entsteht also kein molekularer Sauerstoff.

Mono Lake | Der Mono Lake in Kalifornien weist mit einem hohen Salzgehalt und alkalischem pH-Wert extreme Bedingungen auf.
Arsen – so die bislang geltende Lehrmeinung – hat hierbei nichts verloren. Ein See in Kalifornien, der Mono Lake, könnte nun allerdings dazu führen, einige Mikrobiologie-Bücher umzuschreiben. Denn hier stießen die Forscher um Ronald Oremland vom U. S. Geological Survey in Menlo Park auf heiße Tümpel, die mit einer Temperatur von bis zu 67 Grad Celsius, einem hohen Salzgehalt und alkalischem pH-Wert sowie extrem niedrigen Sauerstoffkonzentrationen verbunden mit saftigen Arsenwerten wenig einladend wirken.

Doch genau hier scheinen sich einige Organismen erst richtig wohl zu fühlen. Die Forscher stießen auf einen grünlich gefärbten Biofilm mit Cyanobakterien nebst einer rötlichen Variante, wo sich vor allem Purpurbakterien tummelten.

Heißer Tümpel | Trotz – oder wegen – niedriger Sauerstoff- und hoher Arsengehalten blüht in heißen Tümpeln am Mono Lake das mikrobielle Leben.
Zurück im Labor zeigte sich, dass Proben beider Biofilme As(III) zu As(V) oxidieren – und zwar ohne Sauerstoff, dafür aber nur mit Licht. Ohne Beleuchtung tat sich nichts. Demnach scheint es tatsächlich eine anoxygene Fotosynthese zu geben, die Arsen als Elektronendonator nutzt.

Genvergleiche mit ribosomaler RNA ergaben, dass die roten Purpurbakterien zu einer noch unbekannten Spezies der Gattung Ectothiorhodospira zählen. Bei den grünen Cyanobakterien konnten die Forscher lediglich eine Ähnlichkeit mit der Gattung Oscillatoria feststellen.

Wie dem auch sei – die fotosynthetischen Mikroben dürften somit ein nicht unwesentliches Stellglied im Arsenkreislauf der Erde darstellen. Und das Halbmetall könnte bereits in der sauerstofffreien Jugend unseres Planeten – ganz im Gegensatz zu seinem mörderischen Ruf – eine lebensnotwendige Rolle gespielt haben.

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