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News: Giftpilz

Eigentlich ist der Maronenröhrling ein gesuchter Speisepilz. Doch ist er auch Weltmeister im Anreichern von giftigen oder radioaktiven Schwermetallen. Und gerade das wollen Forscher nun nutzen.
Nach Tschernobyl ist den meisten Menschen der Appetit nach Pilzen gründlich vergangen; zu hoch war - und ist noch immer - deren Belastung mit radioaktiven Elementen. Insbesondere vor dem Genuss des Maronenröhrlings Xerocomus badius wird noch immer gewarnt.

Doch die Medaille hat auch eine andere Seite, schließlich könnte sich der Pilz bei der Sanierung radioaktiv verseuchter Böden bewähren. Jedenfalls übt der Pilz eine magische Anziehungskraft auf viele Schwermetalle und insbesondere auf das radioaktive Caesium-137-Isotop aus, welches in der Natur nicht vorkommt, aber wesentlicher Bestandteil des Fallouts von Tschernobyl war.

Sandrine Garaudée von der Université Louis Pasteur in Straßburg und ihre Mitarbeiter fanden jetzt heraus, dass dieses Bindungsverhalten bei einem pH-Wert um sechs - im leicht sauren Milieu also - am höchsten ist. Dann bildet ein Pigment des Maronenröhrlings - das Norbadion-A - mit dem 137Cs einen besonders stabilen Komplex, indem es zwei seiner sieben Wasserstoffatome gegen ein zweiwertiges Caesiumion austauscht.

Und noch etwas zeichnet dieses Pigment aus: sein allosterisches Verhalten. Dabei verändert das komplexe Norbadion A-Molekül mit der Bindung eines Caesiumions seine Gestalt und nimmt nun umso leichter noch ein weiteres auf. Ganz ähnlich verhält sich auch das Hämoglobin in unserem Blut. Wenn es erst einmal ein Sauerstoffmolekül gebunden hat, wird es für das zweite, dritte und vierte immer empfänglicher. Deshalb ist der Blutfarbstoff als Sauerstofflieferant so effektiv.

Schon könnte man das Pilzpigment zusammen mit radioaktiven Substanzen womöglich in der gezielten Strahlenbehandlung von Tumoren einsetzen. Doch stehen dem die hohen Natrium- und Kaliumkonzentrationen im Blut entgegen, denn beide Stoffe konkurrieren mit Caesium bei der Bindung durch das Norbadion-A-Molekül. Bei der Sanierung verseuchter Böden spielen Natrium und Kalium indes kaum eine Rolle. Hier könnte der schmackhafte Maronenröhrling im Dienste der Umwelt zum Giftpilz werden.

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