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Kosmologie: Ging es früher heiß her?

Seit 60 Jahren streiten Fachkreise über die Alpher-Bethe-Gamow-Theorie. Der Ausgang des Disputs interessiert auch viele Laien, geht es doch um nichts Geringeres als den Urknall und die Entwicklung des Universums. Neue Beobachtungen liefern jetzt entscheidende Daten.
1948 legte Ralph Alpher seine Dissertation vor. Ausgehend von der Urknalltheorie des Belgiers Georges Lemaître berechnete der damals 27-jährige Amerikaner, wie sich in der heißen Frühphase des Universums die ersten Atome gebildet haben und in welchem Verhältnis. Das ist quasi das ABC des Kosmos, dachte sich Alpher und nahm sich spaßeshalber die Professoren Hans Bethe und George Gamow als Koautoren – die α-β-γ-Theorie war geboren.

Die Resonanz der Fachwelt war gering, auch als Alpher kurz darauf mit Robert Herman die Existenz des kosmischen Mikrowellenhintergrunds vorhersagte. Der Durchbruch der Theorie kam erst 1965 mit der Entdeckung der Hintergrundstrahlung durch Penzias und Wilson. Diese beiden erhielten dafür den Nobelpreis, Alpher dagegen ging – ungerechter Weise – leer aus.

Im Jahr 2000 gelang es Astronomen um Raghunathan Srianand vom Inter-University Center for Astronomy and Astrophysics in indischen Pune mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte, erstmals eine Vorhersage von Alphers Theorie zu belegen. Demnach war der Kosmos vor rund zehn Milliarden Jahren noch wesentlich "wärmer" als heute. Das Spektrum der Hintergrundstrahlung, das heute einer Temperatur von 2,7 Kelvin entspricht, wies damals den Messungen an einer bestimmten Galaxie zufolge einen Wert zwischen 6 und 14 Grad über dem absoluten Nullpunkt auf.

Signale aus der Vergangenheit | Läuft das Licht eines Quasars aus dem frühen Kosmos (links oben) auf dem Weg zu uns durch verschiedene Galaxien, prägt deren Materie dem Spektrum Linien an jenen Stellen ein, die ihrer jeweiligen Rotverschiebung entsprechen (A, B, C). Damit ergibt sich ein Gesamtspektrum (D), aus dessen Analyse Astronomen auf die jeweiligen Verhältnisse in den Galaxien schließen können.
Sonderlich präzise war das Ergebnis nicht, das Team verfeinerte deshalb die Methode über die Jahre. Mit einem der 8,2-Meter-Einheiten des VLT nahmen die Astronomen schließlich den Quasar SDSS J143912.04+111740.5 ins Visier. Dessen Strahlung ist seit fast elf Milliarden Jahren unterwegs zu uns. Die Forscher wählten diesen Quasar mit besonderem Bedacht aus, denn sein Licht durchquert auch eine Galaxie, die sich ganz in seiner Nähe befindet. Der dortige molekulare Wasserstoff und insbesondere das erstmals in derart großer Entfernung aufgespürte Kohlenmonoxid prägen dem Quasarlicht seinen Stempel auf.

Anhand dieses Stempels aus Molekülabsorptionsbanden im Quasarspektrum können die Astronomen aus Stärke und Form der einzelnen Linien die Temperatur der Gase ermitteln. Eine genaue Analyse zeigt, dass als Wärmequelle in diesem Fall nur die Hintergrundstrahlung infrage kommt. Aus den Beobachtungen von Srianand und Co ergibt sich dafür 9,2 Kelvin plusminus 0,7. Alphers Theorie liefert für die Zeit von vor elf Milliarden den Wert 9,3 Kelvin. Koautor Patrick Petitjean: "Das ist eine hervorragende Übereinstimmung."

Srianand fügt hinzu: "Dies ist eine Pionierleistung für Untersuchungen interstellarer Chemie im frühen Universum. Sie demonstriert, dass damit auch Antworten auf Fragen der Kosmologie gefunden werden können."

Ralph Alpher kann sich über diesen Fund leider nicht mehr freuen. Der "vergessene Vater des Urknalls" starb vor neun Monaten in Austin im Alter von 86 Jahren.

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