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Giseh: Neue Kammer in der Cheopspyramide nachgewiesen

Vor Jahren ließen Messungen erkennen, dass es im Inneren der Großen Pyramide bis dahin unbekannte Hohlräume gibt. Nun haben Forschende per Endoskop einen Fotobeweis vorgelegt.
Pyramiden von Giseh vor untergehender Sonne
Die drei Pyramiden auf dem Gisehplateau: Sie sind ungefähr 4600 Jahre alt. Als Erstes entstand das Grab von König Cheops (rechte Pyramide). Darin fand sich nun eine bislang unbekannte Kammer.

Seit fast 4600 Jahren steht die Große Pyramide von Giseh, doch Forschende entlocken dem Weltwunder auch heute noch Geheimnisse. Nun hat ein internationales Forschungsteam in dem berühmten Bauwerk die Existenz einer neuen Kammer sicher nachgewiesen. Bereits vor Jahren hatten Messungen auf verborgene Hohlräume hingewiesen. Mit Hilfe eines Endoskops, das durch einen schmalen Spalt zwischen zwei giebelartig angeordneten Steinen geführt wurde, sei nun die Existenz einer großen Kammer bestätigt worden. Das teilte die Technische Universität München (TUM) mit, die mit einem Team an der Entdeckung beteiligt war. Die Ergebnisse publizierten die Fachleute in den Fachmagazinen »NDT & E International« und »Nature Communications«.

Der Fund sei besonders bedeutsam, weil die Pyramide als eines der am besten untersuchten Bauwerke der Welt gelte, erläuterten die TUM-Wissenschaftler am Donnerstag. Im Inneren der Kammer seien keine Fußspuren oder ähnliche Hinweise auf menschliche Aktivitäten zu sehen. Daher nimmt die Forschungsgruppe an, dass diesen Raum seit mehr als 4500 Jahren kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hat.

Die Kammer befindet sich oberhalb des ursprünglichen Zugangs an der Nordseite der Pyramide. Der zwischen 17 und 23 Meter über Bodenniveau liegende Korridor überschreite nach ersten Schätzungen sogar die ursprünglich vermutete Größe: Er dürfte zirka 2,10 Meter breit sein, 2,30 Meter hoch und mindestens 9 Meter lang.

Die neu entdeckte Kammer | Myonenmessungen hatten ergeben, dass sich über dem ursprünglichen Eingang der Cheopspyramide ein Hohlraum befindet. Nun haben Fachleute mit einer Endoskopkamera einen Blick hineingeworfen.

»Einen Hohlraum in einer Pyramide zu entdecken, ist schon etwas Besonderes. Aber dass diese Kammer groß genug ist, um mehrere Menschen aufzunehmen, das macht es noch viel bedeutender«, sagt Christian Große vom Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Prüfung an der TUM laut einer Pressemitteilung. Die Münchner sind seit 2019 an dem internationalen Projekt namens ScanPyramids beteiligt, das seit 2015 die ägyptischen Pyramiden mit unterschiedlichen Mitteln und Technologien untersucht.

Diente der Hohlraum als Entlastungskammer?

Ägyptologen werten den Fund als außergewöhnlich. »Es ist spektakulär, denn die Kammer ist wirklich groß«, sagte der Ägyptologe Alexander Schütze von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der nicht an den Forschungen beteiligt war. Allerdings hatte der Raum womöglich nur eine technische Funktion. »Es sieht für mich sehr danach aus, dass es sich um eine weitere Entlastungskammer handelt, die den immensen Druck der Steine von der Eingangskonstruktion nehmen sollte«, sagte Schütze. »Der Fund wird auch das Verständnis der Bauweise vorantreiben.«

Über der Königskammer gibt es ebenfalls Räume, auf denen giebelartig angeordnete Steine ruhen und die nach bisherigen Erkenntnissen zur Entlastung dienen. Die Steine über den Gängen und Kammern wiegen Millionen Tonnen. »Entlastungskammern sind grundsätzlich bekannt«, sagt auch der Bauforscher Martin Sählhof vom Deutschen Archäologischen Institut Kairo. Er hält es für plausibel, dass am früheren Eingang derartige Hohlräume konstruiert wurden. Eine Menge Fragen zu Statik und Bauprozess seien aber noch offen.

Nordseite der Cheopspyramide | Ursprünglich befand sich der Zugang zur Großen Pyramide an jener Stelle, die von giebelartigen Steinblöcken überdacht wird (im Bild oben). Der Eingang war im Altertum aber vermutlich nicht sichtbar, sondern mit Steinen versiegelt. Besucher betreten das Weltwunder heute über einen Gang darunter, den Raubgräber einst gegraben hatten.

Bis heute ist es ein Rätsel, wie die alten Ägypter vor mehr als 4500 Jahren die Pyramiden aus vielen tonnenschweren Blöcken bauten. Die Messungen des ScanPyramids-Teams sollen auch dazu beitragen, die Baugeschichte der Cheopspyramide und den inneren Aufbau besser zu verstehen.

Mit Hilfe kosmischer Strahlung entdeckte man die Hohlräume

Grundlage für den Fund der Kammer waren Messungen mit der Myonentomografie, einem Verfahren zur dreidimensionalen Abbildung großvolumiger Objekte mittels kosmischer Strahlung. Diese enthält unter anderem Myonen. Die Elementarteilchen fliegen nahezu ungestört durch luftgefüllte Bereiche, doch dichtere Materialien absorbieren oder streuen einen Teil der Strahlung. Entsprechend deutet mehr Strahlung aus einer Richtung darauf hin, dass dort weniger Gestein die Myonen abfängt. Die Messungen ließen die Existenz von Hohlräumen in der Großen Pyramide vermuten, wie die beteiligten Wissenschaftler 2017 im Fachmagazin »Nature« berichteten.

Das Team der TUM untersuchte nun jene Partien der Pyramide genauer mit Hilfe von Radar- und Ultraschallmessgeräten. »Die Pyramiden gehören zum Weltkulturerbe. Deshalb müssen wir bei der Untersuchung besonders vorsichtig vorgehen, damit keine Beschädigungen entstehen«, sagte Große. Die Myonentomografie hatte Dichteunterschiede im Bauwerk gezeigt, die auf zwei unterschiedlich große Hohlräume an verschiedenen Stellen hinwiesen. Der eine konnte nun bestätigt werden. Der andere Hohlraum im Zentrum der Pyramide könnte – falls er sich bestätigt – noch deutlich größer sein. Auch hier vermuten Fachleute, dass er als Entlastungskammer fungierte.

Weitere Forschungsarbeit sei nötig, hieß es bei der TUM. Die genaue Funktion des Kammer- und Schachtsystems im Inneren der Pyramide, die rund 140 Meter aufragt, ist nicht vollständig geklärt. Spekuliert wurde sogar, ob in einer der Kammern die Mumie von König Cheops liegen könnte. Der Sarkophag in der Königskammer war leer vorgefunden worden. Doch Forscherinnen und Forscher gehen eher davon aus, dass die Mumie nicht mehr in der Pyramide liegt. »Es gibt meines Erachtens keinen Grund, eine Art Versteck zu vermuten, wo man die Überreste beigesetzt hat«, sagte Schütze. Die Pyramide war wahrscheinlich bereits in der Antike geplündert worden. (dpa/kas)

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