Sinkende Temperaturen, härtere Winter und Missernten – trotz Erderwärmung prognostizierten einige Klimatologen diese Entwicklungen einem Teil Europas. Der Grund: Schmelzende Gletscher könnten das Golfstromsystem zum Lahmen bringen und die Zufuhr von Wärmeenergie aus den Tropen und Subtropen drastisch reduzieren – mit allen Konsequenzen für Nordeuropa oder die Britischen Inseln, die davon derzeit am meisten profitieren.
Thermohaline Zirkulation | Der Golfstrom ist Teil der thermohalinen Zirkulation, die warmes Wasser von den Tropen nach Norden transportiert. Dort sinkt das salzhaltige Wasser in die Tiefe und strömt am Meeresgrund als kaltes Wasser fast um den gesamten Globus. Dieses einfache Bild eines globalen Förderbands wird allerdings zunehmend in Frage gestellt.
Einige Forschungsarbeiten hatten zwischenzeitlich angedeutet, dass sich das Golfstromsystem tatsächlich abschwächen könnte. Andere Untersuchungen belegten hingegen, dass unsere Fernwärmeversorgung nicht nur keine Anzeichen von Nachschubproblemen zeigt, sondern sich sogar noch verstärkt hat – ein Trend, den Susan Lozier von der Duke University in Durham und ihre Kollegen bestätigen. Sie werteten rund eine halbe Million Messungen zur Wassertemperatur und zum Salzgehalt aus, die an Bord von Forschungsschiffen zwischen 1950 und 2000 im Nordatlantik durchgeführt worden waren. Daraus ermittelten sie ein Bild der kolossalen Wasserumwälzungen, die jede Sekunde im Ozean stattfinden: Es ist deutlich komplexer als bislang angenommen.
Demnach hat sich die thermohaline Zirkulation in den subpolaren Breiten während der letzten Jahrzehnte weiter verstärkt: Hier stürzt also mehr salzreiches, dichtes Wasser in die Tiefsee ab. In den Subtropen hingegen hat sich dieser Prozess abgeschwächt, obwohl eigentlich das Gegenteil der Fall sein sollte: Hier verdunstet sehr viel Feuchtigkeit, was die Salzkonzentration im Wasser erhöht. Bei Grönland dagegen gelangt durch die Gletscherschmelze sehr viel Süßwasser ins Meer, was den Absinkprozess eigentlich durch den Verdünnungseffekt hemmen sollte. Wie viel Wasser im Atlantik von Südwest nach Nordost strömt, schwankt im Jahres- und sogar Tagesverlauf sehr stark. Langfristige Trends lassen sich also nur schwer aus den Daten herauslesen – entsprechend vage bleiben vorerst Diagnosen zur weiteren Entwicklung des Systems.
Mit ihrer Studie sägen die Forscher allerdings weiter am bislang gängigen Bild eines einzelnen leistungsstarken Förderbands, das Wasser rund um den Planeten transportiert. Stattdessen besteht das Strömungssystem im Atlantik aus mindestens zwei riesigen Wirbeln. Einer davon kreist in den Subtropen zwischen Florida, dem Meeresgebiet westlich der Kanarischen Inseln, dem nordöstlichen Südamerika und Jamaika, der andere zwischen Irland, Island, der Südspitze Grönlands und Neufundland. Immer nur ein Teil des jeweils beteiligten Salzwassers bewegt sich weiter nordostwärts, wo es auf der Höhe Spitzbergens in die Tiefsee sinkt. Ein weiterer Absinkpunkt befindet sich zwischen Grönland und Kanada und wird teilweise vom subpolaren Wirbel gespeist. (dl)
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Quellen
Links im Netz
Lexika
Lozier, S. et al.: Opposing decadal changes for the North Atlantic meridional overturning circulation. In: Nature Geoscience 10.1038/ngeo947, 2010.
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