Raumfahrt: GRAILs außergewöhnliche Mondfahrt

© Thom Baur, United Launch Alliance (Ausschnitt)
© NASA, KSC (Ausschnitt)
GRAIL-Sonden und Nutzlastverkleidung | Diese Aufnahme zeigt die Montage der Zwillingssonden im Kopf der Trägerrakete, umgeben von der schützenden Nutzlastverkleidung. Diese wird von der obersten Raketenstufe abgesprengt, sobald die dünneren äußeren Atmosphärenschichten der Erde erreicht sind.
Am 8. September 2011, dem Tag des geplanten Starts der Mission, brachten die Wetterballons der NASA schlechte Nachrichten: Die Windstärken hoch oben in der Atmosphäre lagen jenseits der zulässigen Grenzwerte. Die Trägerrakete des Typs Delta II musste auf der Startrampe verharren, ihre Tanks wurden wieder geleert. Während zahlreiche Zuschauer enttäuscht heimfuhren, werteten die Wissenschaftler der NASA technische Daten des Antriebssystems aus. Auffälligkeiten bei den Daten, die beim Enttanken genommen wurden, ließen die Mitarbeiter in Cape Canaveral schließlich von einem zweiten Versuch am Folgetag absehen. Die NASA vertröstete auf den 10. September 2011.
© Thom Baur, United Launch Alliance (Ausschnitt)
Start der Trägerrakete | Dieses Bild zeigt die Startrampe 17B des Kennedy Space Center in Florida im Augenblick des Starts der Trägerrakete Delta II am 10. September 2011 um 9:08 Uhr Ortszeit.
Der Start um 15:08 unserer Zeit (9:08 Uhr Ortszeit) verlief planmäßig (Link zum Video des Starts). Insgesamt neun Feststoffbooster unterstützten die erste Raketenstufe während der ersten Minuten des Starts und brachten die Rakete bis auf Mach 15 (18000 Stundenkilometer). Anschließend brachte das wiederzündbare Triebwerk der zweiten Stufe die GRAIL-Sonden aus dem Orbit der Erde und schrittweise in Positionen, von denen aus beide Geschwister in die Tiefen des Weltalls abgesetzt wurden (Link zum Video).
© NASA / Darrell L. McCall (Ausschnitt)
Liftoff | Sekunden nach dem Start schraubt sich die Rakete mit den beiden GRAIL-Sonden an Bord in die oberen Schichten der Atmosphäre. Insgesamt neun Feststoffbooster verleihen der Rakete zusätzlichen Schub – sechs davon sind im Bild bereits gezündet.
GRAIL ist Teil des Discovery Programms der NASA, einer Serie von kostengünstigen Missionen zur Erkundung des Weltraums, deren prominentester Vertreter vermutlich der 1996 gestartete Mars Pathfinder war. Die Kosten der GRAIL-Mission betragen etwa 500 Millionen Dollar (etwa 370 Millionen Euro). Sie konnten auch deshalb gering gehalten werden, weil GRAIL nach dem technischen Vorbild der Sonden der deutsch-amerikanischen Mission Gravity Recovery and Climate Experiment (GRACE) konstruiert wurde, die seit 2002 äußerst erfolgreich und präzise das Schwerefeld der Erde vermessen. Die GRACE-Zwillingssonden wurden damals erst getrennt, als sie ihre endgültige Erdumlaufbahn erreicht hatten. Diese Methode ließ sich aus Kostengründen nicht auf GRAIL übertragen. Stattdessen werden beide Sonden unabhängig voneinander in den Orbit des Mondes eintreten und kommen sich erst dort auf ihre Arbeitsdistanz von etwa 200 Kilometern nahe.
© NASA (Ausschnitt)
Flugbahn der Sonden | In dieser Grafik sind die möglichen Flugbahnen der GRAIL-Sonden dargestellt, abhängig von Startzeitpunkt und Korrekturmanövern. Zunächst nähern sie sich dem Lagrangepunkt (oder Librationspunkt) des Systems Erde-Sonne, um dort energiesparend in Richtung Mond einzuschwenken.
Während der 82 Tage ihrer Mission wird sich der Mond dreimal vollständig unter der Umlaufbahn der Sonden drehen. Die Mission ist deshalb in drei Phasen von je 27,3 Tagen Länge unterteilt. Dabei werden der Abstand zwischen den Sonden und auch ihre Flughöhe verändert. Die Sonden vermessen das Gravitationsfeld des Mondes, indem sie ihren gegenseitigen Abstand hochgenau erfassen. Zieht dann eine Unregelmäßigkeit des Schwerefeldes eine der Sonden näher an die Oberfläche, erzeugt das eine messbare Veränderung des Abstands zwischen beiden Sonden. Fliegen die Zwillinge in einem tiefer gelegenen Orbit und nah beieinander, sind sie besonders empfindlich für regionale Veränderungen des Schwerefeldes durch einzelne Krater oder Berge. Wenn Abstand und Flughöhe zunehmen, können die GRAIL-Sonden globale Effekte besser studieren, die durch tiefer im Mond gelegene Strukturen verursacht werden. Am Ende ihrer Mission, zum Zeitpunkt der partiellen Mondfinsternis am 4. Juni 2012, befinden sich beide Sonden in einer Höhe von kaum 20 km über der Mondoberfläche. Erhalten sie dann keine anders lautenden Befehle von der Erde, werden sie unmittelbar danach auf den Mond stürzen.
An jeder der Sonden sind außerdem vier so genannte MoonKAM-Kameras (Moon Knowledge Acquired by Middle school students) installiert. Aus wissenschaftlicher Sicht sind sie Spielzeuge und dienen der Öffentlichkeitsarbeit und der Förderung von Nachwuchsastronomen: Schulen können mit diesen Kameras Bilder und Videos von GRAILs Flug über die Oberfläche des Mondes in ihre Klassenzimmer übertragen und dort diskutieren.
Mike Beckers
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