Gravitationslinseneffekt: Einsteinkreuz offenbart Dunkle Materie

Die Galaxie HerS-3 liegt 11,7 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt, am äußeren Rand des sichtbaren Universums. Mehrere Teleskope beobachteten diese sternbildende Galaxie, darunter das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile und das Northern Extended Millimeter Array (NOEMA) in den französischen Alpen. Die Strahlung von HerS-3 findet nicht direkt ihren Weg zu uns, sondern wird durch die Schwerkraft einer dazwischenliegenden Galaxienansammlung gebeugt. Die Gruppe im Vordergrund ist 7,8 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Galaxien in diesem Komplex sind sehr massereich und lenken die Strahlung ab, sodass es für uns aussieht, als würden die fernen Objekte verzerrt oder vervielfacht am Himmel erscheinen.
Ein Sonderfall dieses Effekts ist das Einsteinkreuz: Es besteht aus vier Lichtpunkten, die sich kreuzförmig um die Galaxien im Vordergrund anordnen und jeweils ein genaues Abbild der ursprünglichen Galaxie darstellen. Beim Einsteinkreuz der Galaxie HerS-3 beobachtete man nun erstmalig einen fünften Lichtpunkt genau im Zentrum des Kreuzes. Diese ungewöhnliche Anordnung ist durch den alleinigen Einfluss der sichtbaren Objekte nicht zu erklären, wie Modellrechnungen gezeigt haben. Das lässt auf eine verborgene, unsichtbare Masse schließen: Dunkle Materie.
Ein internationales Forschungsteam entdeckte das fünfte Abbild und vermutete zunächst einen Fehler im Instrument. Verschiedene Datensätze bestätigten aber die Messungen und zeigten zudem, dass die fünf Lichtpunkte dasselbe Muster molekularer Emissionslinien aufweisen. Sie stimmen in ihrer chemischen Zusammensetzung sowie Geschwindigkeit überein und stammen eindeutig von derselben physikalischen Quelle: der weit entfernten Galaxie HerS-3.
Die Forschenden simulierten daraufhin, wie die vier Vordergrundgalaxien das Licht ablenken müssten, um das fünfte Abbild der Galaxie zu erzeugen. Doch diese Modelle konnten nicht reproduzieren, was am Himmel beobachtet wurde. Es fehlte weitere Masse! »Die einzige Möglichkeit, Mathematik und Physik in Einklang zu bringen, war, einen Halo aus Dunkler Materie hinzuzufügen«, so Astrophysiker Charles Keeton von der Rutgers University in New Jersey. Erst mit der Annahme, dass sich ein Ring aus Dunkler Materie zwischen uns und HerS-3 befindet, passte die Simulation zu den Beobachtungen.
Dunkle Materie macht nach aktuellen Modellen den Großteil der Materie im Universum aus, ist aber unsichtbar und schwer zu detektieren. Vermutlich handelt es sich dabei um noch nicht identifizierte Teilchen, die sich ausschließlich über ihre gravitativen Effekte wie etwa das Einsteinkreuz zu erkennen geben. Die Beobachtung der Galaxie HerS-3 liefert daher wertvolle Hinweise darauf, wie Dunkle Materie in Galaxien und Sternhaufen verteilt ist, und ermöglicht einen Blick auf die Sternentstehung in den frühen Phasen der kosmischen Entwicklung.
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