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News: GRB 080319B – Ein kosmischer Rekord

Welches ist das am weitesten entfernte Objekt, das Menschen jemals mit bloßem Auge sehen konnten? Bisher war es die in rund drei Millionen Lichtjahren Distanz befindliche Spiralgalaxie Messier 33 im Sternbild Dreieck. Seit dem 19. März 2008 ist dies anders.
An diesem Mittwoch um 7:12 Uhr MEZ entdeckte das Burst Alert Telescope BAT des Satelliten Swift einen Gammastrahlenausbruch, der alle bisherigen Rekorde bricht. Die registrierte Explosion in Richtung des Sternbilds Bärenhüter (lateinisch Bootes) war derart heftig, dass sein optisches Nachglühen (englisch Afterglow) am Himmel kurzfristig mit dem bloßem Auge sichtbar war. Und dies, obwohl die Strahlung die Hälfte des sichtbaren Universums durchquert hatte, bevor sie uns erreichte.

Wissenschaftler unterscheiden zwischen kurzen und langen Gammastrahlenausbrüchen: Die Trennlinie liegt bei etwa zwei Sekunden. Die kurzen Ausbrüche sind Zeugen einer Verschmelzungen zweier Neutronensterne oder Schwarzer Löcher. Die langen treten auf, wenn massereiche Sterne am Ende ihres Lebens ihren nuklearen Brennstoff aufgebraucht haben und in einer Supernova explodieren. Ihr Kern, der schlagartig zu einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch kollabiert, sendet dabei Jets aus fast lichtschneller Materie sowie hochenergetischer Gammastrahlung aus, die durch den Weltraum rasen.

Treffen die Jets auf die umliegende Materie, wird diese erhitzt und zum Leuchten angeregt. Der so genannte Afterglow entsteht (siehe hierzu auch den ausführlichen Artikel im Dezemberheft unserer Zeitschrift Sterne und Weltraum). Im Falle von GRB 080319B war dieses Nachglühen derart ausgeprägt, dass es für rund dreißig Sekunden eine scheinbare Helligkeit zwischen fünf und sechs Magnituden erreichte und so als schwaches sternförmiges Objekt am irdischen Nachthimmel gerade noch zu sehen gewesen wäre. Aufgrund des Zeitpunktes und der ungünstigen Mondphase scheint es aber eher unwahrscheinlich, dass hierzulande jemand dieses Aufleuchten beobachtet hat.

Messungen mit dem Very Large Telescope VLT in Chile und dem Hobby-Eberly-Teleskop am gleichen Tag ergaben, dass sich die Explosion in einer Entfernung von mehr als sieben Milliarden Lichtjahren – und somit vor mehr als sieben Milliarden Jahren – ereignete. Als sich die hochenergetische Strahlung auf den Weg machte, existierten also weder die Erde noch unser gesamtes Sonnensystem.

„Wir wissen im Moment noch nicht sicher, ob jemand den Afterglow während seiner größten Helligkeit tatsächlich beobachtet hat“, sagte Stephen Holland vom Goddard Space Flight Center der NASA. „Aber wenn jemand zufällig zum richtigen Zeitpunkt hochgeschaut hat, konnte er das am weitesten entfernte Objekt beobachten, dessen Licht jemals von einem menschlichen Auge ohne optische Hilfsmittel erblickt wurde.“ Der Forscher Stefan Immler vom Swift Science Center der NASA nahe Washington, DC, berichtete auf Anfrage, dass sie Anrufe von nordamerikanischen Beobachtern erhalten hätten, die angeblich den Lichtblitz mit bloßem Auge gesehen haben wollen.

Astronomen haben nun damit begonnen, den Strahlenausbruch genauer zu analysieren. Weshalb GRB 080319B und sein Afterglow so gewaltig waren – mehr als zwei millionenfach heller als die leuchtkräftigste bisher beobachtete Supernova – wissen die Forscher bisher nicht. Möglicherweise war die Strahlung noch energiereicher als bei anderen Ausbrüchen oder die Jets waren sehr stark gebündelt und zielten direkt in Richtung Erde. Aber auch die Masse, die Rotationszeit und das Magnetfeld des Sterns könnten die Ursache sein.

Der NASA-Satellit Swift wurde am 20. November 2004 mit einer Rakete des Typs Delta 2 in eine Erdumlaufbahn gebracht und untersucht seither die kosmischen Gammastrahlenausbrüche, die den Wissenschaftlern noch immer Rätsel aufgeben. Normalerweise entdeckt Swift durchschnittlich rund zwei solche Explosionen pro Woche, aber an diesem 19. März 2008 wurden gleich vier registriert. Ebenfalls ein Rekord.

MS

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