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Sonolumineszenz: Grelle Blitze aus heißen Blasen

Wenn Gasblasen in Flüssigkeiten plötzlich zusammenfallen, werden unvorstellbare Energiemengen frei, die Löcher in Schiffsschrauben reißen und sogar Lichtblitze aussenden. Neue Messungen zeigen erstmals experimentell, was dabei genau passiert.
Aus Schall Licht zu machen, ist im Prinzip ganz einfach: Sie füllen einen Glaskolben mit einer Flüssigkeit wie beispielsweise ganz gewöhnlichem Wasser. Außen dran setzen Sie kleine Piezokristalle, die Ultraschallwellen aussenden. Diese stellen Sie so ein, dass sie eine winzige Luftblase durch die Druckschwankungen aufblähen und zusammenstauchen. Wenn Sie ein wenig mit den Einstellungen spielen, wird die Blase in bestimmten Wertebereichen anfangen zu leuchten. Voilà, Sie haben ihre erste Sonolumineszenz – die Lichterzeugung durch Schall – zum Laufen gebracht. Und damit eines der rätselhaftesten Experimente der letzten Jahrzehnte durchgeführt.

Eigentlich sollte es nämlich nicht funktionieren. Zwischen der Energiedichte von Schall und Licht liegen Welten oder wissenschaftlicher ausgedrückt: zwölf Größenordnungen. Um die zu überbrücken, müssen in den Blasen schon sehr seltsame Prozesse ablaufen, denn fest steht: Es gibt die Sonolumineszenz. Und eine Vielzahl physikalischer Laboratorien beschäftigt sich damit, das Rätsel zu lösen. Doch das ist nicht so einfach, denn die Lichtblitze liefern nur wenige Informationen über ihren Ursprung. Nimmt man Wasser als Flüssigkeit, so ist bei Messungen an einzelnen Blasen nicht einmal ein richtiges Spektrum des Lichts zu gewinnen.

Aus diesem Grund bewegten sich auch die theoretischen Modelle zur Sonolumineszenz lange Zeit auf ziemlich unsicherem Boden. Wissenschaftler vermuteten, dass der Schall die Blase so schnell kollabieren lässt, dass sie keine Zeit hat, die darin enthaltenen Gase an die umgebende Flüssigkeit loszuwerden. Steigt aber der Druck in einem kleinen Volumen, dann wird es heiß – das kennen wir vom Aufpumpen eines Fahrradschlauchs. Da die Blase innerhalb von wenigen Sekundenbruchteilen schrumpft, steigt die Temperatur in ihr extrem an. Mehrere tausend Grad vermuteten die Theoretiker. Genug, um Elektronen von ihren Atomen zu reißen und wieder mit ihnen zusammenstoßen zu lassen. Das Ergebnis sollten die Lichtblitze sein. Soweit die Theorie. Die experimentelle Praxis hatte jedoch Schwierigkeiten, diese Aussagen zu überprüfen.

Bis David Flannigan und Kenneth Suslick von der University of Illinois die Idee hatten, ihr Glück mit einer anderen Flüssigkeit als Wasser zu probieren. Konzentrierte Schwefelsäure hat den Vorteil, sehr zäh zu sein und so die Bildung besonders großer Blasen zu erlauben. Als Gas wählten sie Argon, das als einatomiges Edelgas keine verkomplizierenden Rotationen und Vibrationen vollführt.

Die Wahl erwies sich als günstig. In den Versuchen strahlten die Blasen tausendmal mehr Photonen ab als in Experimenten mit Wasser. Damit reichte das Licht endlich aus, um seine Eigenschaften exakt zu vermessen. Und es waren im wahrsten Sinne des Wortes "heiße" Daten, die Flannigan und Suslick bekamen: Auf rund 15 000 Grad Celsius stieg die Temperatur im Innern der kollabierenden Blasen an – mehr als doppelt so heiß wie auf der Oberfläche der Sonne. Außerdem zeigten sich Banden von ionisiertem Sauerstoff. Es musste folglich ein Plasma entstanden sein, also freie Elektronen, die mit den Atomen und Ionen in der Blase zusammenstießen, was zu den Lichtblitzen führte. Genau wie die Theoretiker es vorhergesagt hatten – nun ist es experimentell bestätigt.

Als Leselampe wird die Sonolumineszenz sicherlich niemals Karriere machen. Dennoch sind die Erkenntnisse sehr wohl von praktischer Bedeutung. Schon an den Schiffsschrauben früher Dampfboote waren nach einiger Zeit kleine Löcher im Metall zu finden, die von zerreißenden Gasblasen in das Material gesprengt worden waren. Ein Problem, das auch heute noch Schiffsbauer beschäftigt. Unmittelbaren Nutzen von der Macht des Schalls haben vor allem Patienten, deren Nierensteine mit Ultraschall zertrümmert werden. Und die moderne Chemie experimentiert an Verfahren, die konzentrierte Energie in den Bläschen für sonst schwer zu realisierende Reaktionen zu nutzen. Die kleinen kollabierenden Gasblasen machen sich also vielseitig bemerkbar. Kein Wunder, bei diesen Energiebündeln.

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