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Gen-Editing: Größte Probleme von CRISPR/Cas9 gelöst

Gen-Schere ohne Schere: Zwei Verfahren machen die umstrittene Methode genauer und sicherer - und erweitern gleichzeitig ihren Einsatzbereich.
Eine stilisierte DNA-Helix unter einer stilisierten Lupe

Gen-Gemüse, Krebsheilung, Designerbabys – seit ein paar Jahren inspiriert das Gen-Tipp-Ex CRISPR/Cas9 Utopien und Ängste gleichermaßen. Doch das neu entdeckte molekularbiologische Instrument steht erst am Anfang seiner Karriere, wie zwei neue Studien zeigen. Die erste davon, am 15. Oktober 2017 in "Nature" erschienen, beschreibt eine Technik, die schon seit einiger Zeit auf der Wunschliste der Fachwelt steht. Eine Arbeitsgruppe um Nicole M. Gaudelli von der Harvard University berichtet dort von einer neu entwickelten Klasse künstlicher Proteine, die einzelne Basenpaare verändern kann, ohne dafür die DNA komplett durchschneiden zu müssen – was die Rate unerwünschter Effekte drastisch verringert.

Die zweite Entwicklung, am gleichen Tag von "Science" vorzeitig veröffentlicht, stammt vom Team um den US-Forscher Feng Zhang, der CRISPR/Cas9 erstmals an menschlichen Zellen einsetzte. Die Arbeitsgruppe erweitert die Möglichkeiten des CRISPR-Mechanismus erneut, diesmal auf die RNA, die chemisch der DNA ähnelt, aber andere Funktionen in der Zelle übernimmt. Eine solche Technologie könnte fundamentale ethische Bedenken gegenüber der Gene-Editing-Technologie umgehen, denn anders als DNA ist die RNA nur sehr kurzlebig: Sie entsteht und vergeht permanent neu, und welche RNA-Stränge entstehen, verändert sich je nach den Anforderungen der Zelle im Lauf der Zeit. So würde eine Gentherapie, die an der RNA ansetzt, keine ethisch problematischen "Ewigkeitslasten" im Erbgut hinterlassen.

Die Gen-Schere wird subtil

Beide Verfahren basieren auf einem subtileren chemischen Mechanismus als das bisherige Gene Editing, das im Verdacht steht, zu ungenau für Veränderungen am Menschen zu sein. Statt die DNA brutal zu zerschneiden und bei der Reparatur die gewünschte Veränderung zu erzeugen, wandeln nun maßgeschneiderte Enzyme, geleitet vom bewährten Erkennungsmechanismus der CRISPR/Cas9-Technik, die einzelnen "Buchstaben" der Erbmoleküle direkt ineinander um. Dabei hilft, dass sich die Basen A und G sowie C und T chemisch sehr ähnlich sind. Gaudellis Team entwickelte über insgesamt sieben Evolutionsschritte ein Enzym, das mit einer Effizienz von bis zu 50 Prozent eine Aminogruppe von der Base Adenin abtrennt – das Ergebnis ist ein Molekül, das die Zelle mit Guanin verwechselt.

So wird aus einem A-T-Basenpaar ein G-C-Paar. Praktische Bewandtnis bekommt die Technik nach Angaben der Forscherin dadurch, dass der umgekehrte Prozess, nämlich die spontane Umwandlung von G-C-Basenpaaren in A-T-Paare, häufig vorkommt und für etwa die Hälfte aller potenziell schädlichen Punktmutationen im Erbgut verantwortlich ist. Die folgenschwersten von ihnen lassen sich nun theoretisch korrigieren, indem man das neu entwickelte Enzym an Cas9 koppelt, das die Mutation wie beim gängigen CRISPR-Cas9 an genau der richtigen Stelle stattfinden lässt. Wie das Team berichtet, korrigierte das Verfahren bei kultivierten menschlichen Zellen tatsächlich gezielt krankheitsauslösende Gendefekte, allerdings bisher nur mit mäßiger Erfolgsrate.

Mehr Utopie, weniger Dystopie

Die von Feng Zhang entwickelte Technik, RNA punktgenau zu verändern, funktioniert sehr ähnlich. Hier ist es nicht Cas9, das ein Adenin veränderndes Enzym an die richtige Stelle leitet, sondern das Enzym Cas13, das auf RNA statt DNA spezialisiert ist. Cas13 hat einen weiteren Vorteil: Anders als Cas9 muss bei seinem Einsatz keine PAM-Sequenz in der Nähe der zu verändernden Stelle in der RNA sein. PAM ist eine spezielle Basenabfolge, ohne die das CRISPR/Cas9-System nicht funktioniert – eine wichtige Einschränkung des Systems. Andere Cas-Moleküle wie Cas13 kommen ohne PAM aus, so dass zukünftiges Gene Editing wohl ohne Cas9 stattfinden wird.

Die beiden neu veröffentlichten Verfahren lösen möglicherweise gleich zwei Probleme, die bisher zu heftigen Debatten über CRISPR/Cas9-Techniken geführt haben. Zum einen sind sie quasi ethisch minimalinvasiv: Gaudellis Verfahren verändert nur einzelne Basen und zielt primär auf eine spezielle Klasse schädlicher Mutationen, die so direkt rückgängig gemacht werden könnten. Zusätzlich kommt es ohne die mutwillige Zerstörung beider Erbgutstränge aus, die das Verfahren anfällig für Fehler und unerwünschte Effekte auch jenseits der Zielsequenzen machte. Zhangs Methode verändert die DNA überhaupt nicht, sondern setzt erst bei der Verarbeitung genetischer Information in Form von RNA an.

Beide Veröffentlichungen zeigen außerdem einen Trend an, der die Zukunft von CRISPR/Cas9 prägen könnte: weg von Cas9, hin zu anderen, oft gezielt maßgeschneiderten Molekülen. Mit denen, so die Hoffnung, werden dann Eingriffe in die Maschinerie des Lebens möglich, die das bisherige CRISPR/Cas9 so zufallsgesteuert und unpräzise erscheinen lassen wie die frühen Methoden der Gentechnik aus heutiger Sicht.

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