Direkt zum Inhalt

Sexualstrategien: Große Klappe - kleine Hoden

Wer am lautesten brüllt, hat das kleinste Gemächt. Für Brüllaffen gilt das tatsächlich, doch damit kompensieren sie keineswegs Komplexe.
Brüllaffen quer

Brüllaffen tragen ihren Namen zu Recht. Besonders die Rufe der männlichen Exemplare durchdringen das Dickicht der Wälder Mittel- und Südamerikas kilometerweit. Doch dabei dient die laute Stimme den Primatenmännchen keineswegs dazu, Komplexe zu kompensieren – sie ist ein kluges Investment in die Zukunft.

Ihre außergewöhnliche Stimmgewalt verdanken sie einem stark vergrößerten Zungenbein, das ihren Kehlkopf zu einem riesigen Resonanzraum aufspannt. Mit einer tiefen und lauten Stimme suggerieren sie den Artgenossen Körperkraft und Fitness und erhöhen so ihre Paarungschancen. Denn außer dem Respekt der Nebenbuhler bringt eine möglichst kräftige Stimme dem Affenmännchen vor allem die Gunst der Weibchen ein.

Doch wer in ein ausladendes Stimmorgan investiert, muss Abstriche bei den Hoden in Kauf nehmen. Das belegt eine Studie von Wissenschaftlern um Jacob Dunn von der Cambridge University. Ihre Ergebnisse lieferten den ersten wissenschaftlichen Nachweis für die Gültigkeit einer Hypothese, die einst Darwin aufgestellt hatte, erklären die Forscher. Er hatte angenommen, dass die Stimmorgane männlicher Alouatta sexuell selektiert werden. Damit könnte es den Forschern erstmals gelungen sein, einen evolutionären Zusammenhang zwischen präkopulatorischer Investition in den Stimmapparat und der postkopulatorischer Spermakonkurrenz nachzuweisen.

Für ihre Studie haben sie Exemplare von neun der zehn bekannten Brüllaffenarten untersucht. Diese Primaten leben gruppenweise in unterschiedlichen, voneinander vollständig getrennten Lebensräumen auf dem amerikanischen Kontinent, vom südlichen Mexiko über das Amazonasbecken bis in das nördliche Argentinien.

Dabei sammelten die Forscher Daten zu Hodengröße, Sozialverhalten und Größe der Stimmapparate. Sie stießen auf einen interessanten Zusammenhang: Männchen der Arten, bei denen die Paarung wenigen dominanten Männchen vorbehalten war, haben einen großen Stimmapparat und kleine Hoden. In Arten, bei denen vergleichsweise vielen Männchen Zugang zur Fortpflanzung gewährt wird, sind die Verhältnisse genau umgekehrt.

© Senda Verde Animal Refuge, Bolivia
Brüllender Brüllaffe
Ein bolivianischer Affe der Art Alouatta sara bei seinem lautstarken Gesang.

Die Wissenschaftler erklären das mit der von Art zu Art verschiedenen Ausprägung zweier evolutionär komplementärer Fortpflanzungsstrategien: Wird der Zugang zu den Weibchen über die Lautstärke der Rufe geregelt, müssen die Männchen nur wenig Spermien produzieren. Werden die Weibchen jedoch von vielen Männchen begattet, wird der Wettbewerb über die Spermienmenge im Weibchen ausgetragen: In ihren vergrößerten Hoden produzieren die Tiere mehr Spermien und mehr Flüssigkeit und können so die Spermien ihrer Konkurrenten ausschwemmen und verdrängen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.