Evolution: Großer Sprung mit kleinen Molekülen
Nicht nur die Gene entscheiden darüber, wie sich ein Organismus entwickelt – sondern auch, ob und wie oft diese in den Zellen abgelesen werden. So könnte etwa die einzigartige Evolution des menschlichen Gehirns auf Veränderungen im Genexpressionsmuster beruhen. Dass sich tatsächlich die Aktivitäten der Erbfaktoren in wichtigen Hirngebieten bei Mensch und Affe unterscheiden, hat jetzt ein chinesisch-deutsches Team nachgewiesen
Die Wissenschaftler um Svante Pääbo und Philipp Khaitovich vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie untersuchten 12 000 Gene im Kleinhirn sowie im Präfrontalkortex von Menschen, Schimpansen und Rhesusaffen unterschiedlichen Alters. Dabei erwiesen sich zunächst die meisten menschlichen Erbfaktoren als nicht grundsätzlich anders reguliert als bei den Affen: Zwar tauchten Aktivitätsunterschiede bei den Spezies auf, die jedoch den Menschen nicht von seinen tierischen Verwandten hervorhoben.
Als die Forscher jedoch das Genexpressionsmuster von Neugeborenen analysierten, wurden sie fündig: Jetzt offenbarten sich deutliche Aktivitätsunterschiede bei Hunderten von menschlichen Genen im Vergleich zu den entsprechenden Erbfaktoren der jungen Affen. Dabei fiel weniger das die Motorik steuernde Kleinhirn aus dem Rahmen, sondern der präfrontale Kortex, der für komplexe kognitive Fähigkeiten wie soziales Verhalten und abstraktes Denken verantwortlich ist. Als besonders unterschiedlich erwiesen sich DNA-Sequenzen, die für kleine Regulatormoleküle kodieren. Diese so genannten mikroRNAs können wie ein Schalter die Expression von zahlreichen Genen gleichzeitig hemmen (siehe G&G 10/2010, S. 58).
Demnach könnten Mutationen in den Genen spezifischer mikroRNA-Moleküle die Evolution des menschlichen Geistes vorangetrieben haben: Dadurch veränderte sich möglicherweise die Regulation von Schlüsselgenen der Hirnentwicklung und ließ sich so neue kognitive Fähigkeiten entfalten.
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