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Höhlenlebende Lurche: Grottenolm bewegt sich über Jahre gar nicht

Den bizarren Grottenolm zu beobachten und zu erforschen, lohnt sich auf jeden Fall. Man braucht allerdings einen sehr langen Atem: Meist tut sich einfach gar nichts.
Ein Grottenolm in einer slowenischen Höhle

Die versteckt lebenden Grottenolme mit ihrem wirklich ungewöhnlichen Mix bizarrer Eigenheiten lohnen sich als Untersuchungsobjekte auf jeden Fall. Allerdings muss man beim Blick auf das Treiben der Tiere in freier Wildbahn Zeit und Geduld mitbringen, wie ein Forscherteam um Gergely Balázs von der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest veranschaulicht: Die Wissenschaftler haben über Jahre hinweg zu ermitteln versucht, wie die bleichen, räuberischen Amphibien sich in ihrem natürlichen Lebensraum – kühlen, absolut dunklen Unterwasser-Karsthöhlen – umherbewegen. Die kurze Antwort, so die Zusammenfassung der Forscher im Fachblatt »Journal of Zoology«: Sie bewegen sich sparsam. Sehr sparsam.

Der europäische Grottenolm (Proteus anguinus) ist wegen seiner ungewöhnlichen Physiologie und Anatomie recht gut untersucht: Man weiß, dass der dauerhaft in Larvenform in Höhlengewässern lebende Schwanzlurch zu den langlebigsten Amphibien zählt, sich nur selten fortpflanzt und einen gemächlichen Lebenswandel pflegt. Dies hat man bisher aber fast ausschließlich an in Zoos, Forschungseinrichtungen und Aquarien gehaltenen Olmen beobachten können. Experimente in freier Wildbahn erfordern dagegen hohen Aufwand und sind rar – und ziemlich langweilig für Taucher, weil die Tiere typischerweise überhaupt nichts tun, nachdem man sie aufgespürt hat.

Die Zoologen aus Ungarn haben daher zwischen 2010 und 2018 insgesamt 19 Olme in der Vruljak-1-Höhle in Bosnien-Herzegovina langfristig mit individuellen schwarzen Pigmetinjektionen markiert, um einzelne Tiere später sicher identifizieren zu können. Zugleich hat das Team regelmäßige Tauchgänge unternommen, um immer wieder nachzusehen und zu dokumentieren, wo die einzelnen Tiere sich aufhalten. Dabei zeigte sich: Die meisten Tiere bewegten sich teils auch über Jahre hin kaum mehr als zehn Meter von der Stelle weg, an der sie zuerst markiert worden waren: Die 19 Olme erreichten so insgesamt eine theoretische Durchschnittsgeschwindigkeit von fünf Metern pro Jahr. Ein besonders aktiver Ausnahme-Grottenolm brachte es dabei sogar auf 38 Meter in 230 Tagen – der Faulpelz unter den Versuchstieren fand sich dagegen sieben Jahre lang immer auf derselben Stelle.

Es sei natürlich nicht klar, ob die Tiere sich zwischen den Beobachtungen durch die Taucher doch hin- und herbewegen, um dann vielleicht immer auf ihren alten Platz oder in die Nähe zurückzukehren, geben die Forscher zu bedenken. Dies sei allerdings recht unwahrscheilich: Die trägen Räuber wollen in ihrem dunklen, ungewöhnlich dürftig mit Beute wie Kleinkrebsen ausgestatteten Jagdrevier vor allem Energie sparen und bewegen sich wohl lediglich, wenn es sein muss. Nur so schaffen sie es, ohne Nahrung auch einmal Jahre zu überstehen.

Die bleichen Olme kommen vor allem in Höhlengewässern von Karsthöhlen in Südwesteuropa vor, es gibt aber auch einige Grottenolme, die in der Hermannshöhle im Harz in einem künstlich geschaffenen Gewässer als Touristenattraktion ausgesetzt wurden. Die Art gilt international als gefährdet: Die Tiere sind sehr temperaturempfindlich und reagieren stark auf Schadstoffe und andere Störungen in ihrem Lebensraum.

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