Speläologie : Die Geburt der Drachen
Weltberühmt wurden die Karsthöhlen von Postojna in Slowenien durch ihre riesigen und mannigfaltigen Tropfsteinformationen. Doch der heimliche Star zwischen den Stalagmiten und Stalagtiten ist ein bemerkenswerter Höhlenbewohner: Der Grottenolm (Proteus anguinus) lebt in den unterirdischen Gewässern des dinarischen Karstes und kann in einem Aquarium des Höhlenbesucherzentrums bewundert werden. Nun verkündete die Leitung der Postojna-Höhlen, dass weltweit wohl erstmals die Geburt kleiner Grottenolm-Larven beobachtet werden konnte. Ende Mai 2016 schlüpften demnach zwei der Schwanzlurche aus Eiern, die im Aquarium abgelegt worden waren – eine kleine zoologische Sensation, denn bislang war nur sehr wenig über die Fortpflanzung der Tiere und die Entwicklung ihres Nachwuchses bekannt. Die Geburt war seit Ende Januar mit Spannung erwartet worden, als Mitarbeiter die kleinen Eier im Schaukasten bemerkt hatten.
Erwachsene Grottenolme können bis zu 30 Zentimeter lang und 100 Jahre alt werden. Sie schreiten nach bisherigem Wissen nur selten zur Fortpflanzung; Weibchen legen schätzungsweise 50 Eier pro Jahrzehnt – die geringe Rate wird durch die Langlebigkeit der Tiere kompensiert. Ursprünglich fanden sich 64 Eier im Aquarium, von denen bis Ende Mai nur 22 übrig geblieben waren. Die Forscher hoffen deshalb, dass noch weitere Grottenolme schlüpfen. Weil das Wasser kalt ist, entwickeln sich die Embryos in den Eiern sehr langsam und schlüpfen erst nach bis zu 140 Tagen, was für Amphibien eine sehr lange Zeitspanne ist. Zur Überraschung der Mitarbeiter suchte sich die erste Larve nach dem Schlüpfen nicht sofort ein Versteck. Sie schwamm längere Zeit umher, bevor sie sich auf dem Boden des Aquariums niederließ.
Die aalähnlichen und fleischfarbenen Lurche wecken seit ihrer Entdeckung die Faszination der Menschen: Bevor ihr unterirdischer Lebensraum aufgespürt wurde, kannte man nur Tiere, die durch starke Niederschläge aus den Höhlen gespült worden waren. Wegen ihres Äußeren mit den markanten, außen liegenden roten Kiemenbüscheln hielten die Bewohner der Region sie früher für Drachenjungen. Erstmals halbwegs wissenschaftlich beschrieben wurden sie im 18. Jahrhundert. Neben der rein höhlenbewohnenden Form existiert eine – zoologisch umstrittene – oberirdisch lebende Unterart mit schwarzer Hautpigmentierung und entwickelten Augen in einer kleinen, eng begrenzten Region Südostsloweniens. Allerdings können auch die fleischfarbenen Grottenolme schwarze Pigmente entwickeln, wenn sie mit Licht bei langsamer Steigerung bestrahlt werden.
In Deutschland leben einige Grottenolme in der Hermannshöhle im Harz bei Rübeland, die in den 1930er und 1950er Jahren in einem extra angelegten Höhlengewässer als Touristenattraktion ausgesetzt wurden. Die Art gilt international als gefährdet, obwohl es wegen der heimlichen Lebensweise keine gesicherten Bestandsdaten gibt. Die Amphibien reagieren jedoch empfindlich auf Schadstoffe, die sich im porösen Kalkgestein weit verbreiten können.
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