Grüne Gentechnik: Die nächste Generation
Als die ersten gentechnisch modifizierten Organismen (GMO) für die Landwirtschaft entwickelt wurden, "hat man uns kraftvolle Durchstarter versprochen", erzählt Anastasia Bodnar – futuristische, ultranahrhafte Gewächse, die exotische Produkte in die Supermärkte bringen und die Hungernden der Welt ernähren würden.
Bisher allerdings beschränkten sich die Vorteile der neuen Technologie vor allem auf die Agrarindustrie, sagt sie – meist in Form von Pflanzen, die herbizidresistent oder widerstandsfähiger gegen Schadinsekten gemacht wurden. So konnten Bauern die Erträge steigern und den Pestizideinsatz verringern.
Bestenfalls wurden solche Fortschritte von den normalen Konsumenten gar nicht wahrgenommen, meint Bodnar, Biotechnologin bei Biology Fortified, einer gemeinnützigen Organisation pro GMO in Middleton. Schlimmstenfalls nährte es die Wut der Gegner von gentechnischer Veränderung. Diese argumentieren, dass transgene Saaten Macht und Profit in den Händen weniger großer Konzerne bündeln, und sehen GMO als ein Paradebeispiel dafür, dass Wissenschaftler ohne Rücksicht auf Gefahren in der Natur herumpfuschten.
Dies könnte sich allerdings ändern angesichts einer neuen Generation von GM-Saaten, die nun den Weg vom Labor auf den Markt antreten. Manche dieser GMO widmen sich neuen Aufgaben: von Äpfeln, die sich nicht mehr so schnell verfärben, über "Goldenen Reis" bis hin zu leuchtend orangefarbenen und mit Nährstoffen angereicherten Bananen gegen Mangelernährung in armen Ländern.
Dank der Fortschritte in der Gentechnik ist es inzwischen möglich, hochpräzise in das Pflanzengenom einzugreifen, was weitere Nutzpflanzen einer neuen Generation hervorbringen wird. Solche Ansätze könnten es möglich machen, dass seltener Gene aus anderen Arten in Nutzpflanzen integriert werden müssen – einer der Hauptkritikpunkte seitens der Gegner. Und das wiederum könnte das öffentliche Unbehagen über gentechnisch veränderte Nahrungsmittel deutlich verringern.
Vielleicht aber auch nicht. Denn egal, was die neuen Saaten im Labor versprechen mögen, sie müssen dies erst im Anschluss in sorgfältig kontrollierten, teuren und detaillierten Feldversuchen beweisen, diverse gesetzliche Hürden überwinden und eine meist skeptische Öffentlichkeit überzeugen.
Insbesondere der letzte Punkt wird nicht einfach sein, erklärt Philip Bereano, der an der University of Washington in Seattle die politischen und sozialen Aspekte der neuen Technologien untersucht. So reiche die Bandbreite der Diskussion um GMO von Sicherheitsbedenken und Kennzeichnung bis zu ethischen Fragen rund um Patente auf Leben. "Menschen machen sich Gedanken darüber, was sie ihren Kindern zu essen geben", erklärt Bodnar. "Und das wird sich nicht ändern."
Trotzdem scheinen die meisten Gentechnik-Forscher überzeugt zu sein, dass die schlimmsten Probleme der Technologie überwunden sind und eine leuchtende Zukunft bevorsteht. Wenn man nach der Durchstartphase der GMO suche, "die ist jetzt", so Bodnar.
Die erste Generation von GMO wurde vorwiegend an Bauern vermarktet; deren Arbeit erleichtert, produktiver und profitabler werden sollte. 1996 beispielsweise führte das in St. Louis ansässige Biotech-Unternehmen Monsanto den ersten Vertreter seiner berühmten "Roundup-Ready"-Produktreihe ein: eine Sojabohnensorte, die auf Grund eines Bakteriengens das ebenfalls von Monsanto hergestellte Glyphosat-Herbizid Roundup toleriert. So konnten Bauern die Mehrzahl der unerwünschten Unkräuter mit einem einzigen Herbizid statt mit einem ganzen Cocktail abtöten, ohne dabei die angebauten Nutzpflanzen zu schädigen. Weitere genetisch modifizierte Pflanzen folgten, darunter Monsantos Bt-Baumwolle: Sie produziert ein bakterielles Toxin, das die Raupen des Baumwollkapselbohrers abschreckt und so den Bedarf an Pestiziden senkt.
Bauern werden auch weiterhin einen zentralen Markt für die nächste GMO-Generation darstellen. Bei Rothamsted Research im britischen Harpenden beispielsweise arbeiten Wissenschaftler an genetisch modifizierten Pflanzen, die noch weniger Pestizide benötigen als die Bt-Baumwolle oder womöglich gar keine mehr. Der Schlüssel zum Erfolg ist ein "Alarm-Pheromon", das manche Pflanzenarten entwickelt haben. Es imitiert das chemische Warnsignal von Blattläusen – bedeutende Schädlingen in den gemäßigten Breiten –, wenn sie attackiert werden. Mit den entsprechenden Genen ausgestatteter Weizen täuscht den Blattläusen vor, dass sie in Gefahr seien, und treibt sie so in die Flucht. Anders als die Bt-Baumwolle oder andere bestehende GM-Organismen wäre bei dieser Variante kein Insektenvernichtungsmittel mehr nötig, um die Pflanzen zu schützen.
Die ersten Feldversuche laufen, berichtet Maurice Moloney, Direktor und Geschäftsführer von Rothamsted Research. "Im Gewächshaus waren sie sehr erfolgreich", erzählt er. "Wenn sich der Ansatz auch im Freiland bewährt, können wir es so optimieren, dass daraus eine stabile Eigenschaft wird", die sich für den großflächigen Einsatz eignet. Ausgehend davon wolle das Team auch in anderen Pflanzen nach natürlichen Abwehrmechanismen suchen und herausfinden, wie sich diese verstärken oder beeinflussen lassen, um bestimmte Schädlinge zu bekämpfen. "So könnte es zum Beispiel eine flüchtige Verbindung geben, die gleichzeitig abwehrend auf Raupen verschiedener Schädlinge wirkt", hofft Moloney. "Wenn wir das umsetzen könnten, wäre die Bandbreite der Anwendungen phänomenal."
Lokale Bedenken
Viele Gentechnikforscher arbeiten an Nutzpflanzen, die von der großen Agrarindustrie ignoriert werden. Die Arbeitsgruppe von Herve Vanderschuren beispielsweise, Professor für Pflanzenbiotechnologie an der ETH Zürich, beschäftigt sich mit Maniok (Manihot esculenta), deren Wurzelknollen zu den Grundnahrungsmitteln in vielen tropischen und subtropischen Entwicklungsländern zählen. "Es gibt kein großes Bestreben, diese Pflanze zu züchten oder zu verbessern", erklärt der Forscher.
Vanderschuren und sein Team verändern den Maniok genetisch, um ihn resistent gegen zwei besonders stark schädigende Viren zu machen. Sie starten dabei mit einer Sorte, die natürlicherweise resistent gegen das Maniok-Mosaikvirus ist, und bringen darin Gene ein, die eine Resistenz gegen das Maniok-Braunfleckenvirus vermitteln. Die natürlicherweise resistente Variante wurde bereits an lokale Bedürfnisse und Märkte angepasst. Diese lokale Anpassung "ist ein sehr wichtiger Teil unserer Forschungsarbeit hier", beschreibt Vanderschuren. Von großen Agrarfirmen, die ihre Produkte weltweit verkaufen wollen, wird dieser Aspekt nur selten berücksichtigt. Vanderschuren und sein Team haben die Pflanzen erfolgreich gezüchtet und arbeiten nun mit Kollegen in Afrika zusammen, um dort in Freisetzungsversuchen zu überprüfen, ob sich ihre Modellpflanzen vor Ort bewähren.
Ein großer Teil der Forschung an Pflanzen aus Entwicklungsländern konzentriert sich auf einen erhöhten Nährstoffgehalt. Das bekannteste Beispiel ist der "Goldene Reis", eine modifizierte Form des weltweit bedeutenden Grundnahrungsmittels. Die gelbe Schattierung stammt von zusätzlichem Betacarotin, einem Vorläufer des Vitamin A, das in der ostasiatischen Küche häufig unterrepräsentiert ist. Nach aufwändiger Entwicklung und vielen Bedenken von GMO-Gegnern – die Originalversion des Goldenen Reises wurde im Jahr 2000 vorgestellt – wird die Pflanze derzeit auf den Philippinen im Freiland getestet. Wenn auch die letzten Hürden der Zulassung überwunden sind, könnte er im Jahr 2014 auf den Markt kommen.
Andere folgen ihm auf dem Fuße. James Dale, Direktor des Centre for Tropical Crops and Biocommodities an der Queensland University of Technology in Brisbane zum Beispiel versucht, Bananen resistent gegen die Panama-Krankheit zu machen, bei der ein Pilz die Pflanzen zum Welken bringt. Er möchte außerdem ihren Gehalt an Betacarotin und anderen Nähr- und Spurenstoffen wie Eisen erhöhen. In Uganda und vielen anderen Regionen Afrikas sei "der Mangel an Mikronährstoffen wirklich sehr groß", erklärt der Forscher, und Banane zähle zu den Grundnahrungsmitteln. In Australien gab es bereits Freilandexperimente.
Doch obwohl die nächste GMO-Generation sich wieder hauptsächlich an Bauern richtet, so zielen manche schon auf den nächsten Schritt im Prozess: die industrielle Lebensmittelverarbeitung. Chris Dardick, Pflanzenmolekularbiologe an der Appalachian Fruit Research Station des US Agricultural Research Service in Kearneysville in West Virginia, erklärt beispielsweise, dass es sehr schwer ist, Pflaumen industriell zu verarbeiten, weil beim Entfernen der harten Kerne Rückstände bleiben. Dardick und seine Team experimentieren nun mit einer konventionell angebauten Pflaumensorte, die überwiegend keinen Stein enthält, um so eine Frucht zu erzeugen, die immer steinlos ist. "Unsere größte Sorge war, wie die Industrie und die Konsumenten das aufnehmen", erzählt er. "Das Feedback war aber recht positiv."
Und dann sind da noch jene GMO, die direkt den Endverbraucher ansprechen sollen. Einer der Ersten wird der "Arctic Apple" sein, der sich nach dem Anbeißen oder Anschneiden nicht sofort braun verfärbt. Dahinter steckt das Einschleusen von Genen aus anderen Apfelsorten, die eine unterdurchschnittliche Menge an Polyphenoloxidase produzieren, einem Schlüsselenzym in dem biochemischen Prozess, der zur Verfärbung des Fruchtfleisches führt.
"Meine Frau und ich bauen selbst Äpfel an", erzählt Neal Carter, Präsident von Okanagan Specialty Fruits in Summerland in British Columbia und Entwickler des "Arctic Apple". "Wir waren angesichts des zurückgehenden Apfelkonsums besorgt." Denn die Kunden in Supermärkten griffen statt zu Äpfeln immer häufiger zu Karotten und anderen frischen Produkten, die abgepackt und essfertig verkauft werden. Eine Apfelsorte, die sich in ähnlicher Weise verarbeiten ließe, könnte daher ein Segen für die Lebensmittelindustrie sein, so Carter. Und wenn sie gut bei den Verbrauchern ankäme, seien entsprechende Avocados, Birnen oder gar Salat die nächsten Kandidaten.
Fortschrittliche Techniken
Die bisherigen Erfolge wurden mit etablierten, aber vergleichsweise groben Methoden erreicht: Genkanonen beispielsweise, die mit Fremd-DNA besetzte Goldnanopartikel in die Zielzellen schießen, die daraufhin die DNA an zufälliger Stelle in ihr Erbgut einbauen. Neue Techniken erlauben hingegen eine viel größere Präzision. Enzyme wie die Transcription-Activator-like-Effector-Nukleasen, kurz TALENs, oder Zinkfinger-Nukleasen (ZFNs) schneiden die DNA gezielt an Stellen, die der Experimentator zuvor ausgewählt hat. Über die Kontrolle, wie dieser Bruch repariert wird, können Mutationen oder ganze Gene eingefügt oder einzelne Nukleotide ausgetauscht werden, erklärt Dan Voytas, der mit solchen Techniken an der University of Minnesota in St. Paul arbeitet. "Wir können so präzise einschleusen, dass wir genau wissen, wo das fremde Gen im Chromosom sitzt."
Das erlaubt den Forschern, das neue Gen an einem Ort im Genom zu platzieren, wo es optimal abgelesen wird und keine unerwünschten Schäden anrichtet. Voytas' Team hat bereits mittels ZFNs Tabakpflanzen so modifiziert, dass sie herbizidresistent sind [1]. Andere Arbeitsgruppen nutzten ZFNs, um Mais herbizidresistent zu machen [2], oder schnitten mit TALENs ein Gen in Reis aus, das ihn anfällig für Mehltau macht [3].
Voytas sieht das Hauptpotenzial der neuen Methoden aber darin, durch die Veränderung der pflanzeneigenen Gene neue Eigenschaften zu schaffen. Statt beispielsweise Pflanzen mit Hilfe von Genen trockenheitstoleranter Bakterien unempfindlicher gegen Dürrezeiten zu machen, könnten Forscher die vielen pflanzeneigenen Gene anpassen, die natürlicherweise bei solch ungünstigen Bedingungen aktiv werden. "Der nächste Schritt wird sein, gezielt Gene zu optimieren", meint Voytas.
Auch Derek Jantz, Mitbegründer der US-amerikanischen Biotech-Firma Precision BioSciences in Durham, begeistert sich für die Arbeit mit pflanzeneigenen Genen. So weisen beispielsweise alle Pflanzen ein Analogon des bakteriellen EPSPS-Gens auf, das in Monsantos "Roundup-Ready"-Saaten eingeschleust wurde. Es sollte also möglich sein, eine ähnliche Herbizidresistenz durch Verändern dieses Gens zu erreichen, statt dafür Fremdgene einzubauen [4].
Wie andere Kollegen in der GMO-Industrie auch möchte sich Jantz nicht zu konkreten Projekten äußern: Geschäftsgeheimnisse. Generell betrachtet, so erklärt er aber, "versuchen wir, die umfangreichen Daten aus der funktionellen Genomik für uns zu nutzen".
Schnellzucht
Manche Forscher nutzen genetische Modifikationen, um den konventionellen Züchtungsprozess zu beschleunigen. Die Arbeitsgruppe um Ralph Scorza an der Appalachian Fruit Research Station hat Pflaumen genetisch verändert. Die modifizierten Bäume können nur im Gewächshaus überleben. Dank einem aus Pappeln eingeschleusten Gen beginnen sie aber in ihrem Leben viel früher zu blühen als konventionelle Sorten, und hören dann nicht mehr auf. So können Forscher die Bäume das ganze Jahr nutzen, um mittels Selektion, Kreuzung und anderen traditionellen Techniken Eigenschaften wie Krankheitsresistenz in wenigen Jahren zu züchten. Ohne den gentechnischen Eingriff dauert ein solcher Prozess ein Jahrzehnt und mehr. Wenn die gewünschten Eigenschaften dann etabliert sind, können die Transgene für den Blühprozess wieder herausgezüchtet werden. Übrig bleibt eine modifizierte Pflanze, die aber kein GMO mehr ist. Scorza und seine Kollegen nutzen diese "FasTrack"-Züchtungsstrategie, um eine Resistenz gegen das Plum-Pox- oder Scharka-Virus zu entwickeln und um den Zuckergehalt der Früchte zu steigern. Andere Forscher nutzen die Methode unter anderem an Zitruspflanzen.
US-Behörden haben bereits vorgeschlagen, dass solche mit den neuen Methoden modifizierten Pflanzen, die keine DNA von anderen Organismen mehr enthalten, auch anders zu behandeln sind als klassische GMO. Sie könnten auch die Bedenken der Öffentlichkeit mindern. "Hoffentlich können wir wenigstens manche Widerstände gegen genetische Modifikationen überwinden", sagt Alan McHughen, Molekulargenetiker an der University of California in Riverside.
Überdies wird man GMO wohl nicht stoppen können, meint Bodnar. Gentechnische Verfahren sind inzwischen leicht anzuwenden. "Biohacker" können bereits in der Garage oder im Abstellraum Bakterien genetisch manipulieren, und nichts wird sie davon abhalten, ihre Kenntnisse zukünftig auch auf Pflanzen oder Tiere auszudehnen.
"Es wird immer einfacher. Ich denke, die Menschen hungern regelrecht nach so etwas", erklärt Bodnar. "Die Durchstarter, die jeder haben wollte – ich denke, ihre Zeit ist da. Wenn der Markt das nicht von oben anbietet, wird es von unten kommen."
Der Artikel erschien unter dem Titel "Transgenics: A new breed" in Nature 497, S. 27–29, 2013.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.