Direkt zum Inhalt

Top-Innovationen 2020: Zement lässt sich auch klimafreundlich produzieren

Die Betonindustrie hat einen großen Anteil an den globalen CO2-Emissionen. Mit Abfall und Bakterien versuchen Unternehmen nun, daraus ein klimafreundliches Baumaterial zu machen.
Grüne Baustoffe

Das meistgenutzte von Menschenhand geschaffene Material ist Beton, der Baustoff weiter Teile der von uns gebauten Welt. Wie stark seine Herstellung den Klimawandel fördert, wird gerne unterschätzt: Während der Produktion von Zement, einem der Grundbestandteile von Beton, entsteht eine beträchtliche Menge der vom Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen. Bis zu acht Prozent der weltweit ausgestoßenen Gesamtmenge des Treibhausgases, wie der Londoner ThinkTank Chatham House schätzt.

Würde man die Zementproduktion mit einem Land gleichsetzen, so wäre dieses der drittgrößte Emittent nach China und den USA. Derzeit werden jährlich vier Milliarden Tonnen Zement hergestellt. Und auf Grund der zunehmenden Urbanisierung wird diese Zahl in den kommenden drei Jahrzehnten voraussichtlich auf fünf Milliarden Tonnen ansteigen, sagt Chatham House.

Die spannendsten Technikinnovationen des Jahres 2020

Welche technischen Fortschritte haben das Potenzial, das Gesundheitswesen, ganze Industriezweige oder gar Gesellschaften in drei bis fünf Jahren zu revolutionieren? Die zehn besten aus 75 nominierten »Innovationen des Jahres 2020« hat ein Team aus Fachleuten gewählt, einberufen vom Weltwirtschaftsforum sowie vom US-Wissenschaftsmagazin »Scientific American«.

Wir stellen die Top-10 in den letzten zwei Wochen des Jahres vor:

Der Hauptgrund für die Emissionen aus der Zementherstellung sind die fossilen Brennstoffe, mit denen die nötige Wärme erzeugt wird. Der chemische Prozess verursacht darüber hinaus selbst eine Menge Treibhausgase, wenn der Kalkstein im Brennofen in Klinker umgewandelt wird. Dieser wird anschließend gemahlen und mit anderen Materialien zu Zement kombiniert.

Die Zementindustrie bewegt sich

Die Bauindustrie ist aus vielen Gründen eigentlich ziemlich resistent gegen Veränderungen. Doch das könnte sich ändern, denn die Forderung, ihren Beitrag zum Klimawandel zu verringern, setzt diese Branche unter Druck. Im Jahr 2018 verkündete die Global Cement and Concrete Association, die etwa 30 Prozent der weltweiten Zementproduktion repräsentiert, die ersten Nachhaltigkeitsrichtlinien in der Branche. Darin legte die Organisation fest, dass Werte zu Emissionen oder dem Wasserverbrauch verfolgt und offengelegt werden sollten, um sie transparenter zu machen und Verbesserungen in der Produktion aufzuzeigen.

Inzwischen gibt es zahlreiche kohlenstoffärmere Ansätze, von denen sich einige bereits in der Praxis bewährt haben: So setzt das Start-up Solidia im US-amerikanischen Piscataway ein von der Rutgers University lizenziertes chemisches Verfahren ein, bei dem 30 Prozent weniger Kohlendioxid freigesetzt werden, als es normalerweise bei der Herstellung von Zement der Fall ist. Das Verfahren verwendet mehr Ton, weniger Kalkstein und weniger Hitze als üblich. CarbonCure in Dartmouth, ebenfalls USA, speichert Kohlendioxid, das bei anderen industriellen Prozessen angefallen ist, durch Mineralisierung im Beton, anstatt es als Nebenprodukt in die Atmosphäre freizusetzen.

Das im kanadischen Montreal ansässige Unternehmen CarbiCrete lässt den Zement in seinem Beton derweil ganz weg und ersetzt ihn durch ein Nebenprodukt der Stahlherstellung, die Stahlschlacke. Und Norcem, ein bedeutender Zementproduzent in Norwegen, hat sich zum Ziel gesetzt, eines seiner Werke in die erste emissionsfreie Zementfabrik der Welt zu verwandeln. Die Anlage nutzt bereits alternative Brennstoffe aus Abfällen und beabsichtigt, Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung anzuwenden, um die Emissionen bis 2030 vollständig zu beseitigen.

Darüber hinaus gibt es weitere Ansätze mit großem Potenzial. So haben Forscher und Forscherinnen etwa Bakterien in Zementzubereitungen eingearbeitet, damit diese Kohlendioxid aus der Luft absorbieren. Zu den Start-ups, die dieses Konzept der »lebenden« Baustoffe verfolgen, gehört BioMason in den USA, das zementähnliche Ziegel mit der Hilfe von Bakterien und Partikeln züchtet, dem »aggregate«.

Ein anderes Projekt wurde von der DARPA finanziert, einer Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums, und im Februar 2020 in der Fachzeitschrift »Matter« veröffentlicht. Wissenschaftler von der University of Colorado in Boulder nutzten dabei Zyanobakterien, um kohlenstoffärmeren, sich selbst heilenden Beton herzustellen. Sie fügten die Bakterien einem Gerüst aus Sand und Hydrogel zu, um Ziegel herzustellen, die Risse bis zu einem gewissen Grad selbst reparieren können.

Solche Ziegel können den Zement oder Beton zwar nicht in allen Anwendungen ersetzen. In leichten, tragenden Materialien aber, wie sie beispielsweise als Pflastersteine, an Fassaden oder temporären Bauten verwendet werden, wäre das irgendwann möglich.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.