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News: Gut geschnarrt ist halb gepaart

In dem, was Männchen von sich geben, steckt oft mehr Information, als es zunächst den Anschein hat, wissen Nachtigallgrashüpfer-Weibchen. Denn die feinen Unterschiede im Gesang ihrer Männchen helfen ihnen möglicherweise, die richtige Partnerwahl zu treffen.
<i>Chortippus biguttulus</i>
Nachtigallgrashüpfer-Weibchen sollten sich genau überlegen, wann sie Laut von sich geben. Denn auf ihren Antwort-Gesang nähert sich langsam aber sicher ein paarungsbereites Männchen. Da sollte sich ein Heuschrecken-Weibchen schon sicher sein, dass ihm das "richtige" Männchen entgegenhüpft und es nicht plötzlich einem paarungsbereiten genetischen Fehlprogramm gegenübersteht.

Denn auch bei Heuschrecken gehen die Interessen von Männchen und Weibchen auseinander, wenn es um die Zeugung von Nachkommen geht. Ist das Männchen lediglich daran interessiert, sich mit möglichst vielen Weibchen zu paaren, so sind die Weibchen weitaus wählerischer, wenn es um den Vater ihrer zukünftigen Kinder geht. Schließlich wollen sie ihre wenigen aber mit hohen Kosten produzierten weiblichen Eizellen nicht auf das falsche Pferd setzen und wertvolles Erbmaterial verschleudern. Fehlverpaarung vermeiden, heißt also die Devise für die weiblichen Grashüpfer, oder einfach "sexuelle Selektion". Aber wie könnte ein Weibchen im Vorfeld entscheiden, ob es sich lohnt, auf den männlichen Gesang zu antworten?

Es hört einfach genau hin. Denn die Weibchen der Nachtigallgrashüpfer (Chorthippus biguttulus ) sind in der Lage, die verschiedenen Bewerber anhand ihres Gesanges zu unterscheiden, entdeckten jetzt Wissenschaftler der Humboldt-Universität in Berlin.

Die Forscher um Bernd Ronacher und Andreas Herz wollten genauer wissen, was in "besungenen" Grashüpfer-Weibchen vor sich geht. Dazu führten sie den Weibchen die Gesänge verschiedener Männchen vor und ermittelten, wie die Nervenzellen der Zuhörerinnen antworteten, die für die Verarbeitung der akustischen Signale verantwortlich sind. Anhand der unterschiedlichen Antwortmuster konnten sie ablesen, ob ein Weibchen den Lockruf des einen Männchens tatsächlich von dem eines anderen unterscheiden konnte.

Zum Erstaunen der Neurobiologen waren die weiblichen Heuschrecken bereits nach wenigen Hundert Millisekunden in der Lage, die Gesänge verschiedener Männchen nahezu perfekt zu unterscheiden. Mit künstlich erzeugten Lockrufen versuchten die Wissenschaftler daraufhin herauszufinden, welche Struktur innerhalb des Gesangsmusters für die entscheidenden Unterschiede verantwortlich ist.

Weder die Tonhöhe der Lock-Gesänge, noch die Länge der Silben, aus denen der Grashüpfer-Gesang besteht, schien dabei für die Weibchen eine Rolle zu spielen, um die männlichen Lockrufe auseinander zu halten. Sie orientierten sich vielmehr an der zeitlichen Abfolge der einzelnen Signale, welche die Männchen durch Hinterbeinschläge an beiden Vorderflügeln erzeugen.

Die Länge der Gesangs-Silben, so vermuten die Wissenschaftler, ist für die Weibchen deshalb uninteressant, weil sie von dem Stoffwechsel der Männchen beeinflusst wird. Bei den Grashüpfern handelt es sich um wechselwarme Tiere, die ihre Körpertemperatur und ihren Stoffwechsel durch Sonnenbäder erhöhen. "Die Länge der Gesangs-Silben würde einem Weibchen demnach vor allem nur mitteilen, ob ein Männchen in der Sonne sitzt, oder nicht." erklärt Andreas Herz. Auch die Tonhöhe enthielte vermutlich keine wertvollen Informationen für das Weibchen, weil das Frequenzspektrum schon durch Grashalme auf der Wiese verändert würde, bis es das Hörorgan in den Vorderbeinen der Weibchen erreicht.

Mit dem feinen Gehör der Weibchen glauben die Forscher einen Mechanismus gefunden zu haben, mit dem Grashüpfer möglicherweise sexuelle Selektion betreiben. Denn die weiblichen Nachtigallgrashüpfer können so nicht nur verschiedene Männchen auseinander halten, sondern wahrscheinlich auch genetische Defekte aus deren Gesängen heraushören.

Ein Männchen mit verkrüppelten Beinen ist beispielsweise nicht mehr in der Lage, das übliche "korrekte" Gesangsmuster zu erzeugen: Sein linkes und rechtes Hinterbein streichen die Flügel verschieden stark an und erzeugen so Lücken im Lockruf. Ein solches Männchen wartet häufig vergebens auf die Antwort der wählerischen Weibchen. Welche neurobiologischen Prozesse dafür verantwortlich sind, wollen die Forscher in Zukunft herausfinden.

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