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Schwarze Löcher besitzen die perfekte Tarnung. Wie soll man sie auch sehen, wenn ihnen kein Lichtstrahl entkommen kann? Es sei denn, ein Stern lässt noch einmal einen Todesschrei im Röntgenlicht los, bevor es ihn zerreißt und er auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
Schwarzes Loch
Wie häufig sind Schwarze Löcher in den Kernen von Galaxien? Welche Masse und welchen Drehimpuls haben sie? Haben sich Galaxien und Schwarze Löcher gleichzeitig gebildet? Wie wachsen Schwarze Löcher zu ihrer teils enormen Masse von Millionen oder gar Milliarden Sonnenmassen heran? Fragen über Fragen, die von großer Wichtigkeit sind, will man denn die Entstehung und Entwicklung von Galaxien verstehen.

Die meisten Astronomen sind inzwischen sicher, dass eine kleine, spezielle Gruppe von Galaxien, die so genannten "aktiven Galaxien" oder Quasare, die sich durch einen dauerhaft leuchtkräftigen Kern auszeichnen, von zentralen Schwarzen Löchern angetrieben werden. Doch neben der kleinen Zahl aktiver Galaxien stellt sich die Frage, ob es Schwarze Löcher auch in den Kernen der meisten oder gar aller anderen Galaxien gibt.

Doch wie könnte man diese Schwarzen Löcher in den Zentren ferner Galaxien nachweisen? Der britische Astrophysiker Sir Martin Rees vermutete in seinen Arbeiten, dass man prinzipiell beobachten kann, wie einzelne Sterne im Zentrum einer Galaxie dem Schwarzen Loch zu nahe kommen und durch seine enormen Gezeitenkräfte schließlich zerrissen und nach und nach von diesem verschlungen werden. Bislang blieb dieser recht direkte Nachweis eines Schwarzen Lochs jedoch aus.

Dabei hatten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching bereits im Jahr 1992 mit dem Röntgensatelliten ROSAT eine ungewöhnliche Quelle von Röntgenstrahlung in dem Sternsystem RXJ1242-1119 entdeckt. Im Vergleich zu ihren Eigenschaften im sichtbaren Licht – es schien sich um eine "ganz normale" Galaxie zu handeln – war sie im Röntgenlicht viel zu hell und zeigte zudem höchst seltsame Eigenschaften.

Um dem Rätsel dieses Objektes auf die Spur zu kommen, haben die Garchinger Forscher diese Galaxie erneut mit drei der leistungsstärksten Observatorien im Erdorbit, dem Hubble Space Telescope, dem NASA-Satelliten Chandra und dem ESA-Satelliten XMM-Newton, beobachtet. Mit Chandra ließ sich so die Position der Quelle sehr genau festlegen – mit ROSAT war man seinerzeit nur in der Lage, eine grobe Himmelsposition des Strahlungsausbruchs zu ermitteln. Nun konnten die Forscher bestätigen, dass der ungewöhnliche Strahlungsausbruch (Röntgen-Flare) tatsächlich aus der beobachteten Galaxie kam – genauer: aus ihrem Kernbereich.

Mit XMM-Newton nahmen die Wissenschaftler das Spektrum des Nachglühens auf. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Art diagnostische Temperatur-Messung: Ähnlich wie ein Arzt bei einem Patienten wiederholt die Temperatur kontrolliert, um zu einer Diagnose zu kommen, messen die Astronomen die "Röntgentemperatur" im Kern einer Galaxie, um herauszufinden, was in ihr tatsächlich vor sich geht.

Das Weltraumteleskop Hubble bestätigte schließlich, dass es sich wirklich um eine im sichtbaren Licht eher unscheinbare Galaxie handelt, die sonst keine auffälligen Merkmale zeigt. Alles in allem fanden die Forscher heraus, dass die Helligkeit der Galaxie seit der ersten Beobachtung dramatisch – um den Faktor 200 – abgesunken war, dass die helle Strahlung tatsächlich aus ihrem Kern stammte und dass ihr Kern immer noch nicht ganz vom Röntgenhimmel verschwunden war – er strahlt immer noch heller als eine normale Galaxie.

Für all diese Beobachtungen gibt es eigentlich nur eine plausible Erklärung: Ein Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie setzt die ungeheuer großen Energiemengen frei, offenbar weil ihm ein Stern zu nahe gekommen und den starken Gezeitenkräften ausgesetzt war. Dadurch deformierte sich der Stern zunächst stark, bis er schließlich völlig zerrissen wurde. In einer Art riesigem Strudel hat sich das Schwarze Loch dann einen Großteil der stellaren Trümmer nach und nach einverleibt. Beim Einströmen in das Schwarze Loch heizten sich die stellaren Überreste so stark auf, dass schließlich intensive Röntgenstrahlung erzeugt wurde, die selbst von Röntgenobservatorien im Erdorbit nachzuweisen sind.

Um die Leuchtkraft im Maximum eines solchen Strahlungsausbruches aufrecht zu erhalten, muss das Schwarze Loch etwa alle zehn Minuten eine Materiemenge von der Größenordnung einer Erdmasse verschluckt haben, schätzt Stefanie Komossa, eine an der Entdeckung beteiligte Wissenschaftlerin. Die dabei insgesamt freigesetzte Energie ist mit 1044 Wattsekunden unvorstellbar groß.

Würde ein solches Ereignis in unserer Milchstraße stattfinden, wäre ihr Zentrum im Röntgenlicht vorübergehend hundert Milliarden Mal leuchtkräftiger. Hätten wir zudem einen unverhüllten Blick auf das galaktische Zentrum, würde dieses – im Röntgenlicht – am Himmel vorübergehend fast so hell strahlen wie unsere Sonne. XMM-Newton und Chandra würden erblinden, wenn sie ihre "Augen" in diesem Moment direkt in Richtung der Quelle gerichtet hätten.

Doch welche Bedeutung hat die Beobachtung der Astronomen? Nun, neben dem vergleichsweise direkten und sicheren Nachweis eines Schwarzen Lochs, spiegelt die dabei ausgesandte hochenergetische Röntgenstrahlung die Bedingungen in der unmittelbaren Nähe von Schwarzen Löchern wider. Sie gibt somit auch Hinweise auf Masse und Drehimpuls und damit auf die Entstehung und Entwicklung dieser kosmischen Mahlströme.

Ferner gilt das Einfangen und Zerreißen von Sternen durch Schwarze Löcher – neben der Akkretion von Gas sowie der Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern – als einer der drei Hauptmechanismen, die nach heutiger Kenntnis zum Wachstum Schwarzer Löcher beitragen. Eine genauere Kenntnis dieses Prozesses könnte auch eine wichtige Rolle beim Verständnis eines der bedeutendsten Gesetze für Galaxien spielen – der Kopplung zwischen der Zentralmasse und der Geschwindigkeitsverteilung der sie umgebenden Sterne.

Im Rahmen künftiger Röntgen-Himmelsdurchmusterungen, wie beispielsweise mit der geplanten Mission DUO, sollen weitere solche Strahlungsausbrüche im All ausgemacht werden. So erwarten die Wissenschaftler, dass sich in den Röntgenspektren auch Folgen der Präzession, des Herumwirbelns der stellaren Trümmer im starken Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs, wieder finden lassen – ganz so, wie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt.

Zudem erleuchten intensive Strahlungsblitze vorübergehend das Material rund um ein Schwarzes Loch, das sonst im Dunkeln liegt, und machen es in einem gigantischen Lichtecho sichtbar. Ähnlich wie sich ein im Dunkeln Verirrter orientieren kann, wenn seine Umgebung vorübergehend durch einen Blitz aufgehellt wird, könnte ein solches Lichtecho den Astronomen wichtige Informationen über die Bedingungen in den Kernbereichen fremder Galaxien liefern – viele Ergebnisse also, die uns die Todesschreie ferner Sterne noch liefern können.

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