H5N1: Vogelgrippevirus passt sich zunehmend Meeressäugern an
Spätestens seit 2020 breitet sich eine hochpathogene Form des Vogelgrippevirus H5N1 über die Erde aus. Seit Ende 2022 wird sie in Südamerika nachgewiesen, wo sie wie zuvor in Nordamerika und Europa Millionen Seevögel getötet hat. Gleichzeitig verendeten auch zehntausende Meeressäuger an der Seuche; in verschiedenen Seeelefantenkolonien Argentiniens starben 2023 zwischen 70 und 96 Prozent der Jungtiere, die in dieser Saison geboren worden waren. Eine Studie von Marcela Uhart von der University of California in Davis und ihrem Team zeigt, dass Mutationen im Genom des Virus den Sprung von Vögeln zu Meeressäugern und zurück erleichtern und so die Ausbreitung begünstigen.
Für seine Arbeit entnahm das Team Gewebeproben aus dem Gehirn ebenfalls verendeter Seelöwen und Pelzrobben sowie einer Seeschwalbe, die in der am stärksten betroffenen Seelöwenkolonie in Argentinien tot aufgefunden wurde. Sämtliche Testergebnisse waren positiv auf das H5N1-Virus. Die Genomsequenzierung ergab, dass das Virus in allen Proben nahezu identisch war. Sie wiesen dieselben Mutationen auf, die zuvor bei Viren in einigen Seelöwen in Peru und Chile sowie bei einem Menschen in Chile festgestellt worden waren. Allerdings bildete die Seeschwalbe den ersten Fall eines Vogels, bei dem das Virus ebenfalls diese Mutationen besaß: Die Anpassungen erleichtern es dem Erreger, Säugetiere zu befallen. Es handle sich um einen Multi-Arten-Ausbruch, der klassenübergreifend Tiere infiziert, schreiben die Forscher.
Die nachgewiesenen Viren gehören zur Klade 2.3.4.4b von H5N1, die die Wissenschaftler das »Monster« nennen, weil sie für sehr viele Seevögel und inzwischen auch für Robben tödlich ist. Mindestens neun Mutationen des Virus sorgten inzwischen für eine bessere Anpassung an Meeressäuger und die Ausbreitung zwischen ihnen. Insbesondere die beiden Mutationen namens Q591K und D701N in der Polymerase-Basis 2 des Virus scheinen die erhöhte Sterblichkeit bei den Säugern auszulösen.
»Dieses Virus stellt immer noch ein relativ geringes Risiko für den Menschen dar«, sagte Uhart. »Solange sich das Virus jedoch weiterhin in Säugetieren repliziert, kann es für den Menschen ein größeres Problem darstellen. Deshalb ist es so wichtig, es zu überwachen und eine Frühwarnung herauszugeben.« Für Wildtiere bedeutet diese Variante von H5N1 dagegen bereits eine Katastrophe: Mittlerweile sind mehr als 400 Vogelarten betroffen; manche davon haben bedrohliche Bestandseinbrüche erlitten – und das Virus breitet sich weiter aus: Anfang 2024 galten nur noch das antarktische Festland und Australien als H5N1-frei. Es ist allerdings wohl nur eine Frage der Zeit, bis es diese beiden Regionen mit ihren teils riesigen Seevogelkolonien erreicht.
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