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Artenschutz: Haarige Geschichte

Elefanten des Samburu Nationalparks in Kenia mussten in den letzten Jahren einige Haare lassen. Forscher der Universität von Utah haben sie analysiert - um so zur Sicherheit der Tiere beizutragen.
Der Schwanz eines Elefanten verrät viel über seine Lebensgewohnheiten
Der Elefantenbulle Lewis ist ein Feinschmecker. Anders als die meisten seiner Artgenossen begnügt er sich nicht mit schnöden Büschen und Bäumen. Sein sensibler Gaumen sehnt sich nach mehr – nach saftigem, goldgelbem Getreide etwa. Die akkuraten Felder kenianischer Bauern, auf denen sich die wogenden Ähren sanft dem hungrigen Rüssel entgegenstrecken, sind für Lewis daher ein gefundenes Fressen.

Die Bauern jedoch sind von der kulinarischen Vorliebe von Lewis und manch anderer Elefanten wenig begeistert. Und so häufen sich die Meldungen von tierisch-menschlichen Zwischenfällen, in deren Folge die meisten Dickhäuter ultimativ gezwungen werden, vom begehrten Gut abzulassen – indem rabiate Pflanzenschützer sie vollends ins Gras beißen lassen.

Diese Entwicklung macht Tierschützern zunehmend Sorgen. "Wenn Elefanten umherwandern, dann aus einem von drei Gründen: Sie sorgen sich um ihre Sicherheit, sie wollen Sex oder sie suchen nach Nahrung", erklärt der Zoologe Ian Douglas-Hamilton das Verhalten der grauen Riesen. Weil die Reservate der Tiere zu klein seien und die afrikanische Bevölkerung zunehme, gerieten die Dickhäuter gerade bei ihrem grundlegendsten Bedürfnis, der Nahrungssuche, immer häufiger in bewohnte und bewirtschaftete Gebiete – mit den bekannten fatalen Folgen.

Elefanten im kenianischen Samburu-Nationalpark | Die meisten Elefanten begnügen sich in der Trockenzeit mit Busch und Strauch. Manch einer ist aber auf andere Leckereien aus.
Um das Verhalten der Elefanten besser abschätzen zu können, untersuchten Wissenschaftler der Universität von Utah in Zusammenarbeit mit Douglas-Hamilton aus diesem Grund über zwei Jahre hinweg die Lebens- und vor allem Fressgewohnheiten von sieben Dickhäutern des Samburu Nationalparks in Kenia.

Dazu entnahmen sie den für diese Operation betäubten Tieren in regelmäßigen Abständen Proben aus den buschigen Schwanzhaaren. In diesen suchten sie dann nach stabilen Isotopen, bestimmten Varianten chemischer Elemente, die durch den Zerfall radioaktiver Atome entstehen. Diese Elementvarianten sammeln sich in charakteristischer Menge in der lebenden und unbelebten Umwelt.

Isotopen-Analysen wurde in der Vergangenheit schon häufig eingesetzt – allerdings vor anderem Hintergrund. Man kennt sie bislang vor allem als Methode, um den Konsum illegaler Drogen nachzuweisen. Auch der Ursprung gefälschter Banknoten oder gefährlicher Biowaffen wie etwa Spuren der Anthrax-Bakterien wurde hiermit schon aufgeklärt.

Doch auch zur Ermittlung der Nahrungsgewohnheiten von Elefanten ist die Isotop-Analyse bestens geeignet. Denn je nach Umweltbedingungen speichern etwa Pflanzen verschiedene Formen von Stick- oder Kohlenstoff ab. Diese wiederum finden sich auch im Haar des Elefantenschwanzes wider, wenn die Pflanzen auf seinem Speiseplan standen. Die Zusammensetzung der Stickstoffe im Haar des Dickhäuters geben daher Auskunft darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt das Tier Pflanzen aus trockenen oder aus feuchteren Regionen verspeiste.

Doch auch über die Art der vernaschten Pflanzen geben Isotope Auskunft: Die Verhältnisse von Kohlenstoff-13 zu Kohlenstoff-12 etwa lassen auf zwei unterschiedliche Pflanzengruppen schließen: Gewächse, die eine C4-Fotosynthese zur Energiegewinnung nutzen, wie etwa tropische Gräser, Getreide und Hirse, haben im Gegensatz zu den C3-Pflanzen einen hohen Anteil von Kohlenstoff-13.

Auf diese Weise gelang es den Forschern, die Nahrungsgewohnheiten der Elefanten grob einzugrenzen. Um ihre Daten zu verfeinern, nutzten die Wissenschaftler zudem GPS-Sender, mit denen sie die Versuchstiere bestückten. So konnten sie die Gegenden, in denen sich die Tiere aufhielten, mit den Isotop-Analysen vergleichen und noch genauere Rückschlüsse auf deren Fressverhalten gewinnen.

Sechs der Tiere zeigten sich bei ihrer Nahrungsaufnahme recht genügsam. War es trocken, begnügten sie sich mit Büschen und Bäumen. Dies erkannten Cerling und seine Kollegen an dem niedrigen Gehalt von Kohlenstoff-13 im Haarabschnitt der entsprechenden Zeitspanne. In den Haarabschnitten aus der Regenzeit hingegen stieg auch die Anzahl der Kohlenstoff-13-Isotope – die Tiere hatten sich die die frisch gewachsenen Gräser schmecken lassen.

Einzig Bulle Lewis tanzte aus der Reihe. Anders als seine Herdengenossen blieb er während der Trockenzeit nicht im Ödland, sondern wanderte 40 Kilometer weit zum Imenti-Wald. Von dort aus startete er dann nächtliche Fressorgien in bäuerliche Getreidefelder. Zoologe Douglas-Hamilton erklärt sich das Verhalten mit den sexuellen Bedürfnissen des Tieres: Um als Bulle im sexuellen Wettbewerb bestehen zu können, habe Lewis hochwertige Nahrung gebraucht. Und diese bekam er während der Trockenzeit nur durch seine Raubzüge in die Getreidefelder der Menschen.

Für Lewis hat sich der Einsatz jedoch nicht gelohnt. Er wurde 2003 erschossen – wahrscheinlich nach einem seiner nächtlichen Streifzüge. Um solchen Vorfällen in Zukunft zuvor zu kommen, sei es wichtig, genau herauszufinden, wie viel ihrer Ernährung die Elefanten mit geklautem Getreide bestreiten, erläutert Douglas-Hamilton. Nur so könne man die Reservate den Ernährungsbedürfnissen der Tiere anpassen und so die tödlichen Konflikte zwischen Elefant und Mensch verhindern.

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