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Zellbiologie: Haarnadeln für den Schalter

Woher weiß ein Organismus, wann er wieviel von welchem Protein herstellen muss? Ausgefuchste Regelungsmechanismen sind für die Kontrolle der Proteinbiosynthese zuständig - und längst nicht alle sind schon genau genug erforscht.
Den biologischen Regler namens "Riboschalter" gibt es in Zellen wahrscheinlich schon seit Anbeginn der Erfolgsgeschichte "Zelle" – der Fachwelt bekannt und von ihr getauft ist er aber erst seit wenigen Jahren. Riboschalter dienen als eine Art Abstellknopf für die Herstellung bestimmter Proteine. Und vielleicht, so schon bald die Hoffnung der Forschung nach ihrer Entdeckung, kann dieser Knopf einmal genutzt werden, um das gesundheitsschädliche Tun bestimmter Krankheitserreger auszuknipsen – wenn es gelingt Wirkstoffe zu finden, die an die Schalter von Pathogenen binden und so die Biosynthese lebenswichtiger Proteine von Bakterien, Pilzen und Konsorten verhindert.

Bis dahin ist es ein noch weiter Weg, der allerdings gerade ein klein wenig kürzer geworden ist – einem interdisziplinären Team um Michael Famulok von der Universität Bonn sei dank. Den Forschern gelang es, Moleküle herzustellen, die in der Lage sind, zwischen Riboschaltern im An- und im Aus-Zustand zu unterscheiden.

Um ein bestimmtes Protein herzustellen, zieht eine Zelle zunächst eine Kopie des entsprechenden Gens der DNA. Diese Blaupause mit dem Bauplan des Proteins nennt man Boten-RNA. Mit Hilfe ihrer Ribosomen, den zellulären Eiweiß-Fabriken, liest die Zelle dann den Kode der mRNA ab und synthetisiert das Protein. Manche Proteine können, sobald sie in ausreichender Menge vorhanden sind, ihre eigene Synthese stoppen – und an dieser Stelle kommt der Riboschalter ins Spiel. Der Synthese-Ausknopf liegt auf der mRNA: sie besteht damit nicht nur aus dem genetischen Code für das Protein, sondern kann Abschnitte mit Schalterfunktion enthalten. Bindet das entstehende Protein – oder ein eng mit ihm in Zusammenhang stehender Metabolit – an den Riboschalter, dann kann dies die räumliche Struktur der mRNA so verändern, dass die kodierenden Abschnitte nicht mehr abgelesen werden können.

Ein Beispiel ist etwa der thiM-Riboschalter aus Escherichia-coli-Bakterien: Dockt hier der Metabolit Thiaminpyrophosphat (TPP) an, wird ein mRNA-Abschnitt verdeckt, der von den Ribosomen sonst als Ablese-Startpunkt erkannt wird. Die Forscher um Michael Famulok suchten nun hier nach einer Art Sonde, die zwischen Aus und An unterscheidet.

Fündig wurden sie unter den so genannten Aptameren – einer Molekülklasse die bekannt dafür ist, dass sie bei Proteinen zwischen verschiedenen Zuständen differenzieren kann. Bei den Aptameren handelt es sich um kurze RNA-Stränge, die eine definierte räumliche Struktur einnehmen und, ähnlich wie Antikörper, selektiv an bestimmte Zielmoleküle binden. Warum also nicht auch an Riboschalter, dachten sich Famulok und Co: Ausgehend von einer Bibliothek, einer nach dem Zufallsprinzip erzeugten großen Menge verschiedenster RNA-Sequenzen, selektierten die Wissenschaftler in mehreren Schritten zwei kurze haarnadelförmige Aptamere, die spezifisch und stark an den Riboschalter im An-Zustand binden.

Es stellte sich heraus, dass die beiden Haarnadeln an verschiedenen Stellen andocken: Eine an die TPP-Bindestelle, die andere an einem Domäne, die für die Sturkturänderung des Riboschalters verantwortlich ist. Beide Haarnadeln werden verdrängt, wenn TPP-Moleküle den Riboschalter in die "Aus"-Konformation bringen. Famulok und sein Team hoffen nun, durch solche Aptamere neue Erkenntnisse über Riboschalterfunktionen zu gewinnen. Diese könnten bei der Suche nach einer völlig neuen antimikrobiellen Wirkstoffklasse helfen, die den bakteriellen thiM-Riboschalter ebenso blockiert wie TPP.

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