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Intelligent gesteuertes Wohnen: Halten Smart Homes, was sie versprechen?

Smart-Home-Anbieter werben damit, dass sich durch die Vernetzung der Hausgeräte und deren intelligente Steuerung Energie sparen lasse. Bei genauem Hinsehen muss man das in Frage stellen.
Smart Home

Was geschieht mit ihrem Energieverbrauch, wenn 120 Haushalte zwei Jahre lang ein Smart-Home-System nutzen? Antwort: Bei fast der Hälfte der Haushalte steigt der Energieverbrauch. »Das war natürlich auch ein bisschen frustrierend«, gibt Thorsten Schneiders zu, der genau das ausprobiert hat. Der Professor für Energiespeicherung leitet am Cologne Institute for Renewable Energy (CIRE) der TH Köln das Smart-Energy-Team – und er hat wohl eine der ausführlichsten Untersuchungen zum Thema Smart Home und Energieverbrauch durchgeführt. Dafür stattete er von 2016 bis 2018 mit Kollegen und dem Energieversorger RheinEnergie in der Stadt Rösrath 120 Haushalte mit marktüblichen Smart-Home-Systemen aus und wertete zwei Jahre lang deren Energieverbrauch bezogen auf Strom und Gas aus.

Die Einfamilienhäuser ähneln vom Alter und vom energetischen Standard her dem Gebäudebestand in vielen deutschen Städten, so Schneiders: Die Ergebnisse seien also durchaus übertragbar. Und diese sind nicht besonders ermutigend für die Smart-Home-Branche, der womöglich ein wichtiges Argument im Kampf um die Akzeptanz ihrer Technologie verloren geht: Lediglich rund 14 Prozent von ihnen erzielten hohe Einsparungen von mehr als 20 bis hin zu über 30 Prozent beim Gasverbrauch für Warmwasser und Heizung. Insgesamt verbrauchten 57 Prozent im Testzeitraum weniger Energie als zuvor. Bei 43 Prozent hingegen stieg der Energiebedarf.

»Wir haben uns natürlich gefragt, wieso das so ist«, sagt Schneiders. Und glücklicherweise hatten die Forscher die beteiligten Haushalte über die Zeit hinweg begleitet, Interviews geführt und das Verhalten beobachtet. »Viele kommen mit den Systemen nicht klar«, so Schneiders. Die Ersparnis hing etwa wesentlich davon ab, wie stark sich Haushalte mit Energiesparen im Allgemeinen und mit der Programmierung ihres Systems im Besonderen beschäftigten.

Überforderte Nutzer

Denn das ist eine bittere Wahrheit über jene Technik, die zwar schon seit einigen Jahren in aller Munde und trotzdem noch in wenigen Haushalten ist: »Sie ist stellenweise wenig intuitiv«, sagt Schneiders, »und die Energieeinsparung hängt entscheidend davon ab, wie die Leute damit klarkommen.«

Dem Forscher war es wichtig, die Technik unter realen Bedingungen zu testen. Das heißt, die Hausbewohner mussten sie selbst bedienen – auf dem Stand, auf dem die Geräte aktuell sind. Und dafür schadet es nicht, wenn Nutzer deutlich technikaffin sind. So müsse man zwar nicht wirklich programmieren können, aber es sei nützlich, wenn man zumindest in Programmierbefehlen und ihren logischen Ketten denken könne. »Man kann nicht einstellen: ein Tag Energie sparendes Lüften bitte«, so Schneiders. Die Nutzer mussten vielmehr eine Art Wenn-dann-Kette einstellen, etwa: Wenn Fensterkontakt 1 geöffnet, dann Heizkörper-Thermostat 2 herunterregeln. Noch besser ist es freilich, erst dann zu lüften, wenn die Heizung bereits einige Zeit ausgeschaltet ist – doch das wird schnell zu einer für viele Nutzer verwirrenden Kette von Befehlen, für die man zwar keine Programmiersprache kennen muss, aber eben logische Ketten von Befehlen erstellen können sollte.

»Sie müssen also Energieverbräuche verstehen und dann noch mit der Programmierung zurechtkommen«, erklärt Schneiders. Und dabei mag womöglich selbst bei den Topsparern die Technik weniger verantwortlich für das Ergebnis sein als die Einstellungsänderung, denn vielleicht fingen sie erst durch das Experiment an, ihren Energieverbrauch zu überdenken. Diesen Effekt kennt jeder, der sich einmal mit seiner Stromrechnung beschäftigt hat: Wer mittels eines Messgeräts geschaut hat, welches die größten Stromfresser im Haus sind, und diese durch sparsamere Geräte ausgetauscht hat und wer sich mit dem Zusammenhang zwischen Lüften und Heizen beschäftigt hat, der hat die größten Energielöcher bereits ausgemerzt.

Danach geht es nur noch in kleinen Schritten bergauf. Das mag ein Grund sein, weshalb die Topsparer aus Rösrath mit Einsparungen von 20 bis 30 Prozent in der Minderheit blieben. Und selbst die Einsparungen von bis zu 200 Euro pro Jahr sind relativ, wenn man sich den Preis der Technik anschaut: In Rösrath wurden Smart-Home-Systeme für rund 1500 Euro verbaut. Darin enthalten waren Fenster- und Türkontrollen, Heizungsthermostate, Rauchmelder, Bewegungsmelder und schaltbare Steckdosen. Damit amortisiert sich die Technik erst nach knapp acht Jahren, und das auch nur dann, wenn alle Komponenten so lange halten und keine ausgetauscht werden muss.

Energiesparen ist keine Technikfrage

Dabei ginge es wesentlich einfacher – wenn die Menschen das denn wollten: »Technisch ist es durchaus möglich, vieles zu automatisieren«, sagt Schneiders: Beispielsweise gibt es Systeme, die erkennen, ob jemand in einem Raum ist, und dann Licht und Heizung entsprechend steuern. Und es gibt lernende Systeme, die sich an den Gewohnheiten eines Nutzers orientieren und sich mit der Haussteuerung anpassen. Doch hier ist die Angst der Bürger vor Fremdbestimmung groß. Was, wenn man die Kontrolle über so ein System verliert?

Solche Sorgen würden durch einen bekannten Radio-Werbespot verstärkt (»Radio geht ins Ohr, bleibt im Kopf«), in dem ein Mann via Radio seinen Chef anspricht: Das Smart-Home-System habe ihn eingesperrt, die Heizung auf 50 Grad hochgedreht und höre nicht mehr auf, Kaffee zu kochen. Er könne deshalb nicht zur Arbeit kommen. Der Chef könne das gerne überprüfen: Die Überwachungskameras übertragen schließlich alle Bilder direkt ins Netz. Allerdings sei er nackt angesichts der Hitze … Schneiders empfindet hier durchaus Mitleid mit den Smart-Home-Anbietern: »Solche Clips findet man natürlich nicht lustig, wenn man so etwas verkaufen will.«

Angst vor dem Kontrollverlust

Neben solchen Ängsten vor Kontrollverlust und Fremdsteuerung, die durch die Berichterstattung über gehackte Smart-Home-Systeme verstärkt werden, wollten viele Nutzer zudem einfach selbst entscheiden: »Ich möchte es so machen, wie ich das will« – eine vergleichbare Haltung hat Schneiders bei seiner Forschung oft erlebt. »Ich will aber 23 Grad in jedem Raum, auch wenn ich selten drin bin.« Sprich: Manche Menschen stellen Bequemlichkeit über Energiesparen.

Bei der Umfrage zu Beginn in Rösrath erklärten 70 Prozent der Befragten, dass sie beim Lüften die Heizung laufen ließen. Und nachdem sie ihr System eingebaut hatten, hätten einige der Befragten die Hände in den Schoß gelegt nach dem Motto »Jetzt spart ja das System für mich«. Doch wer den Thermostat einfach hochdreht, wenn ihm beim Lüften kalt wird, der spart auch mit smarter Steuerung nicht. »Das Nutzerverhalten hat echt alles übertüncht«, resümiert Schneiders, »das hat uns alle überrascht.« Allein wer ein Abwesenheitsmuster einrichte, könne in solchen eher älteren Gebäuden enorm Energie sparen. »Das geht allerdings auch mit einem klassischen Thermostat.« Dafür braucht es keine smarten Geräte.

Ob sich das je lösen lässt? »Vielleicht muss man sich von Privathaushalten verabschieden«, überlegt Schneiders. »In Bürogebäuden haben solche Systeme einen schönen Nutzen.« Schließlich seien dort viele Geräte ständig auf Standby, die teilweise nur selten genutzt würden – was die Büromitarbeiter aber teilweise gar nicht wüssten. Auch An- und Abwesenheiten sind in Büros besser vorherzusagen als in privaten Räumen.

Und wie ist es mit dem Energieverbrauch der Smart-Home-Steuerung selbst? »Das ist überschaubarer«, so Schneiders, »die Geräte ziehen ja nicht ständig Energie.« Weder ein Heizkörperthermostat noch ein Rauchmelder verursache einen großartigen Energieverbrauch, und die Funksteuerung sei wesentlich sparsamer als eine Kommunikation der Geräte über WLAN.

Technik ist Teil des Problems

Doch eine ganz andere Quelle des Energieverbrauchs smarter Systeme wird häufig übersehen: der Stromverbrauch, den Rechnerleistungen verursachen. Im Fall von Smart Homes fallen diese nicht beim Nutzer an, sondern bei der Entwicklung der Technologie und in den Rechenzentren der Anbieter – zumindest dann, wenn maschinelles Lernen beteiligt ist, wenn also Informationen und Daten das Haus via Internet verlassen, irgendwo verarbeitet werden und Maschinen aus ihnen lernen: seien es die Gewohnheiten der Menschen oder ihre Sprache.

Kürzlich haben Forscherinnen der University of Massachusetts, Amherst, untersucht, wie viel Energie es braucht, eine künstliche Intelligenz zu trainieren, die beispielsweise menschliche Sprache versteht: Ein einziges Modell zu trainieren, verursache mehr Kohlenstoffdioxidemissionen als fünf Autos in ihrer gesamten Lebenszeit. Die Forscherinnen um Emma Strubell berechneten den Energieverbrauch und wandelten ihn in Kohlendioxidäquivalente um, basierend auf dem durchschnittlichen Energiemix in den USA, der dem Energiemix der AWS von Amazon nahe kommt, dem größten Cloud-Service-Provider. Das wäre natürlich anders, wenn solche Technologien ausschließlich auf Servern verarbeitet würden, die mit Strom aus erneuerbaren Energien laufen.

Immer wieder gibt es Zahlen, wie viel Strom allein eine Google-Suchanfrage verbraucht; diese Zahlen sind zwar schwer zu verifizieren, doch die Größenordnung wird deutlich. Ob man nun mit 200 Suchanfragen ein Hemd bügeln kann, wie Google laut SWR sagt, oder ob ein Nutzer mit seinen monatlichen Suchanfragen drei Stunden lang eine 60-Watt-Glühbirne betreiben kann, wie es der »Stern« ausgerechnet hat – eines ist klar: In der Masse kommt da einiges zusammen, was der Nutzer nicht am eigenen Geldbeutel spürt, was aber der Umwelt schadet.

Und dass mit dem Smart Home die Sprachsteuerung kommt, die wiederum auf entsprechenden Berechnungen maschinellen Lernens beruht, ist unumstritten. »Alle Hersteller haben sich darauf eingestellt«, sagt Schneiders. Für die meisten Systeme gibt es bereits eine Schnittstelle zu Amazons intelligentem Lautsprecher Alexa. Und da muss die Rechnung noch mal ganz neu aufgemacht werden – zusätzlich zur Frage der Privatsphäre.

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