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Mileva Marić: Hat sie oder hat sie nicht?

Lange bestand Unklarheit, ob und in welchem Maße Einsteins erste Ehefrau Mileva Marić an der Speziellen Relativitätstheorie Anteil hatte. Unter Historikern herrscht heute Einigkeit in dieser Frage.
"Wie glücklich und stolz werde ich sein, wenn wir beide zusammen unsere Arbeit über die Relativbewegung siegreich zu Ende geführt haben", schrieb Albert Einstein am 27. März 1901 seiner Studienfreundin Mileva aus Mailand, wo er seine Eltern besuchte.

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Zusammen mit Albert Einstein und acht weiteren Kommilitonen begann Mileva Marić 1896 an der Abteilung VI A der "Schule für Fachlehrer mathematischer und naturwissenschaftlicher Richtung" des Polytechnikums in Zürich ihr Studium. Sie war ein sehr begabtes Mädchen und eine der ersten Frauen überhaupt, die zu einer Universität zugelassen wurde; in der Mathematischen Sektion des Polytechnikums war sie das einzige weibliche Wesen unter 22 Studenten.

Spätentwickler und Musterschülerin

Im Gegensatz zu Einstein, der als Spätentwickler erst mit gut drei Jahren richtig anfing zu sprechen und vom Hausmädchen oft der "Depperte" genannt wurde, war Mileva stets eine Musterschülerin. Am 19. Dezember 1875 im serbischen Dorf Titel geboren, das damals noch zum ungarischen Teil der KuK-Monarchie gehörte, wurde sie eifrig von ihren Eltern und Verwandten gefördert. Eigentlich wollte sie Medizin studieren und schrieb sich dafür im Sommersemester des Jahres 1896 an der Zürcher Universität ein. Doch wechselte sie noch im gleichen Jahr zur Physik. Dort trifft sie auf den drei Jahre jüngeren Albert Einstein, der mit siebzehneinhalb Jahren der Jüngste seines Jahrgangs war.

Spätestens im zweiten Semester kommen sich Mileva und Einstein näher. Das verrät ihr reger Briefwechsel. Neben Neckereien – insbesondere von Einstein – sind physikalische Fragestellungen immer wieder ein Thema.

Wie Mileva die ersten Studienjahre empfindet, ist nicht überliefert. Für Einstein sind sie eher eine Qual. Die Ausbildung ist auf Ingenieure zugeschnitten und verschult: Sie beginnt mit trockener Mathematik. Resigniert gab Einstein sich daher mit dem Gedanken ab, wohl nur ein mittelmäßiger Student zu sein. Er schwänzte viel in dieser Zeit. Zu Milevas Vater soll Einstein später einmal gesagt haben: "Alles was ich geschaffen und erreicht habe, habe ich Mileva zu verdanken. Sie ist mein genialer Inspirator." Anfänglich hat Mileva also zumindest eine äußerst positive Wirkung auf Einstein ausgeübt.

Die Leichtigkeit, mit der Mileva das Studium von der Hand ging, endete jedoch spätestens, als sie von einer Gasthörerschaft aus Heidelberg wieder nach Zürich zurückkam. Die nach dem zweiten Semester vorgesehene Übergangs-Diplom-Prüfung musste sie verschieben. Einstein und sein Freund Marcel Grossmann, dem die Mathematik ebenfalls lag und der Einstein später bei der mathematischen Formulierung der Allgemeinen Relativitätstheorie behilflich sein sollte, bestanden die Prüfungen auf Anhieb: Einstein bekam sogar zweimal die Höchstnote 6 und war damit bester seines Jahrgangs.

Ein guter Schüler

Der weit verbreitete Glaube, Einstein sei ein schlechter Schüler gewesen, entpuppt sich übrigens als Mär. Diese Einschätzung rührt wohl aus der Fehlinterpretation seiner Schulzeugnisse. In der Schweiz, wo er sein Abitur nachholte, das er in München wegen des Umzugs seiner Eltern nach Italien nicht abschließen konnte, war die 6 die beste Note. Und er hatte einige davon – insbesondere in Physik und Algebra. In der Schweizer Kantonsschule in Aarau, wo er 1896 die Matura erlangte, schloss er zumindest als bester von neun Kandidaten ab.

Im Juli 1900 legte Einstein am Polytechnikum in Zürich sein Examen ab. Mit einer Durchschnittsnote von 4,91 war er jedoch zweitschlechtester. Schlechter war nur noch Mileva. Mit einer glatten 4 verweigerte ihr das Kollegium das Diplom. Auch ihr zweiter Anlauf ein Jahr später missglückte, sodass sie schließlich nur ein Abgangszeugnis erhielt. Enttäuscht vom Ausgang des Studiums fuhr sie zu ihren Eltern nach Serbien zurück.

Lieserl

Mileva plagten aber noch ganz andere Sorgen. Sie war von ihrem Angebeteten schwanger. Bei ihren Eltern brachte sie im Januar 1902 ein uneheliches Kind zur Welt: Das Lieserl. Es gibt Gerüchte, die besagen, dass es krank gewesen sei und später zur Adoption freigegeben wurde. Doch genaues weiß niemand. Es fanden sich bislang weder Adoptionsfreigabepapiere noch ein Grab – denn es wird ebenso spekuliert, es sei früh verstorben.

War Mileva für Einstein anfänglich wohl eine intellektuelle wie emotionale Stütze, trug sie – nach Ansicht vieler Historiker – jedoch nicht substanziell an der Ausarbeitung der Speziellen Relativitätstheorie bei. Ihr Beitrag ist ähnlich hoch zu bewerten wie derjenige von so vielen anderen Wegbegleitern Einsteins: ein eher indirekter. Er konnte sich an ihr reiben und mit ihr Gedanken austauschen, ebenso wie mit seinen Freunden Marcel Grossmann beispielsweise oder Michele Besso, die ebenso am Polytechnikum studierten.

"Sie ist ein Buch"

Am 6. Januar 1903 heirateten Mileva Marić und Albert Einstein in Bern, obwohl seine Mutter von Anfang an gegen diese Freundschaft war: "Sie ist ein Buch wie Du – Du solltest aber eine Frau haben", meinte Sie. Mileva schenkte ihm noch zwei Söhne, Hans Albert und Eduard, um die sie sich intensiv kümmerte. Ihre akademische Laufbahn hatte sie nun aber ganz an den Nagel gehängt, während Einstein die Karriereleiter Schritt für Schritt emporklomm.

Nach anfänglich glücklichen Jahren erlitt Mileva jedoch das gleiche Schicksal wie so viele Frauen an der Seite des überragenden Denkers. Mag Einstein ein genialer Kopf gewesen sein und sich darüber hinaus aus tief empfundener Inbrunst für die Menschenrechte und den Pazifismus politisch öffentlich stark gemacht haben – zwischenmenschlich war er oft genau so unerträglich wie kompromisslos. Oft gab er Mileva Grund zur Eifersucht. Nach wenigen Ehejahren behandelte er sie wie eine Angestellte, der er nach eigenen Aussagen "allerdings nicht kündigen kann".

Scheidung

Als Einstein 1914 einen Ruf nach Berlin annahm, war die Ehe bereits vollkommen zerrüttet. Mileva blieb nicht lange in der damaligen Reichshauptstadt. Sie verließ ihren Mann nur wenige Wochen später mit ihren beiden Kindern.

Einige Jahre später, im Jahr 1919, ließen sie sich scheiden. Mileva bekam das Sorgerecht für die Kinder zugesprochen, die ihren Vater aber besuchen durften. Zudem musste er ihr Unterhalt zahlen und versprechen, ihr das Preisgeld zu überlassen, falls er einmal den Nobelpreis für Physik erhielte.

Als es zwei Jahre später dann soweit war – kurioserweise erhielt Einstein den Nobelpreis nicht für die von ihm begründete Spezielle oder Allgemeine Relativitätstheorie, sondern für seine Beiträge zu Quantenmechanik – überwies er ihr 121 572,43 Schwedische Kronen. Viel hatte sie aber nicht von dem Geld. Einer der Söhne, Eduard, wurde geisteskrank und bedurfte intensiver Pflege. Sie kümmerte sich um ihn bis sie am 4. August 1948 in Zürich starb.

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