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News: Hauptsache viel

Bei der Suche nach dem richtigen Lebenspartner spricht auch das Immunsystem immer ein Wörtchen mit. Wählerische Stichlingsweibchen bevorzugen jedoch nicht den Partner, der sich immunologisch bei den so genannten MHC-Genen am stärksten von ihnen unterscheidet, sondern sie interessieren sich ausschließlich für die absolute Zahl der MHC-Allele: Das Männchen mit den meisten Varianten hat die besten Chancen.
<i>Gasterosteus aculeatus</i>
Beruht wahre Liebe nur auf einem Proteinmuster? Nach Biologenmeinung finden Sympathie und Zuneigung hier zumindest eine mögliche Erklärung. Denn bei der Wahl eines Geschlechtspartners scheinen bei Mäusen und Menschen die Proteine des so genannten Haupthistokompatibilitätskomplexes (major histocompatibility complex, MHC) ein Wörtchen mitzureden. Hierbei handelt es sich um Glycoproteine auf Zellmembranen, die von einer Gruppe von Genen codiert werden und bei der Aktivierung des Immunsystems eine Rolle spielen. Da es beim Menschen mindestens 20 verschiedene MHC-Gene gibt, wobei jedes Gen noch einmal in 100 verschiedenen Zustandsformen – den Allelen – vorliegen kann, ergeben sich bei den MHC-Markern enorme Kombinationsmöglichkeiten. Der Haupthistokompatibilitätskomplex stellt damit einen biochemischen Fingerabdruck des Individuums dar.

Und dieser biochemische Fingerabdruck lässt sich wahrnehmen – und zwar über den Geruch. Bekannt wurde dies durch den "T-Shirt-Test". Dabei zeigte sich eine Vorliebe für Gerüche des anderen Geschlechts, die sich möglichst stark vom eigenen Körpergeruch unterscheiden. Eine sinnvolle Wahl, denn ein andersartiger Geruch deutet auf unterschiedliche MHC-Gene hin und damit auf eine geringes Inzuchtrisiko.

Doch was für Menschen und Mäuse richtig ist, muss noch lange nicht für Fische gelten. Thorsten Breusch und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön schauten sich den in der Verhaltensforschung bewährten Dreistachligen Stichling (Gasterosteus aculeatus) an. Hier locken heftig balzende Männchen trächtige Weibchen an und versuchen sie zur Eiablage in das von ihnen gebaute Nest zu veranlassen. Doch die Weibchen wählen mit Bedacht aus. Spielen auch hier MHC-Gene eine Rolle?

Die Forscher untersuchten die Damenwahl, indem sie den Weibchen das Aquarienwasser mit den Duftstoffen verschiedener Männchen präsentierten. Bei den kapriziösen Damen waren jedoch nicht etwa die Männchen beliebt, deren MHC-Gene sich am meisten von ihren eigenen unterschieden. Ähnlich oder verschieden spielte bei der Wahl praktisch keine Rolle. Entscheidend war vielmehr die absolute Zahl der MHC-Allele: Männchen mit zwei bis sechs MHC-Allelen hatten wesentlich schlechtere Karten als diejenigen, die sechs bis acht Allele vorweisen konnten.

Warum interessieren sich Stichlingsdamen nur für die absolute Zahl und nicht für den relativen Unterschied? Die Wissenschaftler erklären dies mit unterschiedlichen Sozialstrukturen zwischen Fischen und Säugetieren. Für Stichlinge, die nur während der Paarungszeit ein ortsfestes Revier verteidigen, besteht eine relativ geringe Wahrscheinlichkeit, bei der Partnerwahl auf enge Verwandte zu stoßen. Anders sieht es bei Arten aus, die – wie Mäuse und Menschen – mit festen Familienstrukturen aufwachsen. Hier sollten Mechanismen wie die MHC-Präferenzen eine Paarung unter nah verwandten Artgenossen verhindern.

Den Stichlingen geht es dagegen um das immunologische Potenzial ihrer Nachkommen. Bevorzugen Weibchen die Männchen mit möglichst vielen MHC-Allelen – egal ob ähnlich oder verschieden –, ergeben sich für die Jungen gesteigerte Kombinationsmöglichkeiten der Allele. Der zukünftige Nachwuchs kann dann mit einer breit gestreuten Immunantwort ins Leben entlassen werden.

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