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Genetischer Code: Hefe-Außenseiter verbastelt den genetischen Code

Zu den eigentlich unverletzlichen Spielregeln des Lebens gehört die Unveränderbarkeit des genetischen Codes. Bakterien, Pflanzen und Menschen bauen gleiche Proteinketten streng nach identischen Dreibuchstabenbefehlen. Aber klar: Irgendeiner tanzt immer aus der Reihe.
DNA

Eine eherne Grundregel der Biologie besagt: Der Dreibuchstabenbefehl der DNA ist heilig. Denn nahezu immer codiert bei allen Lebewesen auf der Erde eine Abfolge von drei genetischen Buchstaben im Erbgut für eine bestimmte Aminosäure, welche die Zelle in ein neu entstehendes Protein einbaut. Jede Dreiersequenz von Erbgutbasen, also jedes »Codon«, lässt sich demnach eindeutig in eine Aminosäure übersetzen – oder in einen Steuerungsbefehl beim Proteinbau, wie etwa ein Stoppsignal. Dieser genetische Code gilt für Bakterien, Pflanzen und Menschen gleichermaßen. Natürlich wäre die Natur nicht die Natur, wenn sie nicht auch ein paar bizarre Ausnahmen gestatten würde – diese fand man bisher aber nur in speziellen und dort dann funktionierenden Ausnahmefällen. Was sieben Hefegenetiker in »Current Biology« beschreiben, klingt allerdings höchst bizarr: Sie fanden Hefepilzlinien, die offenbar Aufwand treiben, um ihren Code uneindeutig zu machen.

Die Forscher um Martin Kollmar vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie hatten sich verschiedene Hefepilzlinien angesehen, von denen einige schon dafür bekannt waren, beim genetischen Code eine Ausnahme zuzulassen – und dies nicht nur im wenig umfangreichen Erbgut ihrer Mitochondrien, sondern sogar im Genom des Zellkerns. Dabei wird zum Beispiel beim Codonbefehl CUG nicht wie kanonisch üblich die Aminosäure Leucin, sondern stattdessen Serin oder Alanin an die wachsende Proteinkette angehängt. Besonders auffällig unter den Ausreißern erschien den Forschern nun eine Hefe-Verwandtschaftsgruppe, die den CUG-Befehl offensichtlich noch einmal ganz anders interpretiert: Sie beantwortet das Codon mit zwei unterschiedlichen Reaktionen und baut scheinbar zufällig mal Serin und mal Leucin in ein Protein.

Die Ursache für diese Uneindeutigkeit ist unklar. Sicher spielen bei den Hefen die tRNAs eine Rolle, die spezifisch auf CUG reagieren sollte und die zum Codon passenden Aminosäuren an den Ort der Proteinbiosynthese transportieren. Zumindest bei einer Art, Ascoidea asiatica, könnten nun aber sogar zwei tRNAS konkurrieren, die beide das Codon CUG erkennen und jeweils Serin oder Leucin heranschaffen. Vor Ort scheint dann der Zufall zu entscheiden, welche Aminosäure zum Zug kommt.

Dies macht nicht nur die Proteinbauanleitung uneindeutig, es ist auch ein unnötig scheinender doppelter Aufwand für die Zellen. Die Hefen können den wohl nur deswegen stemmen, indem sie das Verwirrung stiftende Codon bloß an Stellen im Erbgut einbauen, die selten abgelesen werden und wo wenig nachhaltiger Schaden angerichtet werden kann. Fraglich bleibt allerdings, wie das unperfekte System entstehen konnte. Für das Team um Kollmar passt das Beispiel von A. asiatica gut zu seiner 2016 vorgestellten Theorie, nach der ein zufälliger Ausfall von tRNAs ein Treiber der Evolution sein könnte: Frei werdende Codons könnten dann im Lauf der Zeit von anderen konkurrierenden tRNAs übernommen werden. Womöglich findet ein solcher Prozess gerade in den merkwürdig doppeldeutigen A.-asiatica-Hefen mit noch ungeklärtem Ausgang statt.

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