Direkt zum Inhalt

News: Heiß, heißer, Männchen

Siegfried der Drachentöter besaß noch eine zweite wunde Stelle. Zumindest diese hat er mit allen männlichen Säugetieren gemein. Wissenschaftler stellen jetzt neue Vermutungen an, warum die Spermien bei Säugetieren außerhalb ihrer Körperhöhle produziert werden.
Bild
Aua, aua. Die Fahrradstange hing wohl höher, als der Radfahrer es noch vor dem Absteigen in Erinnerung hatte.

Da kann man als Mann schon mal ein bisschen sauer auf die Evolution werden. Wo bitte schön sind die Selektionsvorteile, welche die derart ungeschützte Lage seiner kostbaren Samen-Produktionsstätten rechtfertigen? Zu heiß sei es im Säugetier-Körper für die männlichen Keimzellen, argumentierten Forscher lange, daher hätte die Evolution deren Produktion aus der Körperhöhle an die Außenfassade verlegt.

Helen Storey und John McLachlan von der Peninsula Medical School in Großbritannien halten dies jedoch für kein gutes Argument. Wäre dies der alleinige Grund, behaupten die Forscher, so hätte es die Natur mit einer Entwicklung hin zu etwas wärmetoleranteren Spermien einfacher haben können.

Einen besseren Grund für die Auslagerung der Hoden bei männlichen Säugetiere liefere dagegen die Tatsache, dass Temperatur auch das Geschlecht des Nachwuchses beeinflussen kann. Bei einigen Reptilienarten, wie beispielsweise Alligatoren, werden aus den bei über 30 Grad gelagerten Eiern Männchen, aus den kühler gehaltenen Eiern schlüpfen dagegen Weibchen.

Auch beim Menschen wäre solch ein Temperatur empfindlicher Geschlechterschalter denkbar, meinen die Forscher. Sie stützen ihre Annahme auf Studien, die zeigten, dass in den heißeren Regionen der Erde mehr Männer als Frauen geboren werden. Höhere Temperaturen könnten also Gene im Erbgut der Spermien aktivieren, die zur Entwicklung eines männlichen Embryos führen.

Normalerweise sorgt das so genannte SRY-Gen auf dem männlichen Y-Chromosom eines Spermiums dafür, dass aus den Keimdrüsen des Embryos nicht Ovarien, sondern Hoden werden. Doch auch Embryonen ohne aktive SRY-Region können sich zu einem männlichen Embryo entwickeln. Womöglich greift also bei defektem SRY-Gen in manchen Fällen noch der ursprüngliche Mechanismus der Hitzeaktivierung "männlicher" Gene.

Eine Überhitzung der Spermien würde demnach automatisch zu männlichen Embryonen führen – laut McLachlan der Grund, warum bei den warmblütigen Säugetieren im Laufe der Evolution die Produktion der männlichen Keimzellen "nach draußen" verlegt werden musste. Auch die große Hitze-Empfindlichkeit von Spermien könnte ein Schutzmechanismus sein, um diesen rudimentären Schalter der Geschlechtsbestimmung unter Kontrolle zu halten.

Stuart West, Evolutionsbiologe an der University of Edinburgh, äußert sich vorsichtig. Schließlich sei es ebenso "einfach" die Temperatur dieses Schalters hinaufzusetzen, als dass die männlichen Hoden an eine andere Position evolvierten.

McLachlan und seine Kollegen wollen zukünftig Spermien bei unterschiedlichen Temperaturen kultivieren, um ihre Hypothese zu untermauern. So hoffen sie, genau den Temperatur-Bereich einzugrenzen, der die Keimzellen nicht schädigt, aber die männlichen Gene einschaltet.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.