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News: Heißer Genaustausch

Wieder einmal ist das gesamte Erbgut eines Lebewesens entschlüsselt worden. Doch diesmal brachte der Vergleich des Genoms von Thermotoga maritima - einem Eubakterium - mit den DNA-Sequenzen anderer Organismen eine riesige Überraschung: Fast ein Viertel der Gene stammt ursprünglich von Bakterien, die als Archaen bezeichnet werden und weniger mit den Eubakterien verwandt sind als wir Menschen mit den Gänseblümchen. Anscheinend fördert das harte Leben an heißen Standorten den Austausch von Genen in einem bislang unbekanntem Maße.
Das vollständige genetische Rezept für ein ungewöhnliches Bakterium zeigt, daß Organismen, die an den heißeren Orten der Erde leben, weniger Skrupel haben ihre Gene auszutauschen – und sei es mit ganz entfernten Verwandten.

Zu diesem Schluß kommen Wissenschaftler in einem Artikel in Nature vom 27. Mai 1999. Darin beschreiben sie die Sequenzierung des kompletten Genoms des Bakteriums Thermotoga maritima, das ursprünglich aus geothermisch aufgeheiztem Meeressediment in Vulcano, Italien, isoliert wurde. T. maritima gehört zur Gruppe der Eubakterien. Diese umfaßt viele bekannte Organismen, wie zum Beispiel unser eigenes Darmbakterium, Escherichia coli. Wie J. Craig Venter und seine Kollegen vom The Institute for Genomic Research in Rockville zeigen, sind allerdings nahezu ein Viertel der Gene im Genom von T. maritima Fremdimporte – sie stammen nicht von anderen Mitgliedern der Eubakterien, sondern von mikroskopischen Organismen einer Gruppe, die früher Archaebakterien genannt wurde und heute Archaen heißt.

In Anbetracht der Tatsache, daß die Archaen enger mit Menschen verwandt sind als mit Eubakterien, entspricht diese Erkenntnis etwa der Aussage, daß ein Viertel aller menschlichen Gene eigentlich von Pflanzen stammt. Und selbst dieser Vergleich ist noch zu schwach, da der evolutive Abstand zwischen Archaen und Eubakterien sogar noch größer ist.

Das Ergebnis des Sequenzvergleiches hat daher wichtige Folgen für unser Verständnis der frühesten Phasen der Evolution. Denn beim Erstellen von Stammbäumen gehen Wissenschaftler stets davon aus, daß einmal getrennte Äste sich nicht wieder zusammenfinden oder größere Mengen Gene austauschen. Doch gerade das scheint bei Bakterien und Archaen der Fall zu sein.

Auch in Hinblick auf die Frage nach der Entstehung des Lebens lassen sich die Resultate interpretieren. Viele Forscher vermuten, die frühesten Organismen hätten sich in extrem heißen Umgebungen gebildet, wie zum Beispiel in heißen Quellen, Tiefseeschloten oder sogar tief im Erdinneren. T. maritima gilt als eine Art "lebendes Fossil", das einen extrem alten bakteriellen Stammbaum repräsentiert. So wie viele Archaen auch kommt es an sehr heißen Standorten vor, und ein Großteil seiner Archaen-ähnlichen Gene erinnert an Pyrococcus horikoshii – ein hitzeliebendes Mitglied der Archaen.

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