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Röntgenastronomie: Heißer Stern

Groß sind sie nicht: die Neutronensterne. Mit einem Durchmesser von 20 Kilometern erreichen sie gerade mal die Ausmaße einer Großstadt vom Kaliber Hamburg oder München. Solche Himmelskörper in den Weiten des Alls überhaupt auszumachen, ist schon eine Leistung, dann aber noch Details auf ihrer Oberfläche festmachen zu wollen, grenzt schon an ein Wunder.
Geminga
Skandinavien-Urlauber kennen es, und wenn die Sonne einmal besonders aktiv ist, dann lässt sich das Polarlicht selbst in unseren Breiten beobachten. Das farbenfrohe Lichterspiel wird durch elektrisch geladene Teilchen verursacht, die aus der Magnetosphäre kommend auf Atome und Moleküle in der Ionosphäre treffen und diese zur Emission anregen.

Nun ist die Erde beileibe nicht der einzige Himmelskörper mit einem Magnetfeld. Neutronensterne, die Kilometer großen Überreste massereicher Sterne, können beispielsweise extrem starke Magnetfelder aufweisen. Wenn bei ihrer Entstehung während einer Supernova der Zentralbereich des Muttersterns kollabiert, dann bleiben vermutlich Drehimpuls und magnetischer Fluss des ursprünglichen Himmelskörpers erhalten. Wie bei einer Eistänzerin, die ihre Arme anzieht und sich in der Folge entsprechend schneller dreht, beschleunigt der Sternenrest so auf bis zu 1000 Umdrehungen pro Sekunde. Strahlen die Neutronensterne dabei in regelmäßiger Folge elektromagnetische Strahlung aus, dann sprechen Astronomen auch von Pulsaren.

Gemingas Schweife | In dieser Aufnahme sind die hellen Schweife Gemingas als rote Streifen vor dem blauen Hintergrund zu erkennen. Es handelt sich hierbei um Teilchen, die entlang der Magnetfeldlinien des Neutronensterns hinausgeschleudert werden.
Die Strahlung kann dabei ganz unterschiedlicher Natur sein: So kannte man ursprünglich vor allem Pulsare bei Radiowellenlängen, aber auch im Röntgen- und Gamma- sowie im optischen Bereich ließen sich mittlerweile Pulsare nachweisen. Ein Paradebeispiel für einen solchen Stern ist der Geminga-Pulsar in rund 500 Lichtjahren Entfernung. Vor rund 30 Jahren konnte der Astronom Giovanni Bignami diese Gammaquelle im Sternbild Zwillinge (Gemini) ausmachen, fand jedoch zunächst kein passendes Objekt im optischen Bereich. Geminga steht deshalb für "Gemini gamma-ray source" also "Röntgenquelle in den Zwillingen", bedeutet im Italienischen aber auch so viel wie: "Es (das Objekt) ist nicht da." Erst 1993 ließ sich der Gammastrahlungsquelle auch im Bereich optischer Wellenlängen ein Objekt zuordnen. Wenngleich der Pulsar bei Radiowellenlängen schweigt, so gibt er doch im Röntgenbereich von sich Laut. Wie jedoch Röntgen- und Gammaemission zusammenhängen, war bislang nicht genau zu klären.

Teilchen im Magnetfeld | Auf solchen Kreisbahnen müssten sich elektrisch geladene Teilchen theoretisch in den Feldern des Neutronensterns bewegen. Die blauen Punkte sollen Elektronen darstellen, die roten Positronen – die Antiteilchen der Elektronen. Aufgrund ihrer entgegengesetzten Ladung bewegen sich diese Teilchen genau in entgegen der Richtung der Elektronen und treffen dort auf den Stern, wo Elektronen weggeschleudert werden.
Eine Idee war, dass elektrisch geladene Teilchen – vorwiegend Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen – entlang der Magnetfeldlinien des Sternenrests stark beschleunigt werden und dabei Gammastrahlung emittieren. Da sich die Teilchen im Feld jedoch genau entgegengesetzt bewegen, müssten an jedem der beiden magnetischen Pole des Neutronensterns auch Teilchen auf die Oberfläche treffen. Auf Grund der hohen Energien, zu denen die Teilchen beschleunigt werden, müsste sich dabei die Oberfläche des Neutronensterns lokal dermaßen stark aufheizen, dass dies im Spektrum des Sterns nachzuweisen ist. Denn schließlich hängt die Wellenlänge der hauptsächlich emittierten Photonen eines Wärmestrahlers von dessen Temperatur ab. Sollte das Modell der beschleunigten Teilchen also stimmen, dann müsste es auf Geminga zumindest einen extrem heißen Fleck geben. Spielen beide Teilchensorten Positronen und Elektronen eine Rolle, dann müssten es aus Symmetriegründen sogar zwei sein – an jedem Pol einer.

Größenvergleich | Gemingas Magnetfeld im Vergleich zu seinen eher bescheidenen Ausmaßen. Türkisfarben sind die Magnetfeldlinien eingezeichnet, wobei das Feld in Bezug auf seine Rotationsachse (rot) etwas gekippt ist. Klein in der Mitte (lilafarben) sitzt der Neutronenstern.
Nun gibt es dank einer aufwändigen Datenanalyse tatsächlich Hinweise auf zumindest einen solchen "Hot Spot". Die Daten stammen dabei vom europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton und wurden in rund 28 Stunden beginnend am 28. April 2002 gesammelt. Die Wissenschaftler maßen dabei wie zuvor bei anderen Beobachtungen die Emission im Gamma- und Röntgenbereich. Genau 76 850 Photonen zählten Patrizia Caraveo vom Nationalen Forschungsrat in Italien und ihre Kollegen. Schön nach Energie und Zeit aufgetragen, gab der ferne Stern langsam seine Geheimnisse preis. Zunächst passte der Datenwust jedoch überhaupt nicht zu einem Modell, das lediglich zwei Entstehungsarten der Strahlung vorsieht: Wärmestrahlung sowie Prozesse in der Magnetosphäre, die höherenergetische Strahlung freisetzen. Erst als die Forscher einen periodisch auftauchenden zweiten Temperaturstrahler in ihr Modell einbezogen, ging die Rechnung auf. Macht das Sinn?

Hot Spots | An den magnetischen Polen des Neutronensterns treffen geladene Teilchen auf und erzeugen dort lokal Temperaturen von bis zu 2 Millionen Grad Celsius. Die Umgebung ist deutlich kühler, sodass hier das Strahlungsmaximum zu längeren Wellenlängen verschoben ist. Da die Magnetfeldachse im Vergleich zur Drehachse verkippt ist, sind die Pole stets nacheinander periodisch verdeckt. Mit XMM-Newton lässt sich entsprechend ein periodischer Helligkeitsverlauf wahrnehmen.
Durchaus! Schließlich kann man nicht erwarten, dass so ein Hot Spot ruhig und still an ein und derselben Stelle verharrt. Vielmehr wird er wandern, da der Neutronenstern rotiert. Und weil wie bei der Erde das Magnetfeld leicht zur Rotationsachse gekippt ist, so scheint es zumindest bei Geminga der Fall zu sein, befindet sich der heiße Fleck mal auf der Vorderseite des Sterns, mal verschwindet er auf der Rückseite. Entsprechend sind entweder die Photonen des 2 Millionen Grad Celsius heißen Flecks oder die der lediglich 0,5 Millionen Grad heißen Oberfläche zu detektieren.

Es passt also alles zusammen. Und wenn XMM-Newton mit seiner Dauerbeobachtung tatsächlich einen heißen Fleck auf dem Neutronenstern ausgemacht hat, dann wäre das definitiv ein Rekord. Denn der Hot Spot, das zeigen Berechnungen, kann nicht größer als vielleicht 120 Meter sein. Das entspricht einem Fußballfeld in einer 500 Lichtjahre entfernten Großstadt. Laut Caraveo handelt es sich hierbei also um das "kleinste Objekt, das jemals außerhalb des Sonnensystems entdeckt wurde."

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