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Ernährung: Feldfrüchte mit mehr Inhalt

Weltweit leiden rund zwei Milliarden Menschen an Nährstoffmangel. Eine mögliche Lösung lautet, gehaltvollere Pflanzen zu züchten. Das Konzept ist jedoch umstritten.
Reispflanzen reifen im Sonnenlicht auf einem Feld.
Reis dient vielerorts als Grundnahrungsmittel, auch in armen Ländern, in denen viele Menschen unter Vitamin-A-Mangel leiden. Das brachte Fachleute auf die Idee, »Goldenen Reis« zu entwickeln, eine gentechnisch veränderte Reissorte mit erhöhtem Betacarotin-Gehalt. Die Hoffnung lautete, damit den Vitamin-A-Mangel bekämpfen zu können. Doch der Widerstand gegen das Agrarprodukt war von Anfang an groß.

Viele Deutsche leiden Hunger. Das heißt allerdings nicht zwangsläufig, dass sie zu wenig Kalorien aufnehmen. Im Gegenteil, laut Statistischem Bundesamt ist mehr als jeder zweite Erwachsene hier zu Lande übergewichtig. Bei dem Nahrungsmangel, der Menschen in wohlhabenden Ländern betrifft, handelt es sich oft um »Hidden Hunger«, deutsch: versteckten Hunger. Damit ist eine qualitative Mangelernährung gemeint, der es an wichtigen Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralien oder Ballaststoffen fehlt.

Laut der »Nationalen Verzehrsstudie II« aus dem Jahr 2008 sowie der »Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland« erreichen beispielsweise 79 Prozent der Männer und 86 Prozent der Frauen die Referenzwerte für die Zufuhr von Folat-Äquivalenten – Formen des Vitamin B9 – nicht. Weitere 46 Prozent der Männer sowie 55 Prozent der Frauen unterschreiten die Empfehlung für Kalziumzufuhr und 75 Prozent der Frauen bis zum Alter von 50 Jahren nehmen nicht genug Eisen zu sich. Insbesondere bei sehr jungen sowie sehr alten Menschen, Frauen, Patienten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie bei sozial Benachteiligten und Singles beziehungsweise Alleinlebenden sind häufig Defizite in der Versorgung mit Mikronährstoffen zu beobachten.

Doch ist Deutschland nur die Spitze des Eisbergs. Der versteckte Hunger ist ein globales Gesundheitsproblem von enormen Ausmaßen. Weltweit leiden schätzungsweise zwei Milliarden Menschen an Mikronährstoffmangel, die meisten davon leben in Afrika und Südostasien. Insbesondere Eisen, Zink und Vitamin A fehlen in den Lebensmitteln, die Menschen in einkommensschwachen Ländern zur Verfügung stehen.

Folgenreiche Mangelernährung

Was lässt sich dagegen unternehmen? Diese Frage stellte sich bereits in den 1990er Jahren Howarth Bouis. Der amerikanische Ökonom trat 1982 dem internationalen Forschungsinstitut IFPRI (International Food Policy Research Institute) bei und begann mit Feldforschung auf den Philippinen, wobei er den Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status, Ernährung und Gesundheit untersuchte. Damals lag der Fokus der Ernährungsforschung noch beinahe ausschließlich auf den Themen Kalorienzufuhr und Unterernährung, doch Bouis vermutete, dass versteckter Hunger ein ebenso großes Gesundheitsrisiko darstellt.

Eine unzureichende Nährstoffzufuhr hat verschiedene negative Auswirkungen auf die Betroffenen. Je nachdem, welcher der Mikronährstoffe für wie lange fehlt, kommt es zu Konzentrationsschwierigkeiten, einem Absinken des Körpergewichts, erhöhter Infektionsanfälligkeit und einem erhöhten Sterberisiko sowie bei Kindern zu körperlichen und mentalen Entwicklungsstörungen. Entsprechende Folgeerscheinungen lassen sich vor allem in den Ländern des Globalen Südens beobachten. Im Jahr 2022 litten 148 Millionen Kinder weltweit unter Wachstumseinschränkungen, was zumindest teilweise auf eine mangelhafte Mikronährstoffversorgung entweder der Kinder selbst oder ihrer Mütter zurückzuführen ist. 500 Millionen Frauen im Alter zwischen 15 und 49 sind wegen Eisenmangels von Blutarmut betroffen und etwa 350 000 Säuglinge und junge Kinder pro Jahr auf Grund eines Mangels an Vitamin A..

Markt in Malawi | Menschen in Ländern des Globalen Südens, die von Armut betroffen sind, ernähren sich oft großteils von stärke- und kalorienreichen, aber nährstoffarmen Feldfrüchten. Abgebildet ist ein Lebensmittelmarkt im afrikanischen Malawi, auf dem Kartoffeln in Eimern verkauft werden. Malawi zählt zu den ärmsten Ländern der Welt.

Der Ökonom Bouis beobachtete, dass Menschen in Ländern des Globalen Südens, die von Armut betroffen sind, einen schlechten Zugang zu Eiern, Fleisch und Fisch, Milchprodukten sowie frischem Obst und Gemüse haben. Stattdessen ernähren sie sich großteils von Reis, Weizen, Hirse, Mais, Kartoffeln und anderen stärke- und kalorienreichen, aber nährstoffarmen Feldfrüchten. Seine Idee zur Bekämpfung der Mangelernährung lautete deshalb, ebendiese Feldfrüchte mit Vitaminen und Mineralien anzureichern. Einer der Vorteile aus seiner Sicht: Die Biofortifikation setzt im Gegensatz zu anderen Arten der Anreicherung – beispielsweise in Form von Salz, das mit Jod besprüht wird – direkt bei den Nahrungspflanzen an.

Gentechnik und konventionelle Zucht

Es gibt zwei Hauptformen der Biofortifikation. Die erste gründet auf gentechnischen Veränderungen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der »Golden Rice«, der im Jahr 2000 im Fachjournal »Science« vorgestellt wurde. Es handelt sich um eine künstlich entwickelte Reissorte, die mit Erbanlagen des Bakteriums Erwinia uredovora sowie der Narzisse ausgestattet wurde, weshalb sie erhöhte Mengen an Betacarotin (Provitamin A) produziert. Aus diesem Grund hat der Goldene Reis einen gelblichen Farbton. Der menschliche Organismus wandelt Betacarotin in Vitamin A um; würde Goldener Reis daher in ausreichenden Mengen angebaut und konsumiert, so die ursprüngliche Hoffnung, könnte er einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung des Vitamin-A-Mangels und der Blindheit bei Kindern leisten.

Doch der Widerstand gegen das gentechnisch erzeugte Agrarprodukt war von Anfang an groß. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace startete eine globale Kampagne, um die Verbreitung des Golden Rice zu verhindern. Sie befürchtete unkontrollierbare ökologische Folgen durch den Anbau der genetisch modifizierten Pflanze und betonte, es gebe »natürlichere« Wege, Vitamin-A-Mangel zu bekämpfen. Die Kampagne hatte Erfolg: In keinem Land der Erde wird Goldener Reis heute kommerziell angebaut. Auf den Philippinen verhinderte ein Berufungsgericht gerade erst 2024 wieder, die Reissorte anpflanzen zu dürfen – auf Betreiben von Greenpeace und lokalen Farmern hin.

Goldener Reis ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass gentechnische Pflanzenzucht immer wieder auf enorme Widerstände stößt

Goldener Reis ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass gentechnische Pflanzenzucht immer wieder auf enorme Widerstände stößt. Howarth Bouis und seine Kollegen setzten deshalb schon bald auf einen zweiten und mittlerweile wichtigeren Ansatz der Biofortifikation: konventionelle Züchtung. 1993 richtete Bouis am IFPRI ein entsprechendes Forschungsprogramm ein. Seit 2003 führt er es im Rahmen einer strategischen Partnerschaft von Staaten, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen zur Erforschung verbesserter landwirtschaftlicher Techniken unter dem Namen »HarvestPlus« fort.

Bei der Biofortifikation im Rahmen konventioneller Züchtung wird beispielsweise eine Bohnensorte ausgewählt, die bereits einen erhöhten Gehalt an Eisen oder Zink aufweist. Die Fachleute kombinieren die Nachkommen dieser Pflanze dann so lange miteinander sowie mit anderen Bohnensorten, bis die entstandenen Gewächse eine ausreichende Menge an Mikronährstoffen enthalten. Meist geschieht das mit Hilfe eines »Speed-Breeding«-Verfahrens, bei dem die Pflanzen künstlichem Stress unterzogen werden, was ihre Lebenszyklen und damit die für die Züchtung notwendige Zeit verkürzt.

Vorliebe für süßliche Lebensmittel

Feldfrüchte sind züchterisch meist nicht auf Mikronährstoffgehalt optimiert. »Einige dieser Stoffe machen Feldfrüchte bitter«, erläutert Alisdair Fernie, Leiter der Forschungsgruppe Zentraler Metabolismus am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam. »Unsere Vorfahren bevorzugten aber süßlich schmeckende Lebensmittel.« Außerdem habe der Fokus des Pflanzenanbaus seit jeher auf Ertragssteigerung gelegen, was ebenfalls dazu führte, dass sich der Mikronährstoffgehalt verringerte.

Fernie betreibt selbst Forschung zur Biofortifikation, etwa an Tomaten. Er weiß, wie kompliziert es sein kann, den über Tausende von Jahren hinweg verringerten Nährstoffgehalt wieder zu erhöhen. »Zu Beginn der Biofortifikationsforschung war man noch ziemlich naiv«, erinnert sich der Wissenschaftler. Die biologischen Pfade, die den Mikronährstoffgehalt einer Pflanze bestimmen, waren zunächst oft unbekannt. Überdies sind sie häufig in Netzwerken organisiert: Ändert man eine Eigenschaft, ändern sich immer gleich mehrere andere mit, was unterm Strich manchmal das Gegenteil dessen bewirkt, was man eigentlich erreichen wollte. Mittlerweile könne man mit Hilfe genetischer Screenings deutlich einfacher feststellen, welche Eigenschaften man wie beeinflussen muss, um das gewünschte Resultat zu erzielen.

Der technische Fortschritt im Bereich der Genomuntersuchungen hat es den Fachleuten von HarvestPlus ermöglicht, binnen 20 Jahren hunderte biofortifizierte Feldfrüchte zu entwickeln. Zu ihnen gehört die Vitamin-A-reiche Süßkartoffel »Tio Joe«, die stark eisenhaltige Bohnensorte »SMR 156« oder die mit Zink angereicherte Weizen-Varietät »Panchakoshi«. Die Samen für diese Pflanzen verteilten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Programms mit Hilfe von Regierungen teilnehmender Staaten und Nichtregierungsorganisationen an Bauern, die dann eigenständig die Feldfrüchte anbauten. Da die Züchtungen keinem Patentschutz unterliegen, können sie im Prinzip in jeder Saison aufs Neue ausgebracht werden.

Zahlreiche Hemmnisse

Laut Angaben auf der Homepage von HarvestPlus konsumieren weltweit mehr als 100 Millionen Menschen in 41 Ländern biofortifizierte Lebensmittel, die meisten leben in afrikanischen Ländern der Subsahara-Region wie Äthiopien und Sambia. Doch auch in Brasilien, Indien, Mexiko und China stehen die angereicherten Feldfrüchte auf dem Speiseplan.

Ist es also nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Erzeugung biofortifizierter Lebensmittel überall durchgesetzt hat und Mangelernährung der Vergangenheit angehört? So einfach wird es nicht sein, sagen Fachleute. Jeremy Cherfas, promovierter Biologe und Wissenschaftskommunikator, der für verschiedene Nichtregierungsorganisationen im Bereich der globalen Ernährungssicherheit arbeitet, kritisiert das Konzept der Biofortifikation und benennt gleich mehrere Probleme, die sich daraus ergeben.

»Innerhalb der Pflanze besteht eine Konkurrenz um Ressourcen. Wird etwa der Eisengehalt erhöht, geht das auf Kosten der Stärkebildung«Jeremy Cherfas, Wissenschaftskommunikator

Da sei zunächst die Denkweise hinter diesem Konzept: der Wunsch nach einer einfachen, rein technischen Lösung für ein kompliziertes und politisch heikles Problem. In Indien beispielsweise seien viele Menschen unterernährt – während dort gleichzeitig Millionen Tonnen Getreide lagerten, die teilweise verrotten. In Großbritannien wiederum korreliere das wachsende Problem der Mangelernährung mit der Zunahme der (Kinder-)Armut seit den 2010er Jahren. Zwischen 2013 und 2023 verdoppelte sich die Zahl derer, die dort wegen Eisenmangels in die Klinik eingewiesen wurden, von knapp 200 000 auf rund 500 000. Die Zahl der Menschen, die zu wenig Vitamin B aufnehmen, hat sich in Großbritannien sogar fast verdreifacht: von 60 000 im Jahr 2013 auf 170 000 im Jahr 2023. Ärzte und Nationaler Gesundheitsdienst schlagen Alarm. Wie die Zeitung »The Guardian« berichtet, ist im Vereinigten Königreich eine Diskussion entbrannt um die Ursachen, Folgen sowie den richtigen Umgang mit unzureichender Ernährung. Viele weitere Kritiker der Biofortifikation meinen daher, dass die Armutsbekämpfung mit Hilfe verschiedener Maßnahmen – Umverteilung, Wirtschaftswachstum, Korruptionsbekämpfung – eine der wichtigsten Stellschrauben im Kampf gegen unzureichende Ernährung sei.

Mit verminderten Erträgen bestraft

Aus technischer Sicht problematisch, führt Cherfas weiter aus, sei die »yield penalty«, die Ertragsstrafe, die man für biofortifizierte Lebensmittel zahlt. So wie Pflanzenzüchter seit gut 10 000 Jahren immer höhere Erträge zu erzielen versuchen und damit den Gehalt von Mikronährstoffen in Feldfrüchten verringert haben, kommt es umgekehrt häufig zu einer Ertragsverringerung, wenn man nährstoffangereicherte Nahrungspflanzen züchtet. »Innerhalb der Pflanze besteht eine Konkurrenz um Ressourcen«, erläutert Cherfas. »Wird etwa der Eisengehalt erhöht, geht das auf Kosten der Stärkebildung.« So besteht die Gefahr, dass der Kampf gegen die Mangelernährung zu einem Wiederaufkommen der Unterernährung führt: entweder weil die Bauern nicht mehr genug Kalorien für den Eigen- oder Fremdbedarf produzieren oder weil ihnen ein Teil des Einkommens verloren geht, wenn sie weniger Ertrag einfahren.

Darüber hinaus bemängelt Cherfas, dass es unklar sei, wie sich der Konsum biofortifizierter Nahrungsmittel medizinisch auswirke. Es gebe nur wenige Studien, die einen klaren Effekt zeigten. Meist würde schlicht davon ausgegangen, dass die angereicherten Lebensmittel das Problem der Mangelernährung schon beheben würden.

In einer Metastudie hat die Epidemiologin Julia Finkelstein vom Cornell College in Iowa mehrere randomisierte klinische Studien ausgewertet, die auf den Philippinen, in Indien und Ruanda durchgeführt wurden. Zum Teil bekamen die teilnehmenden Personen Reis, Hirse oder Bohnen in biofortifizierter, mit Eisen angereicherter Form zu essen. Die anderen erhielten nicht biofortifizierte Lebensmittel. Bei den Probanden der ersten Gruppe verbesserten sich einige Biomarker des Eisenstoffwechsels, darunter das Serum-Ferritin. Zudem nahmen die Aufmerksamkeit und die Gedächtnisleistungen in dieser Gruppe zu. Allerdings führte die angereicherte Ernährung nicht zu einer signifikanten Verbesserung zentraler Eisenstatus-Marker wie Hämoglobin und reichte nicht aus, um die Anämiehäufigkeit oder den Eisenstoffwechsel insgesamt signifikant zu beeinflussen.

Augenbohnen | Die Augenbohne (Vigna unguiculata) ist eine Hülsenfrucht, die in Afrika angebaut wird und zu den ältesten Kulturpflanzen zählt. Sie wird hauptsächlich in Westafrika kultiviert und gedeiht selbst unter trockenen Bedingungen in sandigen Böden. Sowohl ihre Bohnen als auch ihre Blätter, Samen und Schoten sind essbar, zudem dienen die Pflanzen als Viehfutter. Manche Fachleute halten den Anbau solcher lokalen Nutzpflanzen für sinnvoller als die Biofortifikation.

Unklarer Nutzen

Es gibt demnach Hinweise, dass biofortifizierte Nahrungsmittel helfen können, versteckten Hunger zu bekämpfen. Ihr konkreter Nutzen sei jedoch unklar, betont Cherfas. Zudem könne man nicht davon ausgehen, dass »diejenigen, die diese Lebensmittel am dringendsten brauchen, sie auch bekommen«. Menschen in Armut hätten oft nicht die Möglichkeit, solche Feldfrüchte in ausreichenden Mengen oder überhaupt anzubauen. Die einzige Chance, an entsprechende Erzeugnisse zu gelangen, bestehe dann darin, sie auf dem Markt zu kaufen, wo das »Potenzial für Betrug sehr hoch« sei. Goldenen Reis könne man mit bloßem Auge erkennen, eisenhaltige Bohnen hingegen nicht.

Als Konzept gegen die Mangelernährung schlagen Cherfas und andere Fachleute eine Diversifikation vor: Statt Grundnahrungsmittel mit Mikronährstoffen anzureichern, sei es sinnvoller, einkommensschwachen Bauern den Anbau von lokalen, seltenen Obst- und Gemüsesorten zu ermöglichen. Das würde nicht nur die genetische Vielfalt und damit die Resilienz des globalen Nutzpflanzenbestands stärken, sondern auch das Problem des geringeren Ertrags biofortifizierter Feldfrüchte umgehen. In Kenia, schildert Cherfas, habe es Versuche gegeben, Augen- oder Kuhbohnen (Vigna unguiculata) anzubauen, die reich an Eisen, Kalzium und Folsäure sind, und in Supermärkten anzubieten. Solche Ansätze hält der Biologe für langfristig sinnvoller und nachhaltiger als Biofortifikation. Allerdings, so räumt er ein, gebe es auch hinsichtlich entsprechender Diversifikationsansätze keine Langzeitstudien, die einen medizinischen Nutzen eindeutig belegen würden.

Alisdair Fernie erkennt einen Teil dieser Kritik an. So sei es tatsächlich ein Problem, dass es nur wenige Langzeitstudien über die gesundheitlichen Auswirkungen biofortifizierter Lebensmittel gebe. Hier müsse nachgebessert werden. Doch er verweist darauf, dass die Biofortifikation als Konzept gegen Mangelernährung noch verhältnismäßig jung sei.

Suche nach Lösungen

Was die verminderten Erträge anbelangt, sagt Fernie, sei man lange davon ausgegangen, dass es in der Pflanzenzucht einen unvermeidlichen Zielkonflikt zwischen Mikronährstoffgehalt und Ertrag gebe. Allerdings hätten Experimente in jüngerer Vergangenheit gezeigt, dass sich dieser Konflikt auflösen lässt – etwa bei Tomaten. Noch sei nicht klar, ob das bei allen Feldfrüchten gelinge, er sei aber hoffnungsvoll, dass es möglich ist.

Laut Fernie müssen sich Biofortifikation und Diversifikation nicht gegenseitig ausschließen. So ließen sich alte, resiliente Wildpflanzen mit modernen, ertragreichen Arten kreuzen, um die genetische Vielfalt zu erhöhen und Feldfrüchte zu erzeugen, die an die lokalen Verhältnisse angepasst sind.

Cherfas und Fernie stimmen darin überein, dass biofortifizierte Lebensmittel nur so gut sein können wie die Umsetzung des Konzepts. Die Folgen einer Mangelernährung ließen sich damit lindern, solange sichergestellt sei, dass die angereicherten Nahrungsmittel nicht mit problematischen Kalorieneinbußen oder Einkommensverlusten der Bauern einhergehen.

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  • Quellen

Cherfas, J., van Ginkel, M.: What is wrong with biofortification. Global Food Security 37, 2023

Corcoran, K.: Where is child poverty increasing in the UK? Action for Children, 2024

Enserink, M.: Tough lessons from Golden Rice. Science 320, 2008

Fernie, A.R. et al.: Metabolic signatures from genebank collections: An underexploited resource for human health? Annual Review of Food Science and Technology 14, 2023

Finkelstein, J.L. et al.: Iron biofortification interventions to improve iron status and functional outcomes. Proceedings of the Nutrition Society 78, 2019

Virk, P.S.: Transition from targeted breeding to mainstreaming of biofortification traits in crop improvement programs. Frontiers in Plant Science 12, 2021

Zhang, J.H. et al.: Releasing a sugar brake generates sweeter tomato without yield penalty. Nature 635, 2024

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