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Sonnensystem: Heller als erlaubt

Kuipergürtel
Objekt im Kuipergürtel (künstlerische Darstellung)
Jenseits der Umlaufbahn des äußersten Planeten Neptun ist das Sonnensystem noch nicht zu Ende. Denn dort, fern von unserem Wärme spendenden Zentralgestirn, beginnt der Kuipergürtel, in dem unzählige eisige Himmelskörper um die Sonne kreisen. Zu den mehr als tausend bereits bekannten Eisbrocken gehören die Zwergplaneten Pluto, Makemake und Haumea. Letzterer kollidierte vor Milliarden Jahren mit einem anderen Himmelskörper und ließ dabei ungefähr ein Dutzend kleinerer Brocken im All zurück, die seither ihre Bahn um die Sonne ziehen. Einen davon, mit dem prosaischen Namen KBO 55636 (KBO steht für Kuiper Belt Object) untersuchten Astronomen näher; dabei stellte sich heraus, dass er viel mehr Licht reflektiert, als er eigentlich dürfte.

Doch wie erforscht man einen vergleichsweise winzigen Felsbrocken, der am Rande des Sonnensystems seine Bahn zieht? Die Astronomen werteten zunächst Beobachtungen der letzten Jahre aus und berechneten, wann KBO 55636 von der Erde aus gesehen genau vor einem Hintergrundstern vorbeiziehen würde. Um diese "Sternenfinsternis" nachzuweisen, arbeitete James Elliot vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit 42 Astronomen von 18 Observatorien in aller Welt zusammen. Letztlich registrierten die Bedeckung nur zwei Observatorien auf Hawaii, doch reichten die Daten aus, um den Durchmesser und die Albedo des Kuipergürtelobjekts zu bestimmen. Beide Ergebnisse waren überraschend: Mit einem Durchmesser von rund 300 Kilometern ist KBO 55636 kleiner als die Forscher gedacht hatten. Und er besitzt eine geometrische Albedo von 0,88 im V-Band, das bedeutet, er reflektiert rund 88 Prozent des einfallenden sichtbaren Lichts – das ist so hell wie frisch gefallener Schnee. Zum Vergleich: Die Venus hat eine geometrische Albedo von 0,65, der Mond von 0,11. Auf der Oberfläche von KBO 55636 muss sich also frisches, sauberes Eis befinden. Es handelt sich dabei um Wassereis, wie spektroskopische Untersuchungen zeigten. Woher das Eis kommt, ist auch klar – es stammt aus dem zertrümmerten Zwergplaneten Haumea. Doch wie kann ein winziger Brocken aus Fels und Eis über Milliarden Jahre hinweg so sauber bleiben?

Die meisten bekannten Objekte im Kuipergürtel reflektieren kaum Licht. Mit der Zeit sammelt sich Staub auf der Oberfläche an; Meteoriteneinschläge und das ständige Bombardement mit kosmischer Strahlung lösen chemische Prozesse aus, so dass ihre Oberfläche von dunklen Materialien bedeckt wird. Gegen diese allmähliche Verdunkelung wirken andere Prozesse: Besitzt ein Himmelskörper eine Atmosphäre, so können Gase zu frischem Eis kondensieren, und wenn er eine Hitzequelle in seinem Inneren aufweist, transportieren "Kryovulkane" Eis aus dem Inneren des Himmelskörpers nach außen. Doch KBO 55636 ist zu klein, um eine nennenswerte Atmosphäre zu besitzen. Eine innere Wärmequelle, die Kryovulkanismus ermöglichen könnte, ist auch unwahrscheinlich. Also muss das frische Eis auf eine andere Weise auf seine Oberfläche gelangt sein, oder es gibt eine Möglichkeit, wie Wassereis im äußeren Sonnensystem über Milliarden Jahre hinweg bestehen bleiben kann.
Wie es nun wirklich funktioniert, werden zukünftige Untersuchungen zeigen – es bleibt also spannend.

Manuela Kuhar

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