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News: Herzklappe öffnet sich wie ein Regenschirm

Kardiologen haben den Prototypen eines Herzklappen-Systems entwickelt, das künftig minimal-invasiv per Katheter eingesetzt werden soll. Dieses Verfahren kann den Patienten eine mehrstündige konventionelle Herz-Operation ersparen. In wenigen Jahren soll dieser Prototyp soweit optimiert sein, dass er zur klinischen Anwendung kommen kann.
"Das lebt doch richtig!" Der Kardiologe Hans-Reiner Figulla ist begeistert. In einem Plexiglasröhrensystem haben seine Mitarbeiter Markus Ferrari und Igor Tenner in der Jenaer Uniklinik für Innere Medizin III einen menschlichen Blutkreislauf simuliert und eine neuartige künstliche Herzklappe eingebaut. An einem Ziehharmonika-ähnlichen Drahtgeflecht, einem so genannten Stent, festgenäht, versieht sie wacker ihren Dienst.

Es handelt sich um einen Prototypen, dessen Nachfolgemodelle die Ärzte eines Tages nicht durch eine mehrstündige komplizierte Herzoperation, sondern in wenigen Minuten minimal-invasiv per Katheter einsetzen wollen. Die Belastung für den Patienten wäre dann vergleichsweise gering, so dass auch hochbetagte oder geschwächte Kranke mit insuffizientem Herzen noch eine Überlebenschance erhielten.

Der besondere Kniff liegt aber nicht beim eigentlichen Ventil. "Das ist eine ganz normale native Schweineherzklappe, wie sie die Kollegen in der Kardiochirurgie auch einsetzen", erklärt Figulla. Vielmehr geht es um eine Gefäßstütze, die sich wie ein Regenschirm auf acht Millimeter Durchmesser zusammenfalten lässt. Nur so kann man sie mit einem Katheter durch die Leistenschlagader bis zum Herzen einführen und zwischen Hauptkammer und Aorta platzieren. Dort spannt sich die Drahtkonstruktion samt neuer Klappe auf und krallt sich mit kleinen Widerhaken an der Gefäßwand fest.

Klar, dass die Jenaer Mediziner dieses inzwischen patentierte Modell nicht allein optimieren können, sondern der Hilfe von Ingenieuren bedürfen. Kooperationspartner fanden sie vor Ort beim Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik. Das System muss im zusammengefalteten Zustand noch ein bisschen kleiner werden, soll absolut fest in der Aorta sitzen und schließlich auch den dort herrschenden enormen Drücken bis zu 200 mmHg standhalten.

Mit hauchdünnem Spezialgarn, das üblicherweise in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder bei Augenoperationen benutzt wird, ist die Klappe an der Gefäßstütze fixiert. "Dieses Drahtgeflecht besteht aus einer bimetallischen Legierung, die – eisgekühlt – recht weich und elastisch bleibt, aber schon bei Körpertemperatur eine äußerst hohe Stabilität gewinnt", erläutert Ferrari. "Nur so ist einerseits ein komplikationsloser Transport per Katheter zum Herzen, andererseits ein sicherer und für lange Zeit zuverlässiger Betrieb vor Ort gewährleistet."

Obzwar der Prototyp in der Modellsituation schon prima funktioniert, dauert es noch Jahre, bis der erste Mensch auf diese Weise eine neue Herzklappe implantiert bekommt. "Im Augenblick laufen noch biophysikalische Tests im Modell", schildert Figulla den Stand der Dinge, "aber in Kürze werden wir mit den ersten Tierversuchen beginnen." Dann hat das neue System seine erste echte Bewährungsprobe.

Dabei muss sich auch herausstellen, wie ein nicht ganz ungefährlicher Moment während der Implantation Überstanden werden kann: Bevor die Ärzte die neue Klappe einsetzen, muss die alte per Ballondilatation aufgeweitet werden. "Für wenige Sekunden, bis unser System entfaltet ist, entsteht eine Insuffizienz", erklärt Figulla. "Deshalb und aus anderen Gründen wäre es unverantwortlich, die Klappe gleich am Menschen zu testen." Dennoch ist er guten Mutes, auch diese Hürde zu meistern.

Immerhin hat das Bundesforschungsministerium seinem Projekt gerade einen Preis und die Förderung als Schlüsselexperiment zugebilligt. "Jetzt können wir intensiver arbeiten und kommen rascher voran", freut sich der Kardiologe. "Vielleicht können wir schon in drei, vier Jahren den ersten menschlichen Patienten auf diese sehr elegante Art operieren." Ob er mit seiner Entwicklung nicht die Herzchirurgen arbeitslos macht? – "Bestimmt nicht", meint Figulla. "Die Kollegen haben ohnehin alle Hände voll zu tun, und wir kümmern uns dann um die Patienten, die aus Sicht der klassischen Kardiochirurgie inoperabel sind."

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