Direkt zum Inhalt

Medizin: Herzzellen erneuern sich

Mattias Karlén / Science
Weg eines Radiokohlenstoffs | Bei überirdischen Atombombentests wurde Radiokohlenstoff in großen Mengen frei und vermehrt vom Körper aufgenommen. Diese Tatsache nutzten Forscher nun, um die Erneuerung von Herzmuskelzellen zu belegen.
Durch Kernreaktionen entsteht in der oberen Atmosphäre unablässig in geringem Umfang das Kohlenstoffisotop 14C, auch Radiokohlenstoff genannt. Bei Atombombentests während des Kalten Kriegs gelangten allerdings große Mengen davon zusätzlich in die Lufthülle. Die 14C-Konzentration in der Atmosphäre erreichte deshalb Mitte der 1960er Jahre ein Maximum und sank danach wieder ab.

Auf der Basis dieses Faktums konnten Wissenschaftler um Olaf Bergmann vom Karolinska Institut in Stockholm nun zeigen, dass sich Herzmuskelzellen beim Menschen langsam aber stetig erneuern. Geschähe das nicht, bliebe die 14C-Konzentration in der Erbsubstanz von Personen, die während der Atomtests zur Welt kamen, nämlich zeitlebens auf konstant hohem Niveau. Doch das ist, wie die Forscher feststellten, nicht der Fall. Demnach haben sich die Zellen langsam erneuert, als der 14C-Gehalt der Atmosphäre wieder gesunken war. Bei Probanden, die vor den Tests geboren wurden, fand sich hingegen eine höhere 14C-Konzentration als erwartet. Auch das spricht für eine Regeneration: Die später gebildeten Herzzellen müssen das nach den Atomtests in größerer Menge vorhandene 14C vermehrt in ihre DNA eingebaut haben.

Bergmann und seine Kollegen errechneten aus ihren Daten, dass bei einem 25jährigen etwa ein Prozent der Herzmuskelzellen jährlich erneuert werden. Bei einem 75jährigen sind es dagegen nur noch 0,45 Prozent. Bislang war nicht klar, ob eine solche Regeneration überhaupt stattfindet. Bei einem Herzinfarkt werden die verloren Herzellen jedenfalls nicht nachgebildet, sondern durch Bindegewebszellen ersetzt. Für eine Therapie käme es in diesem Fall darauf an, die nun entdeckte natürliche Erneuerung künstlich stark zu beschleunigen.

Jochen Steiner

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.