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Neurodegenerative Krankheiten: Hilft Diabetesmedikament gegen Parkinson?

Parkinson und Diabetes haben auf den ersten Blick nichts gemeinsam. Studien deuten jedoch an, dass beide ähnliche Signalwege aufweisen. Das ermöglicht neue Therapien.
Ein älteres Paar hält sich an den Händen

Könnte es sich bei Parkinson und Alzheimer um so etwas wie Diabetes Typ 2 des Gehirns handeln? Das deuten einige Studien an: Sie zeigen, dass nicht nur Leber- oder Muskelzellen diabetisch werden können, sondern auch Neurone nicht mehr auf Insulin reagieren. Insulin ist beispielsweise an Gedächtnisprozessen beteiligt. Das könnte etwa erklären, warum Menschen mit Diabetes Typ 2 ein höheres Risiko für Alzheimer haben. In einer anderen Studie an Tieren bildeten sich in deren Gehirnen zahlreiche Beta-Amyloid-Plaques aus, wenn diese hochkalorische Nahrung zu sich nehmen mussten, die bei ihnen Diabetes auslösen sollte. Einen weiteren Hinweis, dass Diabetes Typ 2 und verschiedene neurodegenerative Krankheiten zusammenhängen könnten, liefern Thomas Foltynie vom National Hospital for Neurology and Neurosurgery in London und sein Team in "Lancet": Sie belegen, dass ein Wirkstoff namens Exenatid bei Diabetes hilft sowie den Krankheitsfortschritt bei Parkinson mindestens verlangsamt.

Exenatid ist ein Polypeptid, das ursprünglich im Speichel der nordamerikanischen Gila-Krustenechse (Heloderma suspectum) gefunden wurde. Seit 2007 ist es in Deutschland auf dem Markt und muss vor Mahlzeiten unter die Haut gespritzt werden. Es senkt dabei nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern reduziert ebenso den Appetit. Foltynie und Co testeten es an 31 Freiwilligen mit leichten Parkinsonsymptomen und verglichen sie mit einer Gruppe aus 29 Probanden mit gleichem Krankheitsgrad, die nur ein Placebo erhielten. Insgesamt dauerte die Versuchsreihe 48 Wochen, wobei sich die Teilnehmer einmal wöchentlich eine Dosis spritzen mussten; zwölf Wochen nach Ende der Behandlung untersuchten die Mediziner, wie sich Parkinson bei diesen weiterentwickelt hatte, und bewerteten die Symptome auf einer 199 Punkte umfassenden Skala.

Bei der Placebogruppe schritt der neuronale Verfall fort – durchschnittlich um drei Punkte, was für diesen Zeitraum auch ungefähr zu erwarten war. Die Exenatid-Probanden verbesserten sich hingegen sogar um einen Punkt, schnitten also im Mittel um vier Punkte besser ab als ihre Mitpatienten. Zudem zeigten hirntomografische Bilder, dass sich bei ihnen die beschädigten Areale im Gehirn nicht weiter ausgebreitet hatten. Auf den ersten Blick ein positives Ergebnis, doch bewerteten die Forscher die Unterschiede noch als relativ gering. Zudem schnitten die Teilnehmer mit Exenatid nicht besser beim Kognitionstest ab und wiesen weiterhin die gleichen Symptome auf wie zuvor.

"Man kann mit einem gewissen Maß an Sicherheit sagen, dass der Wirkstoff die Krankheit verlangsamt, wenngleich nur in geringem Umfang", beurteilte der Neuropharmakologe David Dexter von Parkinson's UK das Ergebnis gegenüber dem "NewScientist". Womöglich verbessert Exenatid die Energieversorgung der Neurone, weil es sie wieder empfänglicher für Insulin macht, und verringert damit Entzündungsreaktionen. Das Medikament gilt als relativ nebenwirkungsarm, führt aber bisweilen zu einem unruhigen Magen und Gewichtsabnahme. Parkinsonbetroffene sollten sich dennoch keine vorschnellen Hoffnungen auf einen Einsatz der Arznei machen. Erst müssten weitere klinische Studien folgen, so Foltynie.

Viele bisherige Ansätze gegen Parkinson setzen darauf, den verantwortlichen Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen: Zu den wichtigsten Auslösern von Parkinson zählt, dass die Dopamin produzierenden Nervenzellen aus bislang unbekannten Gründen absterben. Die eigentliche Degeneration der entsprechenden Neurone und der Fortschritt der Krankheit wird durch die Dopamingabe jedoch nicht aufgehalten, weshalb Mediziner nach neuen Ansätzen suchen – etwa der Stammzelltherapie, bei der Dopamin produzierende Zellen direkt ins Gehirn der Betroffenen transplantiert werden.

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