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News: 'Himmlische Akkorde' zu Einsteins Ehren

Neutronensterne haben etwa die gleiche Masse wie unsere Sonne, aber ihr Durchmesser beträgt nur rund 15 Kilometer. Solche enormen Massekonzentrationen sollten nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie die Raumzeit krümmen, so daß Materie nicht beliebig dicht um einen Neutronenstern kreisen kann, ohne auf ihn herabzustürzen. Beobachtungen mit einem neuen Röntgensatelliten scheinen das Modell nun zu bestätigen.
Auf dem Treffen der American Physical Society am 20. April 1998 stellten Fredercik Lamb von der University of Illinois in Urbana-Champaign und William Zhang vom Goddard Space Flight Center der NASA ihre theoretischen Berechnungen vor bzw. die dazu passenden Meßbefunde, die mit dem Satelliten Rossi X-Ray Timing Explorer gewonnen wurden.

Neutronensterne sind die Überreste von Sternen mit ungefähr der zehnfachen Sonnenmasse, die mit einer gewaltigen Supernova ihr bisheriges Dasein beenden und als extrem dichte Überreste mit ungefähr der einfachen Sonnenmasse aber einem Durchmesser von nur rund 15 Kilometern zu den Exoten im Weltraum gehören. Innerhalb der Neutronensterne ist die Materie dichter gepackt als in Atomkernen. Gemäß Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie wird dadurch die Raumzeit um den Himmelskörper gekrümmt.

Diese Krümmung läßt sich indirekt nachweisen. Viele Neutronensterne bilden zusammen mit einem normalen Stern ein Doppelsystem. Diese Nachbarschaft verläuft meist zum Nachteil des Begleitsternes, von dem sich der Neutronenstern wegen seiner enormen Gravitationskraft ständig Materie einverleibt. Das Gas wird geradezu von der Oberfläche des Sterns gerissen und bewegt sich in Spiralen auf den kleinen Neutronenstern zu. Dabei wird es fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Trifft es auf die Oberfläche des Neutronensterns, wird es auf Temperaturen von 100 Millionen Grad erhitzt und strahlt Röntgenstrahlen ab. Zeigt die Kontaktstelle in Richtung Erde, können Wissenschaftler einen hellen Neutronenstern registrieren, ansonsten wirkt er im Röntgenbereich dunkler. Manchmal wird bei diesem "Blinken" in einer Sekunde mehr Energie abgestrahlt, als unsere Sonne in einer Woche abgibt. So helle Sterne sind mit dem Rossi-Explorer oder ähnlichen Teleskopen noch zu erkennen, wenn sie sich am anderen Ende der Galaxis befinden.

"Wir hatten ein mißtönendes Frequenzgemisch der Röntgenemissionen erwartet von diesem heftigen Kessel heißer Gase – so in der Art, als wenn Sie mit der Hand zufällig auf einem Klavier herumhauen", erzählte Lamb. "Stattdessen haben die Wissenschaftler, die mit dem Rossi-Satelliten arbeiten, entdeckt, daß die Neutronensterne himmlische Akkorde von nur zwei oder drei fast reinen Tönen spielen." Das machte es möglich, Modelle zu erstellen, wie die Materie sich in der gekrümmten Raumzeit bewegt. Lambs Berechnungen zeigten nicht nur, wie die Massen und Größen von Neutronensternen bestimmt werden können, sie wiesen auch einen Weg, die innerste stabile Umlaufbahn nachzuweisen.

Dabei handelt es sich um eine Vorhersage aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Danach ist in der Nähe einer hinreichend dichten und großen Masse die Raumzeit ab einer bestimmten Nähe zum Neutronenstern so stark gekrümmt, daß es keine stabile Umlaufbahn mehr geben kann und das Gas unweigerlich auf den Stern stürzt. Dies sollte sich dadurch bemerkbar machen, daß zunächst die Blinkfrequenz und die Energie des abgestrahlten Röntgenlichtes auf dem Weg des Gases um den Neutronenstern zunimmt. Sobald die Materie die innerste stabile Umlaufbahn erreicht hat, sollte die Blinkfrequenz konstant bleiben, die Energie der Strahlung aber weiter zunehmen.

Genau das haben Zhang und seine Kollegen beobachtet, als sie den Neutronenstern 4U 1820-30 mehrere Monate lang untersuchten. Dessen Blinkfrequenz stieg bis auf 1050 Umdrehungen pro Sekunde, die Energie der emittierten Röntgenstrahlen nahm aber auch noch weiter zu, als dieser Grenzwert – und damit die innerste stabile Umlaufbahn – bereits erreicht war. Dieser Befund ist wahrscheinlich der erste Nachweis für die Richtigkeit von Einsteins Annahmen, der den Weg von Materie in sehr stark gekrümmten Bereichen der Raumzeit beschreibt. Alle früheren Überprüfungen der Allgemeinen Relativitätstheorie wurden nur in Regionen mit sanften Krümmungen durchgeführt.

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