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News: Himmlischer Steinschlag

Kollisionen mit Himmelskörpern einer gewissen Größenordnung sind verheerend, wie die Explosion über dem sibirischen Tunguska-Gebiet vor knapp 100 Jahren zeigt - aber wenigstens, statistisch gesehen, viermal seltener als bislang angenommen.
Meteoriteneinschläge regen gleichermaßen die Phantasie von Filmregisseuren und Weltuntergangs-Propheten an. Wenn diese aber das Ende unserer Zivilisation durch einen kilometergroßen Himmelskörper als Katastrophenszenario an die Wand malen, so ist das doch ein wenig übertrieben pessimistisch: Statistisch gesehen sind Kollisionen der Erde mit derart riesigen Objekten extrem selten.

Von kleineren Brocken wird unser Planet viel häufiger getroffen – bei weniger als einem Meter Durchmesser verglühen sie allerdings harmlos und schön anzuschauen als Sternschnuppen in unserer Atmosphäre. Tatsächlich erreichen selbst kosmische Geschosse von 50 bis 100 Metern Durchmesser den Erdboden selten vollständig. Wirklich harmlos sind solche Brocken allerdings trotzdem nicht, wie sich zuletzt im Jahr 1908 zeigte. Damals explodierte, mit einer Kraft von etwa 10 Megatonnen herkömmlichen TNT-Sprengstoffs, ein Himmelskörper dieser Größenordnung über dem Fluss Tunguska in Sibirien. Er erzeugte dabei eine Druckwelle, welche die Waldgebiete im Umkreis von 2000 Quadratkilometern niederwalzte: Millionen Menschen würden sterben, sollte ein derartiges Geschoss heutzutage dicht besiedeltes Gebiet treffen.

Wie häufig Objekte der damaligen Größenordnung die Erde treffen, wäre also durchaus interessant zu erfahren. Etwa alle 200 bis 300 Jahre, schätzen Wissenschaftler bislang vage auf Grundlage der Häufigkeit von Kratern und gelegentlichen erdnahen Sichtungen. Genauere Vorhersagen sind aber schwierig, da solche Himmelskörper zu klein sind, um sie von der Erde aus sicher entdecken zu können.

Peter Brown von der University of Western Ontario und seine Kollegen präsentieren nun eine deutlich genauere Prognose – auf der Basis eigentlich streng geheimer Informationen. Die Wissenschaftler erhielten die Erlaubnis, die Beobachtungsdaten von geostationären Satelliten des US-Verteidigungsministeriums auszuwerten. Diese Satelliten überwachen die Erde eigentlich auf der Suche nach Atomwaffen-Explosionen, zeichnen dabei aber auch die Leuchtspuren von Meteoren in der Atmosphäre auf.

Mit Hilfe zusätzlicher, am Boden gewonnener Beobachtungsdaten konnten die Forscher um Brown die Explosionsstärke und Größe von zwölf der satellitenerfassten Himmelskörper errechnen. Die Leuchtintensität dieser Objekte nutzten die Wissenschaftler dann als Eichwerte, mit denen sie auch auf die Größen von 300 weiteren Meteoren rückschließen konnten, die in den letzten achteinhalb Jahren von den Satelliten aufgezeichnet worden waren. So erstellten sie schließlich eine detaillierte Übersicht darüber, wie viele Brocken welcher Größe in den letzten Jahren tatsächlich den Weg der Erde gekreuzt haben.

Auf dieser realen Datengrundlage waren nun endlich auch verlässliche Vorhersagen zukünftiger Einschläge möglich. Etwa alle 1000 Jahre, prognostizierte das Forscherteam beispielsweise, werde die Erde von einem Objekt der Tunguska-Größe getroffen, also viermal seltener als bislang vermutet.

Wie beruhigend. Es bleiben allerdings Unwägbarkeiten: So folgt die Erde mit ihrem Lauf um die Sonne auch dem Kurs unseres Planetensystems durch die Galaxie – und gelangt dabei stets in Gegenden, die noch nie ein Statistiker zuvor durchmessen hat. Auch dort werden potentielle Kollisionskörper nicht vollkommen gleichverteilt vorkommen, was statistisch gemittelte Vorhersagen zu Zusammenstößen wohl kaum verlässlicher macht. Erst recht nicht, wie auch Brown beipflichtet, nach einer für Langzeit-Prognosen unzureichend kurzen Datensammelperiode von gerade einmal achteinhalb Jahren.

Bleibt uns also nichts, als auf unser Glück und der neuesten Statistik zu vertrauen – und viermal gelassener in die Sterne zu schauen als zuvor.

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