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News: Hiskias Tunnel

Taugt das "Buch der Bücher" als historische Quelle? Mitunter ja - zumindest passt die archäologische Datierung eines Tunnels, den angeblich der biblische König Hiskia in Jerusalem vor fast 3000 Jahren anlegen ließ, haargenau.
Tunnel von Hiskia
"Das ist der Hiskia, der die obere Wasserquelle des Gihon verschloss und sie hinunterleitete westwärts zur Stadt Davids" heißt es im Zweiten Buch der Chronik über den König, der vermutlich von 727 bis 698 vor Christus in Jerusalem herrschte. Die Zeiten waren damals schwierig: Das Land war nach dem Tod Salomos in das nördliche Israel und das südliche Juda geteilt, und das Nordreich hatte Assyrien 722 vor Christus erobert. Um das Jahr 701 stand der assyrische König Sanherib vor den Toren der Hauptstadt des Südreichs: Jerusalem.

Die Bibel berichtet von einer wundersamen Rettung Jerusalems, wobei der erwähnte Tunnel eine entscheidende Rolle gespielt haben soll: Indem König Hiskia das einzige natürliche Wasserreservoir außerhalb der Stadtmauern, die Gihon Quelle, versiegelt hatte, war die Belagerungsarmee von Sanherib ihrer Trinkwasservorräte beraubt. Ein unterirdischer Kanal leitete das Wasser in den Teich von Siloah nach Jerusalem und versorgte so die Menschen in der Stadt. Auch das Zweite Buch der Könige erwähnt diesen Tunnelbau – nur: Hat er wirklich stattgefunden?

Tatsächlich wurde im 19. Jahrhundert in Jerusalem zufällig ein 500 Meter langes unterirdisches Bauwerk entdeckt, das den beschriebenen Gegebenheiten entspricht. Und im Jahr 1880 tauchte am Ende des Tunnels eine hebräische Wandinschrift auf, die von seinem Bau erzählt. Allerdings ist hier von einem König namens Hiskia keine Rede.

Manche Archäologen bestreiten schlichtweg, dass dieser Tunnel aus der frühen Eisenzeit stammt. Sie datieren ihn vielmehr auf das zweite Jahrhundert vor Christus, also in die Epoche des Hellenismus und damit lange nach den Auseinandersetzungen zwischen Juden und Assyrern.

Amos Frumkin von der Hebrew University of Jerusalem versuchte jetzt, das Rätsel zu knacken. Zusammen mit Aryeh Shimron entnahm er Pflanzenproben, die sich unterhalb des Putzes verbargen, mit dem die Erbauer einst die Tunnelwände abzudichten versucht hatten. Auch Stalaktiten, die sich seit dem Bau an der Decke gebildet hatten, sollten den Forschern wertvolle Aufschlüsse liefern.

Diese Proben schickten sie nach England zur Reading University, wo sie Jeff Rosenbaum radiometrisch datierte. Grundlage der Altersbestimmung für die Pflanzenproben war der natürliche Zerfall des Kohlenstoffisotops 14C; für die Stalaktiten zogen die Forscher verschiedene Thorium- und Uranisotope heran.

Die Datierung ergab tatsächlich, dass der Tunnel um das Jahr 700 vor Christus gebaut worden sein muss – also genau in der Zeit, in der die Armee Königs Sanherib vor den Toren der Stadt lag.

Damit wäre zum ersten Mal ein in der Bibel erwähntes Bauwerk radiometrisch datiert. Der Tunnel war übrigens für seine Zeit revolutionär konstruiert: Statt über damals übliche zur Oberfläche führende Zwischenschächte trieben seine Baumeister den Kanal ohne Unterbrechung durch das Erdreich. Wie sie diese technische Meisterleistung schafften, darüber erzählt die Bibel leider nichts.

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