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Hitzeschockproteine : Unbekannter Schutz für Proteine entdeckt

Wenn Hitze oder Stress Zellen belasten, dann schlägt die Stunde der Hero-Proteine. Ihre Mission: andere Proteine beschützen.
Eiweiße verklumpen, wenn man sie erhitzt

Proteine sind wahre Arbeitstiere, die in jedem Organismus zahlreiche Funktionen übernehmen. Gegenüber Stress und Hitze sind die Eiweiße in der Regel allerdings sehr sensibel: Sie fallen aus und drohen zudem zu verklumpen und in der Zelle Schaden anzurichten. Dem wirken so genannte Hsps (heat shock proteins) entgegen, eine Gruppe von Proteinen, die man bereits seit einiger Zeit kennt. Einen anderen Typ hitzestabiler Schutzproteine hatte man aber bislang übersehen. Ein Team um den Zellbiologen Yukihide Tomari von der Universität Tokio entdeckte sie zunächst in der Taufliege Drosophila und dann auch in menschlichen Zellen: die Hero-Proteine (englisch: heat resistant obscure). Ihre Gegenwart könne beispielsweise unsere Nervenzellen vor krankhaften Ablagerungen bewahren, berichtet die Forschergruppe in der Fachzeitschrift »PLOS Biology«.

Das japanische Wort »hero-hero« steht nicht für den Helden, sondern bedeutet so viel wie locker oder flexibel. Denn anstatt eine klar definierte Struktur einzunehmen, sind die entweder stark positiv oder stark negativ geladenen Proteine eher unförmig. Im Reagenzglas beschützten sie unterschiedlichste Proteine vor Hitzeschocks, Austrocknung und diversen Chemikalien, wie Tomaris Team herausfand. Die Heros hindern auch Proteine, die von Natur aus zum Verklumpen neigen, daran, sich in Zellkulturen abzulagern – so zum Beispiel das Protein TDP-43, das sich im Gehirn von Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) anreichert.

Nicht nur die Zellen der Taufliege, sondern auch menschliche Zellen enthalten Hunderte von Proteinen, denen selbst ein Aufheizen auf rund 95 Grad Celsius nichts anhaben kann. Das zeigte ein weiteres Experiment der Wissenschaftler. Auf der Suche nach einer Rollenverteilung innerhalb der Proteinfamilie nahmen sie sechs der Hero-Vertreter genauer unter die Lupe, die besonders häufig vorkamen und ähnlich unförmig waren wie die verwandten Taufliegen-Proteine. Anhand ihrer jeweiligen Molekulargewichte tauften sie sie Hero7, -9, -11, -13, -20 und -45. Die Forscher manipulierten dafür Nervenzellen, die sie aus menschlichen Stammzellen gezüchtet hatten: Jede Linie produzierte nun besonders viel von je einem Hero. Dann brachten sie eine Version des ALS-Proteins TDP-43 in die Zellen ein, die sich unter normalen Umständen – sogar ganz ohne Hitzestress – zu leuchtenden Klumpen zusammenballt. Unter einem Mikroskop zeigte sich, dass einzelne Hero-Varianten das Zusammenballen verhindern: Die Zellen mit erhöhtem Gehalt von Hero7, -9, -11 oder -45 leuchteten nicht, während sich in den anderen Zellen große, leuchtende TDP-43-Klumpen gebildet hatten. Aus diesem und weiteren Tests schließen die Forscher, dass es unter den Heros keinen Super-Heroen gibt, der alle Proteine gleichermaßen beschützt. Stattdessen scheint jeder Protein-Held auf eigene Schutzbefohlene spezialisiert zu sein.

Im Gegensatz zu den klassischen Hsp-Proteinen, die fehlgefalteten oder verklumpten Proteinen aktiv in die richtige Struktur zurückhelfen, binden die Heros wohl eher passiv an sie. »Die Wechselwirkungen scheinen schwach und von vorübergehender Natur zu sein«, sagt Tomari. Darum sei es schwierig zu verstehen, an welche Proteine die Heros binden und wie sie sie eigentlich beschützen. Dieser Mechanismus müsse unbedingt noch geklärt werden. Dennoch sei die Entdeckung der neuen Schutzproteine äußerst spannend, sagt der Biochemiker James Shorter, der nicht an der Studie beteiligt war und an der University of Pennsylvania zu fehlgefalteten Proteinen und proteinischen Faltungshelfern forscht.

Denn nicht nur bei ALS, sondern auch bei anderen Krankheiten wie Alzheimer spielen fehlgefaltete Proteine eine wichtige Rolle. Möglicherweise könnte eine höhere Konzentration an Hero-Proteinen helfen, die Bildung von Alzheimer-Plaques zu vermeiden. Am ehesten könne er sich das in Form einer Gentherapie vorstellen, sagt Tomari. Ob das Prinzip hier überhaupt funktioniert, ist bislang allerdings reine Spekulation, zumal sich das Alzheimer-Protein Beta-Amyloid nicht in, sondern außerhalb von Zellen ablagert. Der Forscher aus Japan glaubt aber, dass die neu entdeckten Proteine auch für andere Zwecke nützlich sein könnten, etwa um proteinbasierte Medikamente zu stabilisieren.

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