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Hitzewelle in Südeuropa: Gebrochene Rekorde und extreme Waldbrandgefahr

Am Mittelmeer setzt die Hitze neue Höchstmarken – und bringt noch mal erhöhte Feuergefahr. In Deutschland dagegen fallen keine Rekorde. Doch auch unter 40 Grad ist noch extrem.
Eine Landschaft mit Hügeln und vereinzelten Häusern, die von einem kürzlich stattgefundenen Brand betroffen sind. Im Vordergrund steht ein verkohlter Baum, während im Hintergrund Rauch über den Hügeln aufsteigt. Ein Feuerwehrfahrzeug ist auf einer Straße zu sehen, umgeben von verbrannter Vegetation. Der Himmel ist klar und blau.
Trügerische Postkartenlandschaft: Rauch in den Hügeln im Hintergrund verrät die Waldbrände nahe der griechischen Stadt Patras. In der Region steigen die Temperaturen derzeit auf 42 Grad.

Nach dem Durchschnittsjuli hat die erste große Hitzewelle des Sommers Deutschland erfasst. Das halbe Land schwitzt bei 35 Grad und mehr, sogar im sonst so kühlen Norden haben sich schweißtreibende Luftmassen ausgebreitet. Nachts kühlt es in den großen Städten nicht unter 20 Grad ab. Das ganze Land ächzt, der Höhepunkt der Hitzewelle wird am heutigen Donnerstag erwartet. Die extremen Temperaturen sind Folge eines markanten Heißluftvorstoßes aus dem südwestlichen Mittelmeer. Im Südwesten hält die Hitzewelle bereits eine Woche an – und wird sich wahrscheinlich bis in die nächste Woche hinein halten.

Noch heftiger hat es Frankreich erwischt. Schon zu Wochenbeginn kletterten die Temperaturen im Süden des Landes auf mehr als 40 Grad, an 62 Orten wurden neue Allzeitrekorde erreicht. Im Rhonetal blieb die brüllende Hitze fast drei Tage lang hängen, in Saint Laurent du Pape wurden 42,9 Grad gemessen – ebenfalls ein neuer Allzeitrekord an dem kleinen Ort. Extrem sind auch die Nachtwerte – die Luft kühlt sich bei dieser Luftmasse nicht richtig ab. Extreme Tropennächte mit Tiefsttemperaturen von mindestens 25 Grad machen den Menschen rund ums Mittelmeer das Schlafen schwer.

Die Extremhitze in Südfrankreich ist selbst für den hitzeerprobten Mittelmeerraum außergewöhnlich, verbreitet liegen die Temperaturen 12 bis 15 Grad über den für die Jahreszeit normalen Werten. Reihenweise wurden Rekorde gebrochen, die im sogenannten Jahrhundertsommer 2003 aufgestellt wurden. Und nicht zuletzt verschärft der klimatische Ausnahmezustand eine Gefahr, die schon in den letzten, kühleren Wochen Schlagzeilen machte: Waldbrände.

Feuerwetter am Mittelmeer

Hitze und Dürren befördern Waldbrände grundsätzlich, auch wenn es meist ein Mensch ist, der aus Unachtsamkeit oder Absicht Brände legt. Wälder sind leicht entzündlich, wenn das Feuerwetterrisiko hoch ist. Feuerwetter ist die Kombination aus hohen Temperaturen, kaum Regen und Wind. Gerade die Temperatur ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten am Mittelmeer dramatisch angestiegen, deshalb geht der Anstieg der Waldbrandgefahr auf diesen Parameter zurück – wie auch auf die Abnahme der Niederschlagsmengen.

Vor allem Frankreich und Südosteuropa leiden unter Dürre, die Vegetation ist verbreitet ausgetrocknet. Dadurch steigt das Risiko, dass Brände ausbrechen. Am höchsten ist die Waldbrandgefahr derzeit in Frankreich und Teilen Spaniens wie Griechenlands. Nach Angaben des Forschungszentrums Copernicus der Europäischen Union sind aktuell 1628 Feuer mit einer Größe von mindestens 30 Hektar ausgebrochen, insgesamt stehen 439 600 Hektar Wald in Europa in Flammen.

Mehr Hitze sorge für mehr Verdunstung, sagt Karsten Haustein, Klimatologe an der Universität Leipzig, und somit bei theoretisch gleichbleibendem Niederschlag für trockenere Böden und Wälder. Hitze sei also die notwendige Bedingung fürs Austrocknen, sagt er. Je wärmer es werde, desto schneller werde es riskant. Feuerwetter entsteht damit zu einem großen Teil über die Verdunstung, die Hitze schafft die Bedingungen für Brände. Hinzu kommt: Da die Niederschlagsmengen am Mittelmeer generell abnehmen, häufiger Starkregen fällt, der nicht in den Boden sickert, und die Trockenphasen zunehmen, verschärft sich das Problem: Die Waldbrandgefahr steigt umso stärker an, je wärmer es wird. Und zwar nicht linear, sondern exponentiell.

In Mitteleuropa ist es derweil nicht ganz so heiß wie am Mittelmeer – doch die Temperaturen sind trotzdem außerordentlich. Auch Deutschland erlebe eine »ungewöhnlich intensive Hitzewelle«, sagt der Meteorologe Adrian Leyser-Sturm vom Deutschen Wetterdienst; eine, wie sie es nicht jedes Jahr gebe. Verbreitet klettern die Temperaturen auf mehr als 35 Grad, im Süden und Osten werden sogar lokal 38 Grad erreicht. Die Temperaturwerte reichen nur in Ausnahmefällen an die 40-Grad-Marke heran, doch hier täuschen die letzten heißen Jahre: Auch Werte einige Grad darunter sind immer noch ungewöhnlich. In Frankfurt und Freiburg gebe es zwei Tage im Jahr, an denen die 35-Grad-Marke überschritten werde, sagt Leyser-Sturm.

Warum es in Deutschland unter 40 Grad bleibt

Damit auch hierzulande Temperaturen über 40 Grad herrschen wie derzeit am Mittelmeer, müssen ganz spezielle Wetterlagen und Umstände herrschen. Grundbedingung für hohe Temperaturen ist, dass sehr heiße Luftmassen aus südlichen Richtungen nach Mitteleuropa geweht werden. Aber damit in Deutschland 40 Grad überschritten werden, muss einerseits die Luft in der Höhe noch heißer sein als derzeit, andererseits sollten die Böden völlig ausgetrocknet sein. Derzeit nämlich kühlt dank dem nassen Juliwetter Verdunstung aus Boden und Pflanzen die Luft. Anders im Sommer 2019: Nach einem trockenen Frühjahr und heißen Juni schob sich Ende Juli eine gewaltige Hitzeblase von Nordafrika weit nach Norden. Damals stellten Duisburg und Tönisvorst mit 41,2 Grad den aktuellen deutschen Hitzerekord auf.

Auch wenn die Temperaturen zurzeit deutlich unter diesen Werten bleiben, deutet sich schon bei den Extremhitzetagen von mehr als 35 Grad der Einfluss des Klimawandels an. In früheren Jahrzehnten kamen solche Temperaturen fast überhaupt nicht vor, seit einigen Jahren treten sie immer häufiger auf. Allerdings könne man bisher keine belastbare Statistik erstellen, wie stark ihre Zahl angestiegen sei, sagt Leyser-Sturm. Dazu seien solche Temperaturen zu selten. Ganz im Gegensatz zu den Hitzetagen, also solchen mit Höchstwerten von mindestens 30 Grad: Da ist der Trend eindeutig – deren Zahl hat sich mittlerweile fast verdreifacht.

In Südeuropa wiederum würde man sich nach 30 Grad als Höchstwerten sehnen. Von Portugal bis Griechenland herrscht sengende Hitze, vor allem in Spanien und Griechenland steigen die Temperaturen deutlich über 40 Grad, in Badajoz an der Grenze zu Portugal in der spanischen Extremadura wurden am Montag sogar 45,5 Grad erreicht. Damit erlebt die Iberische Halbinsel schon jetzt die längste Hitzewelle des Jahres, und ein Ende der heißen Temperaturen ist nicht absehbar.

Solche Extremhitze ist selbst für Südeuropa nicht normal. Klimaforscher erwarten, dass die Länder rund ums Mittelmeer in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zum Hotspot der globalen Erwärmung werden. Heiß kann es rund ums Mittelmeer im Hochsommer immer werden, Werte von 30 Grad und mehr sind typisch. Die Häufung von extremen Hitzewellen mit Temperaturen über 40 Grad aber ist ungewöhnlich und eine klare Folge des Klimawandels. Immer öfter werden sich Hitzeglocken aufwölben, unter denen sich die heiße Luft wie in einem Kochtopf aufheizt. Der offizielle europäische Hitzerekord wurde vor vier Jahren im sizilianischen Syrakus aufgestellt. Am 11. August 2021 stieg das Thermometer auf 48,8 Grad. Doch 50 Grad sind nur eine Frage der Zeit.

Hitzewelle und Dürren werden neue Normalität am Mittelmeer, und damit die wachsende Waldbrandgefahr. Ob die aktuelle extreme Hitze auch extreme Feuer bringt, lässt sich allerdings nicht vorhersagen – der Wald brennt nur, wenn er angezündet wird, und der Auslöser ist meist der unberechenbare Mensch. Doch rund ums Mittelmeer wird noch eine ganze Weile das gefürchtete »Feuerwetter« herrschen. Und während in Deutschland der Hochsommer schon seinem Ende entgegengeht und es bereits am Wochenende wieder kühler wird, sind dort im Süden bis in den September hinein extreme Hitzewellen möglich.

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